Leitsatz
Wird der Bilanzansatz einer (nicht einnahmelosen) Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft im Jahr 2004 erfolgswirksam korrigiert (Nachholung der Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes – EStG –), liegt eine Betriebsvermögensminderung im Sinne des § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG vor. Dabei gilt das Halbabzugsverbot auch dann, wenn der Bilanzierungsfehler dem Steuerpflichtigen im Jahr 2001 – vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens – unterlaufen ist.
Normenkette
§ 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, hatte im Jahr 1998 eine Beteiligung von 99,75 % an der K-AG erworben. In ihren Handels- und Steuerbilanzen bis zum 31.12.2003 wies sie die Beteiligung mit ihren Anschaffungskosten aus. Im Mai 2001 beschloss die Hauptversammlung der K-AG, die Gesellschaft mit Wirkung zum 31.8.2001 aufzulösen. Die Liquidation der K-AG wurde zum 31.8.2004 abgeschlossen. Die Klägerin erhielt im Jahr 2004 eine Abschlusszahlung. Sie buchte die Beteiligung an der K-AG zum 31.12.2004 aus. Unter Berücksichtigung u.a. der Abschlusszahlung und des Buchwerts entstand ihr ein Verlust. Nach Ansicht des FA war dieser zwar dem Grunde und der Höhe nach anzuerkennen, gemäß § 3c Abs. 2 EStG jedoch nur zur Hälfte zu berücksichtigen. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, der Teilwert der Beteiligung an der K-AG sei im Jahr 2001 aufgrund des Auflösungs- und Liquidationsbeschlusses voraussichtlich dauernd gemindert gewesen. Die versäumte Teilwertabschreibung sei in der ersten noch offenen Bilanz – mithin im Jahr 2004 – nachzuholen. Dabei gelte das für den VZ 2001 maßgebliche Recht, sodass das Halbeinkünfteverfahren keine Anwendung finde. Das FG (Niedersächsisches FG, Urteil vom 4.12.2019, 7 K 222/16) wies die Klage ab. Der Verlust aus der Beteiligung an der K-AG unterliege dem Halbabzugsverbot (§ 3c Abs. 2 EStG). Selbst wenn der Verlust – wie von der Klägerin geltend gemacht – auf eine unterlassene Teilwertabschreibung des Jahres 2001 zurückzuführen wäre, die nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs in der ersten offenen Bilanz – hier des Jahres 2004 – erfolgswirksam nachgeholt werden müsse, käme § 3c Abs. 2 EStG zur Anwendung. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe die Besteuerung des korrigierten Gewinns im Jahr der "Nachholung" nicht nach dem Recht des Jahres zu erfolgen, in dem die Teilwertabschreibung eigentlich hätte vorgenommen werden müssen. Lediglich für die Frage, ob die ursprüngliche Bilanz (objektiv) fehlerhaft gewesen sei, müsse auf das Recht dieses Jahres abgestellt werden.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Zu Recht habe das FG es dahinstehen lassen, ob der Verlust erst 2004 entstanden sei oder aber aus einem 2001 erfolgten Bilanzierungsfehler resultiere, der 2004 berichtigt werden müsse. Denn auch in diesem Fall komme aus den in den Praxis-Hinweisen aufgeführten Gründen im Streitjahr 2004 § 3c Abs. 2 EStG zur Anwendung.
Hinweis
1. Die Ermittlung des Gewinns oder Verlusts aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfordert eine Stichtagsbewertung, die auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlusts vorzunehmen ist. Die insoweit in der Rechtsprechung des BFH zu § 17 EStG entwickelten Grundsätze gelten auch für im Betriebsvermögen gehaltene Anteile an einer Kapitalgesellschaft.
2. Wird in einem Jahr unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens die Abschreibung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft auf den niedrigeren Teilwert nachgeholt (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG), liegt eine Betriebsvermögensminderung i.S.d. § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG vor. Darauf ist das Halbabzugsverbot auch dann anzuwenden, wenn der Bilanzierungsfehler dem Steuerpflichtigen vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens unterlaufen ist. Es besteht keine Rechtsgrundlage dafür, bei der Ermittlung des Gewinns eines Jahres unter Geltung des Halbeinkünfteverfahrens das für einen VZ vor Geltung des Halbeinkünfteverfahrens maßgebliche Recht zugrunde zu legen – weder aus dem Systemwechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren und den dabei zu beachtenden zeitlichen Anwendungsbestimmungen und materiellen Regelungen noch aus den Grundsätzen über die Bilanzberichtigung im Rahmen des formellen Bilanzenzusammenhangs ergibt sich eine entsprechende Rechtsgrundlage.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 27.7.2023 – IV R 15/20