Die Ärzte üben ihre ärztliche Tätigkeit im Interesse und für Rechnung der Hotels aus. Diese legen auch die Arbeitszeiten und den Arbeitsort fest. Außerdem stellen sie die Praxisräume, die Ausstattung und die Medikamente. Das Merkmal der Selbständigkeit könnte fehlen. Die Ärzte erzielen möglicherweise keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Steht die Verkehrsanschauung dieser Wertung entgegen? Zu erörtern ist, ob die Verkehrsanschauung dieser Wertung entgegensteht.
(1) Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung
BFH zum Praxisvertreter: Der BFH hat entschieden, dass eine selbständige Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung auch dann gegeben ist, wenn ein Arzt mit eigener Praxis einen anderen freiberuflich tätigen Arzt mit eigener Praxis gegen eine feste Vergütung vertritt. Das gilt auch dann, wenn der Vertreter keine eigene Praxis betreibt.
Die Finanzverwaltung folgt der Auffassung des BFH. Der Vertreter eines Arztes kann selbständig sein.
Der Auffassung des BFH liegen folgende Überlegungen zugrunde: Bei der freien Berufstätigkeit bilden das geistige Vermögen und die eigene Arbeitskraft die maßgeblichen Grundlagen. Ein Arzt muss zwar bei der Ausübung seines Berufes auch Güter und Hilfskräfte einsetzen; maßgebend ist jedoch der Einsatz
- seines geistigen Vermögens und
- seiner eigenen Arbeitskraft.
Das Merkmal der Selbständigkeit ist im Ergebnis gegeben, wenn ein Arzt tätig ist
- in eigener Verantwortung und
- ohne Bindung an Weisungen Dritter.
Das gilt ohne Rücksicht darauf, ob diese eine eigene Praxis ausüben oder nicht. Das Merkmal der Selbständigkeit ist auch gegeben, wenn in Bezug auf äußere Umstände – Sprechstunde oder Einsatz von Hilfsmitteln – Weisungen bestehen. Diese äußeren Umstände sind nach Auffassung des BFH unwesentlich.
Gegen die selbständige Tätigkeit sprechende Umstände: Die Selbständigkeit liegt nur dann nicht vor, wenn der Vertreter in einem festen Anstellungsverhältnis zu dem Vertretenen steht, mittels dessen er
- nicht nur in Bezug auf die äußerlichen Gewohnheiten der zu betreuenden Praxis,
- sondern auch hinsichtlich der Verwendung seiner Arbeitskraft derart in diese eingegliedert ist, dass er auch bei der Behandlungsmethode den Weisungen des Vertretenen zu folgen hat.
Das gilt für jede als Arzt angestellte Person. Diese hat zwar ihre eigene Arbeitskraft einzusetzen, ist aber in ihrer Anwendung nicht frei, sondern hat die Behandlung der Patienten vorzunehmen, wie es den Intentionen ihres Arbeitgebers entspricht. Die gegen die selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände – Gebrauch der Infrastruktur einer fremden Praxis und bei pauschaler Vergütung fehlendes unternehmerisches Risiko – treten gegenüber der eigenen beruflichen Verantwortung des Vertreters und dessen unternehmerischer Initiative in Bezug auf seine gesamte (vertretungs-) ärztliche Tätigkeit zurück.
Diese Grundsätze gelten auch bei der Beurteilung der in Hotels im Ausland tätigen Ärzte:
- die Entscheidung über medizinische Maßnahmen obliegt ausschließlich den Ärzten und nicht den Hotels;
- die Ärzte nutzen nur die durch die Hotels zur Verfügung gestellte Infrastruktur.
- Letztere erteilen keine Weisungen zu Art und Weise medizinischer Maßnahmen.
Das Merkmal der Selbständigkeit besteht – trotz gering ausgeprägten Unternehmerrisikos – allein aufgrund der ärztlichen Tätigkeit.
(2) Sichtweise in der Literatur
Die Auffassung des BFH und der Finanzverwaltung ist in der Literatur umstritten.
Bezugnahme auf Apothekervertreter-Entscheidung des BFH: Die abweichende Auffassung nimmt Bezug auf ein Urteil des BFH zu einem selbständigen Apotheker, der einen anderen selbständigen Apotheker gegen ein festes Entgelt vertreten hat. Der BFH hat entschieden, dass der Vertreter Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Der Vertreter war weisungsgebunden tätig. Das fachliche Handeln in eigener Verantwortung steht der Annahme eines Dienstverhältnisses nicht entgegen, weil das Innenverhältnis zum Auftraggeber und nicht das Außenverhältnis zum Kunden maßgebend ist. Der Vertreter trägt auch kein Unternehmerrisiko. Er kann die Höhe seiner Einnahmen nicht durch eine Steigerung seiner Arbeitsleistung oder das Herbeiführen eines besonderen Erfolges beeinflussen, sondern erhält – unabhängig von Arbeitsumfang und Arbeitsergebnis – eine feste Vergütung.
Das müsse nach Auffassung der abweichenden Meinung auch für andere Fälle der Vertretung gelten.
Sofern der abweichenden Meinung zuzustimmen ist, liegen mangels Selbständigkeit keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sondern Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor.
Der abweichenden Auffassung ist nicht zu folgen. Bei einer Vertretung hat der Vertretene kein Weisungsrecht, wie es bei Arbeit...