Voraussetzungen und Verfahren
[Ohne Titel]
Dr. Martin Lohr, Notar
Stellt sich nach der Löschung der GmbH heraus, dass noch Vermögenswerte vorhanden oder Abwicklungsmaßnahmen notwendig sind, muss die Bestellung eines Nachtragsliquidators durch das Registergericht beantragt werden. Der Beitrag gibt einen Überblick über die Voraussetzungen und das Verfahren der Bestellung und schließt mit einem Formulierungsvorschlag für den Bestellungsantrag ab.
1. Grundvoraussetzungen der Nachtragsliquidation
In zwei Fällen kann nach der Löschung einer GmbH im Handelsregister eine Nachtragsliquidation erforderlich sein:
- Vorhandensein von Vermögen: Es stellt sich heraus, dass zum Zeitpunkt der Löschung – entgegen der damaligen Einschätzung des Liquidators – noch Gesellschaftsvermögen vorhanden war, z.B. eine Forderung (zur Forderung einer GmbH gegen ihren ehemaligen Alleingesellschafter: OLG Düsseldorf v. 30.4.2015 – 3 Wx 61/14, GmbHR 2014, 658 = GmbH-StB 2016, 6 [Frystazki]; s. auch zur Steuererstattung: OLG Düsseldorf v. 13.9.2019 – I -3 Wx 80/17, GmbHR 2020, 319).
- Notwendigkeit weiterer Abwicklungsmaßnahmen: Nach überwiegender Auffassung ist die Nachtragsliquidation auch dann zulässig, wenn weitere Abwicklungsmaßnahmen notwendig sind, z.B. die Abgabe von Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt (KG v. 11.5.2021 – 1 W 29/21, GmbHR 2021, 773); s. auch zur vorsorglichen Kündigung eines Beherrschungsvertrags unter Mitwirkung des Nachtragliquidators das Gutachten des Dt. Notarinstituts in DNotI 2019, 147; weitere Beispiele bei Altmeppen in Altmeppen/Roth, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 74 Rz. 27 m.w.N.; s. auch KG v. 28.9.2018 – 22 W 60/14, ZIP 2019, 1721: Keine Notwendigkeit der Bestellung zur Verteilung des Liquidationserlöses, wenn dieser bei der gerichtlichen Hinterlegungsstelle hinterlegt ist und somit der Auszahlungsanspruch nach § 378 BGB erfüllt ist.
2. Gerichtliche Bestellung des Nachtragsliquidators
Die Nachtragsliquidation erfordert die Bestellung eines Nachtragsliquidators, da das Amt des Liquidators mit der Löschung der GmbH beendet wird. Der Nachtragsliquidator wird durch gerichtlichen Beschluss bestellt (analog § 273 Abs. 4 S. 1 AktG, § 66 Abs. 5 S. 2 GmbHG); die Gesellschafter können den Nachtragsliquidator weder durch Satzungsregelung noch durch einfachen Gesellschafterbeschluss bestimmen (Altmeppen in Altmeppen/Roth, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 74 Rz. 29).
Das Verfahren der Beschwerde gegen den Bestellungsbeschluss richtet sich nach den § 375 Nr. 6, § 402 Abs. 1, § 58 Abs. 1 FamFG. Sie ist jedoch dann mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn der Nachtragsliquidator bereits alle Handlungen, die zum Aufgabenkreis zählen, abschließend erledigt hat (OLG Düsseldorf v. 17.3.2021 – I -3 Wx 33/21, GmbHR 2021, 1050).
3. Antragsbefugnis
Antragsbefugt ist jeder Beteiligte, der ein Interesse an der Durchführung der Nachtragsliquidation hat. Dies können insbesondere
- die früheren Gesellschafter und Geschäftsführer sein oder
- Gesellschaftsgläubiger
(vgl. zu den Anforderungen, die an den Antrag eines Gläubigers gestellt werden: KG v. 13.2.2007 – 1 W 272/06, GmbHR 2007, 542 = GmbH-StB 2007, 140 [Große-Wilde]).
4. Aufgaben des Nachtragsliquidators
Der Aufgabenkreis kann durch das zuständige AG festgelegt – insbesondere auf einzelne Aufgaben beschränkt – werden (umstr.; bejahend OLG München v. 7.5.2008 – 31 Wx 28/08, GmbHR 2008, 821; a.A. Altmeppen in Altmeppen/Roth, GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 74 Rz. 38). Der Nachtragsliquidator setzt die Abwicklung der GmbH fort.
Beachten Sie: Ein erneuter Gläubigeraufruf (vgl. § 65 Abs. 2 GmbHG) muss nicht erfolgen. Auch finden die Regelungen zum Sperrjahr (§ 73 Abs. 1 GmbHG) keine Anwendung.
5. Abgrenzung zum Verfahren nach § 66 Abs. 5 S. 2 GmbHG
Wurde eine GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht, findet nach vorbezeichneter Vorschrift eine nachträgliche Liquidation nur dann statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass noch zu verteilendes Vermögen vorliegt. Das Gericht ernennt dann auf Antrag eines Beteiligten die Liquidatoren (§ 66 Abs. 5 S. 3 GmbHG). Beachten Sie: Dieses Verfahren ist keine Nachtragsliquidation, da keine Liquidation vorangegangen ist.
Vielmehr erfolgt die Liquidation erstmalig; die §§ 68 ff. GmbHG finden Anwendung (hierzu KG v. 24.2.2022 – 1 W 310/21, zit. nach juris). Das Gericht trägt die Gesellschaft als Liquidationsgesellschaft ein – es sei denn, der Umfang und die Qualität der durchzuführenden Maßnahmen erfordern keine Eintragung (OLG München v. 21.10.2010 – 31 Wx 127/10 Rz. 5, GmbHR 2011, 39). Der Nachweis der Vertretung gegenüber dem Grundbuchamt kann nur mithilfe einer Registereintragung erfolgen; der Beschluss als solcher ist nicht ausreichend (KG v. 24.2.2022 – 1 W 310/21, zit. nach juris und KG v. 11.5.2021 – 1 W 29/21, GmbHR 2021, 773). Die Vertretungsmacht des nach § 66 Abs. 5 S. 3 GmbHG bestellten Liquidators ist nicht beschränkt auf einzelne Tätigkeiten.
Vorstehendes Verfahren kommt nicht in Betracht,
- wenn die Liquidation bereits durchgeführt wurde oder
- wenn es um andere Maßnahmen als die Verteilung noch vorhandenen Gesellschaftsvermögens geht.
Dann bleibt nur die Möglichkeit der Bestellung des Nachtragsliquidators analog § 273 Abs. 4 A...