Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Das Niedersächsische Finanzgericht hat ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheids über die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für das Jahr 2012, weil es von der Verfassungswidrigkeit des der Steuerfestsetzung zugrunde liegenden Solidaritätszuschlagsgesetzes überzeugt ist.
Sachverhalt
Die Antragsteller haben gegen den Bescheid über die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für 2012 Einspruch eingelegt und beantragt, die Vollziehung dieses Bescheids aufzuheben. Zur Begründung verweisen sie auf den Vorlagebeschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 21.8.2013 (Az.: 7 K 143/08) zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes, welches (noch) unter dem Az. 2 BvL 6/14 beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist.
Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung als unbegründet ab. Mit einem Antrag nach § 69 Abs. 3 FGO verfolgten die Antragsteller ihr Begehren gerichtlich weiter.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat dem Antrag auf Aufhebung der Vollziehung entsprochen und zur Begründung seiner ernstlichen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des in Rede stehenden Bescheids auf seinen Vorlagebeschluss vom 21.8.2013 verwiesen. Die für das Jahr 2007 ausschlaggebenden Gründe für die Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes würden uneingeschränkt auch für das im Streitjahr 2012 anzuwendende Solidaritätszuschlagsgesetz gelten.
Dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller stehe ein überwiegendes öffentliches Interesse, insbesondere das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung, nicht entgegen. Die Aufhebung der Vollziehung in voller Höhe sei zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig, weil das Finanzgericht von der Verfassungswidrigkeit des Solidaritätszuschlagsgesetzes überzeugt sei und bereits mit Beschluss vom 21.08.2013 das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG angerufen habe.
Hinweis
Allein der Umstand, dass dem Fiskus durch die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung erhebliche Einnahmeausfälle in Milliardenhöhe drohen, lässt nach Auffassung des Finanzgerichts das individuelle Interesse der Antragsteller an einem effektiven Rechtsschutz nicht hinter das öffentliche Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltsführung zurücktreten. Die Wahrnehmung und Erfüllung der öffentlichen Aufgaben sei durch den drohenden Einnahmeausfall nicht gefährdet.
Das Finanzgericht hat die Beschwerde zum Bundesfinanzhof wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Es muss daher abgewartet werden, ob der Bundesfinanzhof ebenfalls ernstliche Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des angefochtenen Bescheids hat.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Beschluss vom 22.09.2015, 7 V 89/14