Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen Haftung im qualifiziert faktischen Konzern
Leitsatz (redaktionell)
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig, soweit ein früherer Arbeitnehmer Ansprüche "aus dem Arbeitsverhältnis" oder aus unerlaubten Handlungen gegen einen Kommanditisten seiner ehemaligen Arbeitgeberin verfolgt oder diesen oder ein anderes angeblich herrschendes Unternehmen nach den Grundsätzen der Haftung im qualifiziert faktischen Konzern in Anspruch nimmt; weder der Kommanditist noch das andere Unternehmen sind Arbeitgeber iS des § 2 Abs 3 oder 4 ArbGG oder dessen Rechtsnachfolger iS des § 3 ArbGG.
Normenkette
ArbGG §§ 3, 2 Abs. 3, 1 Nrn. 3-4
Tenor
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig; der Rechtsstreit wird an das Landgericht Berlin verwiesen.
Gründe
Der Beklagte zu 1) ist Kommanditist der Beklagten zu 2) und zugleich Geschäftsführer und Gesellschafter ihrer persönlich haftendem Gesellschafterin.
Der Beklagte zu 1) hatte 1983 zusammen mit einem anderen Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung sowie eine Kommenditgesellschaft deren pers. haftende Gesellschafterin jene Gesellschaft mit beschrankter Haftung war, gegründet; der Beklagte zu 1) war außerdem Kommanditist der Kommanditgesellschaft.
Diese Gesellschaften führten den Betrieb eines zahlungsunfähiggewordenen Unternehmens der Textilindustrie in Hadamar fort. Das ursprünglich mit jenem Unternehmen bestehende Arbeitsverhältnis des Klägers wurde von der vom Beklagten zu 1) und seinem (damaligen) Mit-Gesellschafter gegründeten Komanditgesellschaft fortgeführt; jene beiden Gesellschafter waren auch Geschäftsführer der pers. haftenden Gesellschaft (mbH); später – ab Februar 1985 – war der Beklagte zu 1) alleiniger Geschäftsführer der pers. haftenden GmbH.
In den Jahren 1987 und 1988 erstritt der Kläger vor dem Arbeitsgericht L. bzw. dem Landesarbeitsgericht Frankfurt a.M. mehrere Urteile gegen jene Kommanditgesellschaft, die er vergeblich zu vollstrecken suchte. Auf Antrag des Klägers wurde am 3. Januar 1989 das Konkursverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft eröffnet, das am 9. Februar 1989 mangels Masse eingestellt wurde. Die Kommanditgesellschaft wurde am 22. Juni 1989 im Handelsregister gelöscht; die ebenfalls vermögenslose persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft war am 5. April 1989 von Amts wegen im Handelsregister gelöscht worden.
Mit der vorliegenden Klage nimmt der Kläger beide Beklagte als Gesamtschuldner auf Zahlung der ihm durch die (landes-)arbeitsgerichtlichen Urteile zugesprochenen Beträge sowie weiterer Beträge (im wesentlichen Aufwendungen für die Vollstreckungsversuche) in Anspruch. Der Kläger meint, ihm stunden gegen den Beklagten zu 1) Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der „Durchgriffshaftung” als Gesellschafter der Kommanditgesellschaft zu; ferner hafte der Beklagte zu 1) wegen unerlaubter Handlung (Konkursverschleppung und Bankrott) Schließlich hafteten beide Beklagte entsprechend den §§ 302, 303 AktienG. Die beiden Beklagten hatten mit der von ihnen beherrschten Kommanditgesellschaft einen qualifiziert faktischen Konzern i.S.d. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts gebildet und ihre umfassende Leitungsmacht zum Nachteil der Kommanditgesellschaft mißbraucht.
Der Kläger hält die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für gegeben, da mit der vorliegenden Klage arbeitsrechtliche Ansprüche weiterverfolgt würden.
Nach Ansicht der Beklagten sind die Gerichte für Arbeitssachen „sachlich unzuständig”, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht oder bestand.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist unzulässig. Dies ist nach Anhörung der Parteien durch Beschluß ohne mündliche Verhandlung gemäß den §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 2 und 4 GVG von Amts wegen auszusprechen; zugleich ist der Rechtsstreit an das Landgericht Berlin zu verweisen.
Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 ArbGG. Danach ist – u.a. – Voraussetzung, daß der Rechtsstreit zwischen einem (früheren) Arbeitnehmer und – nicht irgendeinem, sondern – seinem (ehemaligen) Arbeitgeber geführt wird. Dies ist hier nicht der Fall. Unstreitig waren die Beklagten zu keinem Zeitpunkt Arbeitgeber des Klägers; Arbeitgeberin war vielmehr die – später zahlungsunfähige – Kommanditgesellschaft. Zwar war der Beklagte zu 1) deren Kommanditist, Dadurch wurde er aber nicht Arbeitgeber des Klägers (vgl. dazu BAG, Urteil 23.6.1992 – 9 AZR 308/91 –, AP Nr. 23 zu § 2 ArbGG 1979; vgl. ferner BAG, Urteil vom 11.11.1986 – 3 AZR 186/85 –, AP Nr. 2 zu § 3 ArbGG 1979).
Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ist auch nicht aufgrund § 2 Abs. 3 ArbGG gegeben. Eine andere Rechtsstreitigkeit, mit der die vorliegende in einem rechtlichen oder unmittelbar wirtschaftlichen Zusammenhang steht, ist nicht anhängig. Schließlich ergibt sich die Zuständigkeit der Gerichte fü...