AE HGrStG zu § 1 Abweichungsumfang, sachlicher, räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich
Die Länder sind nach Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 GG befugt, die Grundsteuer abweichend vom Bundesgesetz landesrechtlich zu regeln (Länderöffnungsklausel). Durch das Hessische Grundsteuergesetz (HGrStG) vom 15. Dezember 2021 (GVBl. S. 906) ist landesrechtlich partiell von den bundesgesetzlichen Vorschriften zur Grundsteuer abgewichen worden (zum Inkrafttreten des Gesetzes, AE HGrStG zu § 17). Das Landesrecht weicht sowohl materiell-rechtlich ("Flächen-Faktor-Verfahren") als auch verfahrensrechtlich (nur einstufiges Verfahren zur Festsetzung des Grundsteuermessbetrags, vgl. AE HGrStG zu § 2 Abs. 5 – Anwendung der Abgabenordnung und des Finanzverwaltungsgesetzes) vom Bundesrecht ab. Die Besteuerung des Grundvermögens erfolgt damit in einem (nur noch) zweistufigen Verwaltungsverfahren (Festsetzung des Grundsteuermessbetrags durch das zuständige Finanzamt und Festsetzung der Grundsteuer durch die zuständige Gemeinde). Zudem enthält das HGrStG Abweichungen bei der Grundsteuer C (§ 13 HGrStG). Übersicht zum Abweichungsumfang, AE HGrStG zu § 2 Abs. 1 – Abweichungsvorschriften.
Der sachliche Geltungsbereich des HGrStG (Abweichungsgesetz) beschränkt sich auf die Besteuerung der wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (§ 1 HGrStG in Verbindung mit §§ 2, 218 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 Nr. 1, 243 und 244 des Bewertungsgesetzes – BewG –). Für wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens (§§ 2, 218 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 Nr. 2, § 232 BewG) gilt in Hessen uneingeschränkt das Bundesgesetz. Der Wohnteil und die Betriebswohnung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehören zum Grundvermögen (AE HGrStG zu § 5 Abs. 1, Abs. 6 – Fläche des Grund und Bodens, Abrundung).
Der räumliche Geltungsbereich des HGrStG wird durch die Reichweite der Befugnis des Landesgesetzgebers bestimmt. Das abweichende Landesrecht erstreckt sich daher auf die Landesfläche Hessens und erfasst nur die im Gebiet des Landes Hessen belegenen wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens (zu Grundstücken, die sich über die hessische Landesgrenze erstrecken, vgl. AE HGrStG zu § 2 Abs. 2 – allgemeine Vorschriften des BewG; Überlagerung von §§ 22 bis 24 GrStG).
Im zeitlichen Geltungsbereich sind die nach dem HGrStG von den Finanzämtern festzusetzenden Grundsteuermessbeträge erstmalig im Rahmen der Hauptveranlagung auf den Stichtag 1. Januar 2022 zu ermitteln (§ 8 HGrStG). Die Gemeinden dürfen die Messbeträge der Grundsteuerfestsetzung und -erhebung erstmals ab dem 1. Januar 2025 zugrunde legen (Art. 125b Abs. 3 GG).
AE HGrStG zu § 2 Abweichende Regelung vom Grundsteuergesetz, Anwendbarkeit des Bewertungsgesetzes (BewG) und weiterer Gesetze
Zu Abs. 1 (Abweichungsvorschriften)
Das HGrStG ist als partielles Abweichungsgesetz konzipiert. Das bedeutet, dass die landesrechtlichen Regelungen vorrangig gegenüber den Vorschriften des Grundsteuergesetzes des Bundes (GrStG) anzuwenden sind. Vorrangig anzuwendendes Landesrecht führt zu einem Anwendungsausschluss der überlagerten Bundesnorm. Die Bundesvorschriften bleiben aber anwendbar, soweit sie nicht durch Landesrecht überlagert werden.
Aus Gründen der Rechtsklarkeit listet § 2 Abs. 1 HGrStG die das Bundesgesetz überlagernden Landesregelungen auf:
Norm des HGrStG |
Ersetzte Norm(en) des GrStG |
Regelungsinhalt |
§ 3 |
§ 10 |
Steuerschuldner |
§§ 4, 5 und 7 |
§ 13 |
Ermittlung des Steuermessbetrags |
§ 6 |
§ 15 Abs. 1, Abs. 5 |
Steuermesszahl(en) |
§ 8 |
§ 16 und § 36 |
Hauptveranlagung |
§ 9 |
§ 17 |
Neuveranlagung |
§ 10 |
§ 18 |
Nachveranlagung |
§ 11 |
§ 20 |
Aufhebung des Steuermessbetrags |
§ 12 |
§ 17 Abs. 4, § 18 Abs. 4, § 20 Abs. 3 und § 21 |
Verfahrensvorschriften zu den Veranlagungsformen |
§ 13 |
§ 25 Abs. 5 |
Hebesatz für baureife Grundstücke (Grundsteuer C) |
Die enumerative Aufzählung hat nur deklaratorische Bedeutung. Die konstitutiv wirkende Abweichung vom Bundesrecht erfolgt durch die jeweilige landesrechtliche Einzelnorm.
Im Übrigen kann die Rechtsfolge von Vorschriften des HGrStG (zum Beispiel § 2 Abs. 2 Satz 2 HGrStG) dazu führen, dass Vorschriften des GrStG des Bundes nicht (mehr) zur Anwendung kommen (AE HGrStG zu § 2 Abs. 2 – allgemeine Vorschriften des BewG, Überlagung von §§ 22 bis 24 GrStG).
Soweit die Vorschriften des GrStG des Bundes anzuwenden sind, gelten die Ausführungen in den koordinierten Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des Grundsteuergesetzes ab 1. Januar 2025 – AEGrStG –, BStBl I 2022 S. xxx. Mit dem AEGrStG werden die Grundsteuer-Richtlinien 1978 vom 9. Dezember 1978 (BStBl I 1978 S. 553) neu gefasst.
Zu Abs. 2, 3, 4 (Anwendbarkeit des Bewertungsgesetzes)
Durch die Absätze 2, 3 und 4 wird die Anwendbarkeit bestimmter Vorschriften des Bewertungsgesetzes konstitutiv angeordnet. Die Anwendbarkeitserklärung ist notwendig, weil die bundesrechtlichen Verweisungsvorschriften in das BewG (§ 13 Satz 2 GrStG und § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO –) wegen des landesrechtlichen Anwendungsvorrangs überlagert w...