[Ohne Titel]
StB Dipl.-Fw. Karl-Heinz Günther
Steuerpflichtige haben das Recht, Änderungsanträge bei Steuer- oder Feststellungsbescheiden zu ihren Gunsten zu stellen. Um damit Erfolg zu haben, muss jedoch eine verfahrensrechtliche Änderungsnorm (§§ 129, 164, 172 ff. AO) erfüllt sein. Der Beitrag beschäftigt sich auf der Grundlage der hierzu ergangenen Rspr. mit der Frage, in welchen Fällen ein Änderungsantrag der Steuerpflichtigen auch nach Ablauf der Einspruchsfrist noch Erfolg haben kann.
1. Einleitung
Mit Ablauf der Einspruchsfrist wird der Steuer- oder Feststellungsbescheid zwar formell rechtskräftig, jedoch nicht unbedingt auch materiell bestandskräftig. Während die Finanzverwaltung bei Vorliegen der Voraussetzungen der Änderungsvorschriften (§§ 129, 164, 172 ff. AO) Bescheide innerhalb der Festsetzungs- oder Feststellungsfrist zu Lasten des Steuerpflichtigen ändern kann, hat dieser auch das Recht, Änderungsanträge zu seinen Gunsten zu stellen. Um hiermit Erfolg zu haben, muss jedoch eine verfahrensrechtliche Änderungsnorm (§§ 129, 164, 172 ff. AO) greifen. Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich auf der Grundlage der hierzu ergangenen Rechtsprechung mit der Frage, in welchen Fällen ein Änderungsantrag des Steuerpflichtigen auch nach Ablauf der Einspruchsfrist noch Erfolg haben kann.
2. Änderungsantrag bei Vorbehaltsbescheiden
Ist ein Steuer- oder Feststellungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) ergangen, hat der Steuerpflichtige die Möglichkeit, jederzeit, d.h. bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist/Feststellungsfrist einen Änderungsantrag zu stellen, da der Steuerfall aufgrund des Vorbehalts in vollem Umfang offen ist (§ 164 Abs. 2 S. 2 AO). Die Finanzverwaltung kann die Entscheidung über den Änderungsantrag jedoch bis zur abschließenden Prüfung des Steuerfalls, die in angemessener Frist vorzunehmen ist, hinausschieben. Der Vorbehalt der Nachprüfung berechtigt den Steuerpflichtigen somit, auch nach Ablauf der Einspruchsfrist sämtliche, für ihn günstige, d.h. die Steuerbelastung mindernde Sachverhalte im Antragswege nachträglich geltend zu machen.
Beraterhinweis Änderungsanträge, die gestützt auf eine Änderungsnorm der AO außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellt werden, bewirken eine Ablaufhemmung, d.h. die Festsetzungsfrist läuft insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden ist (§ 171 Abs. 3 AO).
Lehnt das FA den Änderungsantrag ganz oder teilweise ab, kann hiergegen Einspruch eingelegt werden. Verfahrensrechtlich besteht jedoch insoweit die Besonderheit, dass bei weiterem Fortbestand des Vorbehalts der Nachprüfung der Fall ungeachtet der Ablehnung des Änderungsbegehrens auch weiterhin in vollem Umfang offen ist, d.h. der Steuerpflichtige kann sein Begehren spätestens bei Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung im Einspruchsverfahren (erneut) geltend machen.
Zu beachten ist, dass der Wegfall des Vorbehalts der Nachprüfung nicht unbedingt der formellen Aufhebung durch das FA bedarf. Denn nach § 164 Abs. 4 AO entfällt der Vorbehalt automatisch mit Ablauf der regulären (vierjährigen) Festsetzungsfrist. Wer also sein Änderungsbegehren noch anbringen will, muss den Änderungsantrag noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist stellen, der dann wiederum (s.o.) zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO führt.
3. Änderungsantrag wegen offenbarer Unrichtigkeiten (§ 129 AO)
Der Regelungsbereich des § 129 AO: § 129 AO ermöglicht die Berichtigung von Schreibfehlern, Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten sowohl zu Ungunsten als auch zugunsten des Steuerpflichtigen. Obwohl die Durchführung der Berichtigung im Ermessen des FA steht, besteht bei berechtigtem Interesse des Steuerpflichtigen Berichtigungszwang. Dies ergibt sich aus dem Vorrang der materiellen Gerechtigkeit vor der Rechtssicherheit (BFH v. 4.3.2015 – X B 39/14, BFH/NV 2015, 805).
§ 129 AO greift immer dann ein, wenn es sich um Eingabefehler handelt (BFH v. 29.1.2003 – I R 20/02, BFH/NV 2003, 113), Beträge versehentlich doppelt berücksichtigt oder Vorgänge übersehen werden (BFH v. 27.3.1987 – VI R 63/84, BFH/NV 1987, 480). § 129 AO findet auch dann Anwendung, wenn das FA bei der Veranlagung eine Mitteilung über eine Verlustbeteiligung übersieht und nicht berücksichtigt (BFH v. 16.7.2003 – X R 37/99, BStBl. II 2003, 867 = AO-StB 2004, 5). Entsprechendes gilt, wenn das FA einen Teil der Prüfungsfeststellungen schon während der Außenprüfung in einem Änderungsbescheid berücksichtigt, dann aber die Ergebnisse des abschließenden Prüfungsberichts entgegen der Aktenlage durch eine Korrektur des Änderungsbescheides noch einmal in vollem Umfang – und damit doppelt – umsetzt (BFH v. 24.1.2019 – V R 32/17, BFH/NV 2019, 673).
Hat sich der Steuerpflichtige in seiner Steuererklärung zu seinen Ungunsten vertan, kann ein Änderungsantrag nach § 129 AO Erfolg haben, wenn
- ihm der Fehler in einer Selbsterrechnungserklärung, d.h. in einer Umsatzsteuer-Voranmeldung, Lohnsteuer-Anmeldung oder Umsat...