Leitsatz
Die kostenlose oder verbilligte Überlassung von qualitativ und preislich hochwertigen Bekleidungsstücken durch den Arbeitgeber an die Mitglieder seiner Geschäftsleitung stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Der Entlohnungscharakter der Zuwendung kann nicht mit einem überwiegend eigenbetrieblichen Interesse widerlegt werden, weil das Tragen der vom Arbeitgeber hergestellten Kleidungsstücke neben Repräsentationszwecken auch der Werbung dienen würde.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, die hochwertige Bekleidungsartikel ("Edelmarke") vertreibt, stellte den Mitgliedern der Geschäftsleitung und deren Ehefrauen die jeweils neueste Bekleidungskollektion zur Verfügung. Damit sollte die Marke nach außen hin repräsentiert werden.
Das FA vertrat die Auffassung, dass im Umfang der verbilligten Überlassung ein lohnsteuerlich zu erfassender Vorteil liege.
Entscheidung
Der BFH folgte dieser Rechtsauffassung. Er hob im Einklang mit den Praxis-Hinweisen die anders lautende Entscheidung der Vorinstanz auf.
Hinweis
1. Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen (Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die "für" seine Arbeitsleistung gewährt werden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Diesem Tatbestandsmerkmal ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden.
2. Dagegen sind solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse gewährt, wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem Fall des "ganz überwiegend" eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden.
3. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. auch Urteil vom 18.8.2005, VI R 32/03,BFH-PR 2005, 453).
4. Ausgehend von diesen allgemein anerkannten Grundsätzen, erwies sich im Streitfall die Überlassung der – unter einem Markennamen bekannten – hochwertigen (exklusiven) Kleidungsstücke als Arbeitslohn. Der BFH vertrat insbesondere die Auffassung, dass der Entlohnungscharakter insbesondere nicht deshalb verneint werden könne, weil mit dem Tragen der Kleidung ggf. eine Werbewirkung verbunden sei und dadurch auch die Glaubwürdigkeit der eigenen Marke gewährleistet werden solle. Im Rahmen der Gesamtwürdigung trete dieser Umstand gegenüber den für die Entlohnung sprechenden Umständen (kostenloser oder verbilligter Erwerb einer hochwertigen, teueren Kleidung einer "Edelmarke") in den Hintergrund. Es sei im Streitfall – entgegen der Auffassung der Vorinstanz – von erheblichem Gewicht, dass sich der zugewandte Vorteil als ausnehmend hoch erweise.
5. Die Frage einer Aufteilung des geldwerten Vorteils (vgl. hierzu BFH, Urteile in ; vom 16.11.2005, VI R 118/01 BFH-PR 2005, 453, BFH/PR 2006, 183) hat der VI. Senat weder erwogen noch erwähnt. Es lagen im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der einschlägige geldwerte Vorteil überhaupt hätte aufgeteilt werden können. Im Streitfall drängte sich eher der Eindruck auf, dass es der Klägerseite nur darum gegangen war, die Geschäftsführer samt Ehefrauen auf Kosten der Klägerin (Arbeitgeber) einzukleiden.
6. Die Gesamtwürdigung dürfte anders ausfallen, wenn ein Arbeitgeber seinem im Lebensmitteleinzelhandel beschäftigten Verkaufspersonal einheitliche Kleidungsstücke, die diese während der Arbeit zu tragen haben, zur Verfügung stellt. Hierüber wird der BFH in den Verfahren VI R 21/05 und VI R 22/05 zu entscheiden haben.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.4.2006, VI R 60/02