Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Der Senat lässt offen, ob an der Rechtsprechung weiterhin festzuhalten ist, dass die arbeitgeberseitige Fahrergestellung für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil begründet. Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG in der bis einschließlich 2000 geltenden Fassung erhöht eine solche Fahrergestellung jedenfalls nicht die anzusetzenden Lohneinkünfte des betreffenden Arbeitnehmers, weil selbst bei Ansatz eines lohnsteuerrechtlichen Vorteils ein entsprechender Aufwand in gleicher Höhe entgegenstünde.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 4, § 8 Abs. 2 S. 3, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG; Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 140 GG; Art. 137 Abs. 3 WRV
Sachverhalt
K erzielte als leitender Kirchenangestellter 1998 bis 2000 Lohneinkünfte. Er bewohnte in B eine vom Arbeitgeber zugewiesene, über drei Etagen reichende Dienstwohnung. Deren einzelne Räume waren ohne besondere bauliche Trennung über ein zentrales Treppenhaus mit angrenzendem Flur zu erreichen. Im 1. OG befanden sich zwei vom Arbeitgeber ausgestattete Räume, die K für dienstliche Aufgaben zur Verfügung hatte. Der Sitz von Ks Arbeitgeber war im 49 km entfernten C. K stand ein Dienstwagen samt Fahrer für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung.
Das FA setzte dafür unter Berücksichtigung von 49 km die 0,03 %-Regelung an und erhöhte die sich so ergebenden Werte um 50 %, weil K einen Dienstwagen samt Fahrer hatte. K machte mit Klage dagegen geltend, auch in B einen Dienstsitz zu haben, sodass die Fahrten von B nach C keine zwischen Wohnung und Arbeitsstätte seien.
Das Hessische FG (Urteil vom 16.03.2009, 11 K 3700/05, Haufe-Index 2175509, EFG 2010, 1187) beurteilte die streitigen Fahrten zwischen B und C als solche zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, setzte einen geldwerten Vorteil aber nur an, soweit der Dienstwagen für solche Fahrten tatsächlich genutzt worden war. Diese Werte erhöhte es um 50 %, weil nach der früheren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 27.09.1996, VI R 84/95, Haufe-Index 66067, BStBl II 1997, 147) die unentgeltliche Überlassung eines Fahrers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen geldwerten Vorteil begründe (Abschn. 31 Abs. 7a LStR 1996, 1999 bzw. R 31 Abs. 10 LStR 2000).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA unter Hinweis auf seine Entscheidung vom selben Tag zurück (vgl. BFH, Urteil vom 22.09.2010, VI R 57/09, BFH/NV 2011, 349, BFH/PR 2011, 79). Ks Revision war aus den unter Praxis-Hinweise dargelegten Erwägungen (nur) insoweit erfolgreich, als das FG für die Chauffeurgestellung einen 50 %-Zuschlag ansetzte.
Hinweis
Im Besprechungsfall hatten sowohl das FA als auch der Steuerpflichtige (K) Revision eingelegt. Streitig waren neben der 0,03 %-Regelung auch, wann Räume in einer vom Arbeitgeber überlassenen Wohnung regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers sein können, wie Dienstfahrten im Anschluss an Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle zu behandeln sind sowie ob die Überlassung eines Fahrers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einen lohnsteuerrechtlichen Vorteil begründen.
1. Der BFH stellte zunächst klar, dass die Anwendung des § 8 Abs. 2 S. 3 EStG angesichts der begrenzten Funktion als Korrekturposten keine Fahrzeugüberlassung für eine private Nutzung jeder Art voraussetzt. Auf dieser Grundlage bestätigte er die Beurteilung der Vorinstanz, dass die Fahrten zwischen B und C solche zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind. Die berufliche Nutzung der Räume löst nicht deren Einbindung in die private Sphäre und lässt den privaten Charakter der Wohnung insgesamt unberührt. Insoweit gelten die Grundsätze, zur Abgrenzung zwischen Betriebsstätte am Wohnsitz und Wohnung (BFH, Beschluss vom 12.01.2006, VI B 61/05, BFH/NV 2006, 739). Und dass die von K beruflich genutzten Räume vom übrigen Wohnbereich in keiner Weise räumlich getrennt, sondern dem Typus eines häuslichen Arbeitszimmers entsprechend in die privaten Räume eingebunden waren, war eine revisionsrechtlich nicht angreifbare Würdigung. Das galt trotz des Umstands, dass K kirchenrechtlich im Pfarrhaus wohnen musste.
2. Für von der Wohnung aus angetretene Dienstfahrten gilt die 0,03 %-Regelung naturgemäß nicht. Allerdings gilt sie für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, auch wenn im Anschluss daran Dienstreisen durchzuführen waren (BFH, Urteil vom 12.10.1990; VI R 165/87, Haufe-Index 63162, BStBl II 1991, 134).
3. Der BFH ließ schließlich Zweifel daran anklingen, ob die Gestellung eines Fahrers einen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil begründet. Denn die Überlassung eines Fahrers könnte letztlich eine Arbeitsbedingung sein, wie auch andere Personalüberlassungen durch den Arbeitgeber für Zwecke der Berufsausübung des betreffenden Arbeitnehmers. Und diese Personalüberlassung diente auch nicht privaten Zwecken, denn Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind beruflich veranlasste Fahrten. Letztlich musste der BFH hier die Frage nicht endgültig entscheiden, denn K könnte nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG i.d...