Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Rabatte, die der Arbeitgeber nicht nur seinen Arbeitnehmern, sondern auch fremden Dritten üblicherweise einräumt, begründen bei Arbeitnehmern keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn.
2. Der Arbeitnehmer kann im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung den geldwerten Vorteil nach § 8 Abs. 2 EStG ohne Bewertungsabschlag und ohne Rabattfreibetrag oder mit diesen Abschlägen auf der Grundlage des Endpreises des Arbeitgebers nach § 8 Abs. 3 EStG bewerten lassen.
Normenkette
§ 8 Abs. 2, 3 EStG
Sachverhalt
K, bei Automobilhersteller X beschäftigt, erwarb 2000 bis 2005 jeweils von X hergestellte Neufahrzeuge; X gewährte einen Mitarbeiterrabatt von 21,5 % auf den Listenpreis. Das FA setzte Vorteile nach dem BMF-Schreiben vom 31.1.1996, BStBl I 1996, 114, an: Endpreis i.S.d. § 8 Abs. 3 EStG war der um die Hälfte des durchschnittlichen Händlerrabatts (hier zwischen 4,5 % und 9 %) geminderte Listenpreis. K machte dagegen geltend, dass Endverbraucher sogar Rabatte von 17,5 % bis 20 % erhielten, sodass der geldwerte Vorteil allenfalls 2 % betrage. Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.7.2010, 5 K 1084/08, Haufe-Index 2516499, EFG 2011, 441) setzte Arbeitslohn nur insoweit an, als die Preisnachlässe im normalen Geschäftsverkehr nicht zu erzielen seien. Die durchschnittlichen Preisnachlässe (4,5 % bis 9 %) kürzte es aber jeweils um geschätzte 3 %, weil sie insoweit Ergebnis individueller Preisverhandlungen seien. Die Preisnachlässe von 20 % ließ es unberücksichtigt, weil die dazu vorgelegten Zeitungsartikel und Zeitungsanzeigen nicht hinreichend konkret gewesen seien.
Entscheidung
Der BFH entsprach Ks Revision nur teilweise wie unter den Praxis-Hinweisen dargestellt.
Hinweis
Das Besprechungsurteil entscheidet anlässlich der Besteuerung von Jahreswagenrabatten grundsätzlich zum Verhältnis der beiden einschlägigen Bewertungsnormen (§ 8 Abs. 2 und § 8 Abs. 3 EStG). Der BFH behält mit ausführlicher Begründung die mit Nichtanwendungserlass belegte Rechtsprechung bei (BFH, Urteil vom 5.9.2006, VI R 41/02, BFH/NV 2006, 2202, BFH-PR 2007, 83).
1. Grundnorm der Bewertung ist § 8 Abs. 2 EStG. Auch Arbeitgeberrabatte sind danach erst dann und nur in der Höhe geldwerte Vorteile, als der Preis unterschritten wird, der für das gleiche Produkt am Markt von fremden Dritten zu entrichten ist. Vergleichspreis ist dabei grundsätzlich der günstigste Preis am Markt. Nur dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Rabatt seinen Rechtsgrund nicht im Kauf-, sondern im Arbeitsvertrag hat, also mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis als Vorteil eingeräumt wird. Dagegen ist § 8 Abs. 3 EStG Spezialnorm mit tendenziell begünstigendem Charakter (Bewertungsabschlag 4 % und Rabattfreibetrag 1080 EUR), nimmt aber als Ausgangswert den vom Arbeitgeber angebotene Endpreis. Der kann vom günstigsten Preis am Markt so stark abweichen, dass ein geldwerter Vorteil erfasst wird, der nach § 8 Abs. 2 EStG (günstigster Marktpreis) tatsächlich nicht vorliegt.
2. Angesichts dessen gestattet der BFH dem Arbeitnehmer den Rückgriff auf die Grundnorm, wie in Leitsatz Nr. 2 formuliert. Denn eine Besteuerung darf nicht auf einer fingierten objektiven Bereicherung aufbauen. § 8 Abs. 3 EStG ist auch kein Einkünftetatbestand, sondern bewertet nur einen aus dem Arbeitsverhältnis folgenden Vorteil (§ 8 Abs. 3 Satz 1 EStG:"aufgrund seines Dienstverhältnisses"). Insoweit entwickelt der VI. Senat seine Rechtsprechung folgerichtig fort; er hatte schon früher die Gefahr einer Scheinlohnbesteuerung durch überhöhte Preisauszeichnungen gesehen (BFH, Urteil vom 4.6.1993, VI R 95/92, Haufe-Index 64564, BFHE 171, 74). Und § 8 Abs. 3 EStG sollte das Besteuerungsverfahren auch nur vereinfachen (BT-Drs. 11/2157, S. 142). So gilt jetzt: Der Arbeitgeber kann im Besteuerungsverfahren (Lohnsteuerabzugsverfahren) seine Endpreise zugrunde legen, ohne sich weiter über den marktangemessenen Preis informieren zu müssen. So ist das Besteuerungsverfahren auch ohne Scheinlohnbesteuerung vereinfacht. Der Arbeitnehmer kann in seiner Veranlagung den Vorteil nach § 8 Abs. 2 EStG bewerten lassen, aber ohne Bewertungsabschlag und ohne Rabattfreibetrag.
3. Der konkrete Streitfall zeigt die beiden Möglichkeiten: Bewertung auf Grundlage des § 8 Abs. 3 EStG, also Ansatz der Arbeitgeberpreise unter Berücksichtigung der im allgemeinen Geschäftsverkehr gegenüber fremden Dritten darauf gewährten üblichen Rabatte. So hat das FG im Grundsatz auch entschieden, hat aber zu Unrecht diese fremdüblichen Preisnachlässe um 3 % gekürzt. Diese Kürzung korrigierte der BFH nach Maßgabe der Grundsätze im Urteil VI R 30/09 (BFH, Urteil vom 26.7.2012, VI R 30/09), ermittelte also den Endpreis i.S.d. § 8 Abs. 3 EStG gekürzt um den vollen durchschnittlichen Händlerrabatt (4,5 % – 9 %), ließ aber Sonderrabatte (z.B. für Taxigewerbe) unberücksichtigt. Im Übrigen folgte der BFH dem FG. Dies allerdings nur, weil K im finanzgerichtlichen Verfahren nicht substanziiert vorgetragen hatte, welches Fahrzeug er zu welchem konkreten Preis bei ...