Zusammenfassung
Mit der Arbeitszeiterfassung kann auf verschiedene Arten die tägliche Arbeitszeit von Arbeitnehmern dokumentiert werden.
Arbeitsrecht
1 Rechtslage
Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht für alle Arbeitgeber. Das haben der EuGH und das BAG nunmehr entschieden.
1.1 Gesetzliche Grundlagen
Das Arbeitszeitgesetz enthält keine allgemeine Regelung, die Arbeitgeber zu einer pauschalen Erfassung der Arbeitszeit von Arbeitnehmern verpflichtet. Arbeitszeit ist nach § 2 Abs. 1 ArbZG die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen, wobei Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern zusammenzurechnen sind.
Nach Maßgabe des § 16 Abs. 2 ArbZG ist der Arbeitgeber verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Darunter fallen werktäglich über 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeiten sowie Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen, die stets aufzeichnungspflichtig sind. Auch im Fall von Vertrauensarbeitszeit sind die gesetzlichen Bestimmungen des ArbZG einzuhalten; insoweit gelten keine Besonderheiten.
Vom ArbZG abweichende bzw. ergänzende Spezialvorschriften zur Erfassung der Arbeitszeit, die eine Erfassung der gesamten Arbeitszeit vorschreiben, existieren u. a. in § 21a Abs. 7 und 8 ArbZG und in § 8 Abs. 1 SGB IV i. V. m. § 17 MiLoG.
Die Verpflichtung zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit ergibt sich nach der neuen Rechtsprechung des BAG aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz. Danach hat der Arbeitgeber zur Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel hierfür bereitzustellen. Bei unionsrechtskonformer Auslegung der Norm sind Arbeitgeber daher zur Einführung eines Systems verpflichtet, mit denen die von ihren Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit vollständig erfasst wird.
1.2 Aktuelle Rechtsprechung
Die Pflicht zur Erfassung von Arbeitszeiten begründet das BAG mit der unionsrechtskonformen Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes unter Berücksichtigung des sog. "Stechuhr-Urteils" des EuGH.
1.2.1 "Stechuhr-Urteil" des EuGH
Der EuGH hat in seinem Urteil festgestellt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeiten ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Hergeleitet wird diese Verpflichtung aus der EU-Grundrechtecharta sowie der Arbeitszeitrichtlinie:
- Grundrecht der Arbeitnehmer auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie die Einhaltung von Ruhe- und Pausenzeiten.
- Arbeitszeitrichtlinie verfolgt das Ziel, Gesundheitsschutz und Sicherheit der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeitgestaltung zu gewährleisten. Dieses Ziel könne nur erreicht werden, wenn die Arbeitszeit in einem objektiven und verlässlichen System nachgehalten wird.
Nach der Entscheidung sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Arbeitgebern die Bereitstellung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems der Arbeitszeiterfassung aufzuerlegen, mit dem die geleistete Arbeitszeit sämtlicher Arbeitnehmer gemessen werden kann. Diese würden sich im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses grundsätzlich in einer unterlegenden Stellung wiederfinden. Ohne ein entsprechendes System zur Zeiterfassung sei eine verlässliche und objektive Ermittlung der Arbeitszeit und die damit in Zusammenhang stehende Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten nicht möglich. Die genauen Anforderungen an ein "objektives, verlässliches und zugängliches System" definiert der EuGH nicht, sondern überlässt die Ausgestaltung den Mitgliedstaaten. Dabei dürfen die Regelungen die Besonderheiten von Tätigkeitsbereichen und Unternehmen, z. B. deren Größe, berücksichtigen.
1.2.2 Unionsrechtskonforme Auslegung
Mit Blick auf die Entscheidung des EuGH hat das BAG festgestellt, dass Arbeitgeber bereits heute gesetzlich dazu verpflichtet sind, die gesamte Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Der Entscheidung lag ein Antrag eines Betriebsrats auf Feststellung zugrunde, dass er hinsichtlich der initiativen Einführung einer elektronischen Zeiterfassung im Betrieb ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG habe. Das BAG lehnte – im Gegensatz zum LAG – ein entsprechendes Initiativrecht des Betriebsrats ab.
Als Begründung für die Ablehnung eines initiativen Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG führte das BAG an, ein solches könne dort nicht bestehen, wo der Arbeitgeber bereits gesetzlich zum Handeln verpflichtet sei. Eine eben solche gesetzliche Pflicht enthalte im Hinblick auf die Erfassung der Arbeitszeit von Arbeitnehmern bei unionsrechtskonformer Auslegung der § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Bei der Regelung handele es sich um eine...