Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
1. Eine Anwartschaft auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist keine Beteiligung und deshalb bei der Bestimmung der Beteiligungshöhe i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht zu berücksichtigen.
2. Erklärt der Steuerpflichtige aufgrund der Zahlung eines Geldbetrags seine Ansprüche aus einem Aktienkauf als abgegolten, ist diese Zahlung nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
Normenkette
§ 17, § 22 Nr. 3 EStG
Sachverhalt
Der Sachverhalt ist eigentlich schon klar: K kaufte 1999 zunächst 1.024 Stammaktien einer AG zum Nennbetrag von 5 EUR (2 % des Kapitals). Die dingliche Übertragung der Aktien sollte lt. folgender Vertragsklausel am 1.7.2005 gegen Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 5.120 EUR erfolgen: "Verkäufer und Käufer sind darüber einig, dass alle Rechte aus den Aktien – auch auf rückständige Dividenden – nebst dem – auch anteiligen – Eigentum an etwaigen Aktienurkunden und dem Anspruch auf deren Herausgabe mit Wirkung ab dem 1.7.2005 auf den Käufer übergehen. Das Dividendenbezugsrecht bis zum Jahr 2004 verbleibt ausdrücklich beim Verkäufer. Der Verkäufer stimmt in seiner Eigenschaft als Vorstand der Gesellschaft der vorstehenden Übertragung zu. Der Käufer wird den Übergang bei der Gesellschaft anmelden (§ 68 Abs. 3 AktG)." Laut AG-Satzung stand die Übertragung von Aktien an Dritte unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Vorstandes. Es sollte aber anders kommen: Vor der Übertragung der Anteile trat der Verkäufer und Mehrheitsaktionär anlässlich eigener Verkaufsverhandlungen seines gesamten Aktienpaketes an K mit der Bitte heran, die Erfüllung des Vertrages durch Übereignung der Aktien zunächst zurückzustellen. Mit Vertrag vom 28.9.2006 wurden sämtliche Anteile der AG (einschließlich der von K gekauften Anteile) zu einem Preis von 14,85 Mio. EUR zuzüglich eines Besserungsscheins in Höhe von 150.000 EUR veräußert. Am 5.10.2006 leistete der Verkäufer eine Ausgleichszahlung in Höhe von 300.000 EUR an K, die sich der Höhe nach an dem Anteil der von ihm gekauften Anteile am Gesamtkaufpreis für die AG orientierte. Aufgrund dieser Zahlung erklärte der Kläger am 5.10.2006 alle seine Ansprüche aus dem Aktienkauf- und Übertragungsvertrag vom 28.6.1999 als abgegolten. Das FA erfasste die Ausgleichszahlung unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens als Veräußerungsgewinn. Das FG beurteilte den Vorgang als nicht steuerbar (FG Köln, Urteil vom 20.6.2012, 4 K 295/10, Haufe-Index 3304592, EFG 2012, 2022).
Entscheidung
Genauso sah das auch der BFH und wies die Revision des FA gegen die Vorentscheidung als unbegründet zurück.
Hinweis
Angenommen, K kauft 2 % der Anteile an einer AG, die aber erst 5 Jahre später dinglich übertragen werden sollen, und ebenfalls angenommen, K hat bereits eine Anwartschaft auf diese Anteile: Der Verkäufer tritt kurz vor der bedungenen Übertragung an K heran, die Erfüllung des Vertrags zunächst zurückzustellen. Anschließend verkauft er alle Aktien der AG (auch die von K gekauften) und leistet eine Ausgleichszahlung an K, die sich der Höhe nach an dem Anteil der von ihm gekauften Anteile am Gesamtkaufpreis orientiert. Ist diese Ausgleichszahlung steuerlich zu erfassen?
Nein, so der BFH und löst den Fall aufgrund beider in Betracht zu ziehender Steuertatbestände.
1. Zunächst ist § 17 Abs. 1 EStG zu prüfen – und abzulehnen. Danach gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten 5 Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Man muss die Beteiligung von den Anteilen unterscheiden. Beteiligung ist die nominelle Beteiligung am Nennkapital. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind demgegenüber gem. § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG auch Anwartschaften auf solche Beteiligungen. Wird bloß eine Anwartschaft übertragen, geht noch keine Beteiligung über. Eine Anwartschaft ist zwar ein Anteil und damit möglicher Gegenstand einer Veräußerung. Sie führt aber für sich zu keiner Beteiligung und darf mithin bei der Bestimmung der Beteiligungshöhe nicht berücksichtigt werden. Eine Anwartschaft kann also als Anteil steuerbar werden, beeinflusst aber nicht die Beteiligungshöhe. Damit greift § 17 EStG nicht ein. K war ja noch gar nicht an der AG beteiligt. Er hatte bloß 2 % der Anteile gekauft und nur die begründete Aussicht auf den Erwerb der Beteiligung.
2. Ist die Ausgleichszahlung denn nicht nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar? Nach § 22 Nr. 3 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S.d. Nrn. 1, 1a, 2 oder 4 der Vorschrift gehören. Eine (sonstige) Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das weder eine Veräußerung noch einen veräußerungsähnlichen Vorgang im Privatbereich betrifft. Diese Ausnahme rechtfertigt sich aus der Spezialität der Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § ...