Leitsatz
Der allein vom Bestehen der Abschlussprüfung abhängige Darlehensteilerlass bei der beruflichen Aufstiegsfortbildung ist Ersatz von Werbungskosten aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen und führt daher zu Arbeitslohn.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 10 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1, § 13b Abs. 1 AFBG
Sachverhalt
Die Klägerin nahm in den Jahren 2014 und 2015 an sog. Aufstiegsfortbildungen teil, die von der Investitions- und Förderbank Niedersachsen (N-Bank) mit Zuschüssen und Darlehen für die Kosten der Lehrveranstaltungen gefördert wurden. Die Darlehen wurden der Klägerin auf ihren Antrag von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gewährt. In den Bedingungen war vorgesehen, dass dem Darlehensnehmer bei Bestehen der Fortbildungsprüfung ein bestimmter Prozentsatz des zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren erlassen wird. Die Kosten der Lehrveranstaltungen – teilweise gekürzt um die Zuschüsse – erkannte das FA in den Jahren 2014 und 2015 als Werbungskosten an.
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Fortbildungen erließ die KfW der Klägerin im Streitjahr 2018 40 % der noch valutierenden Darlehen. Das FA erhöhte den Bruttoarbeitslohn der Klägerin im ESt-Bescheid für das Streitjahr um diesen Erlassbetrag.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das FG war der Ansicht, ein aufgrund bestandener Fortbildungsprüfung gewährter Darlehenserlass stelle keine Einnahme bei der Einkunftsart dar, bei der die durch das Darlehen finanzierten Lehrgangs- und Prüfungsgebühren zuvor steuermindernd berücksichtigt worden seien. Ein solcher Darlehenserlass sei auch nicht als sonstige Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG zu besteuern (Niedersächsisches FG, Urteil vom 31.3.2021, 14 K 47/20, Haufe-Index 14534211, EFG 2021, 1366).
Entscheidung
Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das FG hat den teilweisen Erlass der von der KfW für die Fortbildungen der Klägerin gewährten Darlehen zu Unrecht nicht als Arbeitslohn angesehen.
Hinweis
1. Der Rückfluss beziehungsweise die Erstattung (der Ersatz) von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind. So führen beispielsweise Leistungen aus einem Stipendium dann zu Arbeitslohn i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn das Stipendium dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen dient. Ein Zusammenhang mit einem gegenwärtig bestehenden Arbeitsverhältnis ist nicht erforderlich (BFH, Urteil vom 29.9.2022, VI R 34/20, BFH/NV, 2023, 142).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG die teilweisen Erlasse der KfW-Darlehen zu Unrecht nicht als Einnahmen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG eingeordnet. Zum einen habe die Klägerin die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren in den Vorjahren als Werbungskosten abgesetzt. Zum anderen beruhe der nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz gewährte Darlehenserlass auf einem mit dem Beruf zusammenhängenden und damit erwerbsbezogenen Grund. Denn der Erlass hänge allein vom Bestehen der Abschlussprüfung und nicht von außerhalb der Erwerbssphäre liegenden Umständen, wie der finanziellen Bedürftigkeit oder den persönlichen Lebensumständen des Darlehensnehmers, ab und sei zudem der Höhe nach an dem konkreten Darlehen ausgerichtet.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.11.2023 – VI R 9/21