Leitsatz
Keine steuerfreien Tätigkeiten als Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler (§ 4 Nr. 11 UStG) sind die typischerweise mit dem Aufbau und der Aufrechterhaltung eines Strukturvertriebes einhergehende Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern, die Festsetzung und Auszahlung der Provisionen sowie das Halten der Kontakte zu den Versicherungsvertretern.
Normenkette
§ 4 Nr. 11 UStG, Art. 135 Abs. 1 Buchst. a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Der Kläger erhielt von der I‐AG zwischen September 2009 und Juni 2010 insgesamt 221.400 EUR, davon 90.000 EUR im Streitjahr 2009 und 131.400 EUR im Streitjahr 2010. Er war von der I‐AG als "Strukturoberer" in deren Strukturvertrieb eingeschaltet und verpflichtet, die Unterstrukturen aufzubauen. Zu diesem Zweck organisierte er Werbeveranstaltungen, trat als Referent auf und warb ca. 40 Makler an. Die Entgeltzahlungen wurden eingestellt, nachdem der Strukturaufbau seitens der I‐AG beendet worden war. Das FA war der Auffassung, dass der Kläger durch den Aufbau eines Strukturvertriebs umsatzsteuerpflichtige Leistungen an die I‐AG ausgeführt habe. Die Klage zum FG hatte keinen Erfolg (Sächsisches FG, Urteil vom 3.3.2016, 8 K 942/15, Haufe-Index 9511759, EFG 2016, 1375).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Das FG habe zu Recht entschieden, dass die Leistungen des Klägers an die I‐AG zum Aufbau eines Strukturvertriebs nicht von der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 11 UStG umfasst werden, da es an einem Bezug zu einzelnen Versicherungsgeschäften fehle. Die Aufgabe des Klägers habe sich darauf beschränkt, durch die direkte und indirekte Anwerbung von Versicherungsvertretern und Versicherungsmaklern für ein für die I‐AG zufriedenstellendes Gesamtvolumen an Versicherungen zu sorgen. Es fehle ein hinreichender Bezug zu den einzelnen vermittelten Versicherungsverträgen.
Hinweis
1. Gemäß § 4 Nr. 11 UStG sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler umsatzsteuerbefreit. Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL. Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und ‐vertretern erbracht werden.
2. Für die Steuerfreiheit muss der Unternehmer sowohl mit dem Versicherer als auch mit dem Versicherten in Verbindung stehen. Diese Verbindung kann auch nur mittelbarer Natur sein, wenn der Dienstleistungserbringer ein Unterauftragnehmer des Versicherungsmaklers oder ‐vertreters ist.
Darüber hinaus muss die Tätigkeit wesentliche Aspekte der Versicherungsvermittlungstätigkeit, wie Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen, umfassen. Bei einem Unterauftragnehmer ist entscheidend, dass er am Abschluss von Versicherungsverträgen beteiligt ist.
3. Die typischerweise mit dem Aufbau und der Aufrechterhaltung eines Strukturvertriebs einhergehende Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern, die Festsetzung und Auszahlung der Provisionen sowie das Halten der Kontakte zu den Versicherungsvertretern gehört nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters. Derartige Leistungen sind nur steuerfrei, wenn der Unternehmer durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann, wobei auf die Möglichkeit, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen, abzustellen ist. Eine Steuerfreiheit für Leistungen, die keinen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, im Rahmen der Administration einer Vertriebsorganisation einen anderen Unternehmer, der Vermittlungsleistungen erbringt, zu unterstützen, besteht nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.8.2017 – V R 19/16