Leitsatz
* Nicht jede Ungewöhnlichkeit einer Vereinbarung führt dazu, dass die betreffende Vereinbarung einem Fremdvergleich nicht standhält. Deshalb kann die Vereinbarung einer "Sondertantieme" in Höhe des den Mindestgewinn übersteigenden Gewinns der GmbH an den Veräußerer von GmbH-Anteilen auch steuerlich anzuerkennen sein, wenn der Veräußerer dem Erwerber für die Folgejahre einen bestimmten Mindestgewinn garantiert und sich zugleich verpflichtet, für die betreffende Zeit weiterhin Geschäftsführer der GmbH zu sein.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der X-GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer X war.
Mit Vertrag vom 31.1.1992 veräußerte X seine Geschäftsanteile an eine KG. Der Kaufpreis sollte 5 Mio. DM betragen; ergänzend hierzu war Folgendes vereinbart: "Sollte der in der Bilanz (der X-GmbH) ausgewiesene Jahresüberschuss in den Jahren 1992 und 1993 geringer sein als je 1576000 DM, so mindert sich für jedes Jahr gesondert gerechnet der Kaufpreis um den Differenzbetrag zu 1576000 DM."
Ebenfalls am 31.1.1992 schlossen X und die KG eine weitere Vereinbarung des Inhalts, dass die Gesellschafterversammlung der X-GmbH den X bis zum 31.12.1993 zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der X-GmbH bestellen werde. Die laufenden Geschäftsführerbezüge des X sollten sich nicht verändern; jedoch sollte X, soweit in den Jahresabschlüssen der X-GmbH die Differenz zwischen Jahresüberschuss und Körperschaftsteueraufwand mehr als 1576000 DM betrug, den Differenzbetrag als Sondertantieme erhalten.
Die X-GmbH verbuchte den Anspruch des X auf die Sondertantieme gewinnmindernd. Demgegenüber ging das FA davon aus, dass es sich bei dem als "Sondertantieme" bezeichneten Betrag um eine zusätzliche Kaufpreiszahlung handle, die die X-GmbH für ihre neue Eigentümerin geleistet habe. Es erhöhte deshalb das Einkommen der X-GmbH um den Tantiemebetrag.
Der u.a. hiergegen gerichteten Klage der Klägerin gab das FG in den genannten Streitpunkten statt (EFG 2001, 1071).
Entscheidung
Der BFH bestätigte diese Sichtweise. Kaufpreis- und Tantiemevereinbarung stünden nebeneinander. Diese Sachverhaltswürdigung des FG bleibe aus revisionsrechtlicher Sicht unbeanstandet, da Verstöße gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze ebenso wenig wie irgendwelche Verfahrensfehler vorlägen. Zwar sei die inhaltliche Ausgestaltung der Tantiemezusage eine ungewöhnliche. Nicht jede Ungewöhnlichkeit einer Vereinbarung führe jedoch dazu, dass diese Vereinbarung einem Fremdvergleich nicht standhalte. Es komme auf den jeweiligen Einzelfall an.
Hinweis
Die Vereinbarungen, welche die Vertragsparteien im Streitfall getroffen hatten, waren ungewöhnlich: Der Geschäftsführer einer GmbH hatte alle Anteile an dieser verkauft, dem Erwerber jedoch einen Mindestgewinn in den Folgejahren garantiert und sich außerdem verpflichtet, weiterhin als Geschäftsführer tätig zu sein. Dafür erhielt er neben dem Kaufpreis eine "Sondertantieme"-Zusage in Höhe des den Mindestgewinn übersteigenden Gewinns der GmbH.
Dieser Sachverhalt kommt kaum alle Tage vor. Insofern ist für Ihre Praxis eigentlich nur, aber immerhin ein verallgemeinerungsfähiger Kernsatz der Entscheidung wichtig, nämlich jener, dass nicht jede Ungewöhnlichkeit einer Vereinbarung dazu führt, dass die betreffende Vereinbarung einem Fremdvergleich nicht standhält. Das gilt es auch in anderen Zusammenhängen zu beherzigen, wenn die Verwaltung sich just auf eine "Ungewöhnlichkeit" beruft.
Denn "Fremdvergleichen" bedeutet nicht, eine empirische oder inhaltliche "Normalität" zum betrieblich allein Richtigen, Fremdvergleichsgerechten zu erheben. So, wie der BFH ihn praktiziert, ist der Fremdvergleich ein solcher "durch Nachdenken", ähnlich dem Vorgehen bei den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die es auch nicht mittels des handelsüblicher, sondern als Ergebnis eines wertenden Vorgangs zu ermitteln gilt. Es kommt sonach stets auf den konkreten Einzelfall an. In der "Normalität" steckt allenfalls ein Indiz für das betrieblich Veranlasste, das jedoch immer auch widerlegbar ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.7.2002, I R 55/01