Dr. h.c. Armin Pfirmann, Melanie Nothof
2.6.1 Überblick
Rz. 38
Das Handelsrecht sieht Aufbewahrungsfristen von 6 bzw. 10 Jahren vor. Für die steuerrechtlichen Regelungen gelten grundsätzlich die gleichen Fristen, es können sich aber durch Ablaufhemmungen tatsächlich längere Fristen ergeben.
Rz. 39
Die Aufbewahrungsfrist von 10 Jahren gilt für die in § 257 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 HGB genannten Unterlagen, das sind die
- Handelsbücher,
- Inventare,
- Eröffnungsbilanzen,
- Jahresabschlüsse,
- Einzelabschlüsse nach § 325 Abs. 2a HGB,
- Lageberichte,
- Konzernabschlüsse,
- Konzernlageberichte,
- Buchungsbelege, z. B. Rechnungen, Bankauszüge, Gehaltslisten, Kassenbücher, Bewertungsunterlagen, Lieferscheine, Quittungen etc.,
- Arbeitsanweisungen und andere Organisationsunterlagen.
Der Regierungsentwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie sieht jedoch für Buchungsbelege eine Verkürzung der Aufbewahrungsfristen von 10 auf 8 Jahre vor. Analog zum HGB sollen § 147 Abs. 3 AO und § 14b Abs. 1 Satz 1 UStG neu gefasst werden.
Rz. 40
Die Aufbewahrungsfrist von 6 Jahren kommt für alle anderen Unterlagen zur Anwendung, d. h. für die
- empfangenen Handelsbriefe und
- Wiedergaben der abgesandten Handelsbriefe (s. aber Rz. 36).
2.6.2 Beginn des Fristenlaufs
Rz. 41
Aus Vereinfachungsgründen hat das HGB einen individuellen Beginn des Fristenlaufs vermieden und knüpft daran an, dass das auslösende Ereignis (z. B. die Entstehung des Belegs) in einem bestimmten Kalenderjahr eintritt. Der Beginn des Fristenlaufs beginnt dann mit Ablauf des letzten Tages dieses Kalenderjahrs, also mit Ablauf des 31.12. Das kann zu einer faktischen Verlängerung der Aufbewahrungsfrist führen; Beispiel: Für einen am 2.1. zugegangenen Handelsbrief beginnt der Fristenlauf erst mit Ablauf des 31.12. dieses Jahres. Ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr ist übrigens für den Beginn des Fristenlaufs unerheblich.
Rz. 42
Der Fristenlauf beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem
- bei Handelsbüchern die letzte Eintragung vorgenommen wurde,
- das Inventar aufgestellt wurde,
- die Eröffnungsbilanz oder der Jahresabschluss festgestellt wurde,
- der Einzelabschluss nach § 325 Abs. 2a HGB oder der Konzernabschluss aufgestellt wurde,
- der Handelsbrief abgesandt oder empfangen wurde,
- der Buchungsbeleg entstanden ist.
Rz. 43
Die letzte Eintragung in den Handelsbüchern wird durch die notwendigen Abschlussbuchungen regelmäßig erst im Folgekalenderjahr gemacht werden. Entsprechendes gilt für die Aufstellung des Inventars, das nach der körperlichen Bestandsaufnahme noch bewertet werden muss. Buchungsbelege, die zwar noch im alten Jahr eingehen, aber erst im Folgejahr für die Buchung bearbeitet werden (Kontierung, Buchungsanweisung = Entstehung als Buchungsbeleg), sollten noch dem alten Jahr zugeordnet werden. Nach ADS soll das sogar für Buchungsbelege gelten, die erst nach dem 31.12. eingegangen sind. Dem ist zuzustimmen, da ein Auseinanderreißen des Aufbewahrungsgutes nicht sinnvoll erscheint und die Übersichtlichkeit beeinträchtigen kann.
Rz. 44
Bei späterer Änderung eines bereits festgestellten Jahresabschlusses ist für die Aufbewahrung nunmehr die geänderte Fassung maßgeblich für das Auslösen des Fristenlaufs. Hierbei ist für die Handelsbücher zu beachten, dass notwendige Änderungsbuchungen zu einer erneuten "letzten Eintragung" führen und damit der Beginn des Fristenlaufs verschoben werden kann.
Rz. 45
Die 6- bzw. 10-jährige Aufbewahrungsfrist endet jeweils mit dem Ablauf des 31.12. nach Verstreichen der 6 bzw. 10 Jahre. Eine mögliche Ablaufhemmung wie im Steuerrecht gibt es im Handelsrecht nicht.
2.6.3 Aufbewahrung bei Beendigung der kaufmännischen Tätigkeit
Rz. 46
Die Buchführungspflicht endet zwar mit dem Wegfall der Kaufmannseigenschaft, die Verpflichtung zur Aufbewahrung von Unterlagen, die während der Dauer der kaufmännischen Tätigkeit entstanden sind, besteht aber fort, solange die entsprechenden Aufbewahrungsfristen laufen.
Rz. 47
Beim Tode des Kaufmanns tritt der Gesamtrechtsnachfolger (Erbe) in die Aufbewahrungspflichten, die bis zum Erbfall entstanden sind, ein (auch wenn er selbst nicht Kaufmann i. S. d. Gesetzes ist). Veräußert ein Einzelkaufmann sein Handelsgeschäft, so ist strittig, ob die Aufbewahrungspflicht kraft privatrechtlicher Vereinbarung auf den das Handelsgeschäft fortführenden Erwerber übertragen werden kann. Eine solche Regelung erscheint zweckmäßig und sachgerecht. Bei Handelsgesellschaften, die zur Fortführung auf einen Erwerber übertragen werden, wird eine Übertragung der Aufbewahrungspflicht durch Vereinbarung vom Schrifttum a...