OFD Frankfurt, Verfügung v. 30.1.2007, S 2270 A - 11 - St 216
Bezug: OFD Frankfurt 23.7.2002, S 2270 A – 11 – St II 25
1. Allgemeines
Besteht das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, wird eine Veranlagung nur unter den in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 8 EStG genannten Voraussetzungen durchgeführt.
Mit mehreren Entscheidungen vom 22.5.2006 hat der BFH u.a. zur Problematik der Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG Stellung genommen und zugleich die Frage, ob die Antragsfrist verfassungsgemäß ist, dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt. Aus diesem Anlass wird auf folgende Besonderheiten hingewiesen:
2. Amtsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG (410-Euro-Grenze)
2.1 Änderung durch das JStG 2007
Nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 sind Arbeitnehmer verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung abzugeben, wenn die positive Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, vermindert um die darauf entfallenden Beträge nach § 13 Abs. 3 EStG und § 24a EStG, oder die positive Summe der Einkünfte und Leistungen, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, jeweils mehr als 410 EUR beträgt. Nach § 52 Abs. 55j EStG ist die Neufassung auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden.
Diese klarstellende Gesetzesänderung wurde auf Grund des bislang noch unveröffentlichten BFH-Urteils vom 21.9.2006, VI R 52/04 erforderlich. Der BFH vertrat darin die Auffassung, dass auch bei einer negativen Summe der Einkünfte von mehr als 410 EUR eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG von Amts wegen durchzuführen sei.
2.2 Anwendung der Regeln über den Verlustausgleich (Mindestbesteuerung – § 2 Abs. 3 EStG a.F.)
Mit Urteil vom 22.5.2006, VI R 50/04, BStBl 2006 II S. 801 hat der BFH entschieden, dass die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte i.S. von § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG unter Beachtung der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 eingeführten Regeln über den Verlustausgleich in § 2 Abs. 3 EStG zu ermitteln ist. Übersteigt die Summe der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Arbeitslohn zu unterwerfen waren, unter Berücksichtigung der in § 2 Abs. 3 EStG vorgeschriebenen Verhältnisrechnung den Betrag von 800 DM (410 EUR) sind die Steuerpflichtigen demnach von Amts wegen zur Einkommensteuer zu veranlagen.
3. Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG
3.1 Verfassungsmäßigkeit der Antragsfrist (BVerfG-Vorlagen)
Arbeitnehmer werden nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG nur auf Antrag zur Einkommensteuer veranlagt, wenn keine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 EStG durchzuführen ist. Der Antrag auf Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung ist durch die Abgabe einer Einkommensteuererklärung zu stellen. Diese muss nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden zweiten Kalenderjahres eingereicht sein. Im Falle der Berücksichtigung eines Verlustabzugs nach § 10d EStG beträgt die Frist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 3 EStG drei Jahre.
Mit Beschlüssen vom 22.5.2006, VI R 46/05 und VI R 49/04, BStBl 2006 II S. 808 hat der BFH dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob die Antragsfrist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG in der Fassung vom 25.2.1992 (BGBl 1992 I S. 297, gültig für die Veranlagungszeiträume 1991 – 1996) sowie in der Fassung vom 16.4.1997 (BGBl 1997 I S. 821, gültig für die Veranlagungszeiträume 1997 – 2001) verfassungsgemäß ist. Der BFH sieht in der auf zwei Jahre begrenzten Möglichkeit von Arbeitnehmern, eine Veranlagung zu beantragen, einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Einspruchsverfahren, die gleich gelagerte Fälle betreffen, ruhen nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
3.2 Antragsfrist als gesetzliche Ausschlussfrist
Die Antragsfrist ist eine gesetzliche Ausschlussfrist, die weder durch eine Aufforderung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung noch durch das Ergehen eines Grundlagenbescheides verlängerbar ist.
Beispiel:
Ein Stpfl. erzielt im Veranlagungszeitraum 2003 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit sowie Verluste aus Vermietung und Verpachtung, die gesondert und einheitlich festgestellt werden. Im Rahmen der allgemeinen Versendung von Erklärungsvordrucken werden dem Stpfl. eine ESt-Erklärung 2004 sowie eine Feststellungserklärung 2004 zugesandt. Im Februar 2007 reicht der Stpfl. die ESt-Erklärung 2004 sowie die Feststellungserklärung 2004 beim FA ein. Das FA führt daraufhin die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte (Verlust) aus Vermietung und Verpachtung durch, lehnt jedoch die Veranlagung zur ESt ab, da der erforderliche Antrag nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG nicht fristgerecht gestellt worden sei. Gegen diese Ablehnung legt der Stpfl. Einspruch ein. Ist der Einspruch begründet?
Lösung:
Das FA hat zu Recht wegen Versäumung der Antragsfrist die Veranlagung zur ESt 2004 versagt. Dem steht auch...