Leitsatz
Die Aufhebung einer Zuständigkeitsvereinbarung durch die Finanzbehörden bedarf keiner Zustimmung des Steuerpflichtigen.
Normenkette
§ 27, § 150 Abs. 8 Sätze 1 und 2, § 152 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 152 Abs. 2 AO, § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 41a Abs. 1 Satz 2, § 41a Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1, § 41a Abs. 2 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist mit seiner Betriebsstätte Arbeitgeber im Bezirk des FA. Bis zum 31.12.2001 war die Ehefrau (E) des Klägers bei diesem FA beschäftigt. Aufgrund dessen hatten das FA und das FA B auf Anregung der Eheleute 1994 eine Zuständigkeitsvereinbarung gemäß § 27 AO abgeschlossen. Danach war das FA B ab sofort für die Personen- und Betriebssteuern der Eheleute zuständig. 2013 teilte das FA B dem Kläger und der E mit, wegen der Beendigung des Angestelltenverhältnisses der E beim FA und des zwischenzeitlich eingetretenen Wechsels der mit dem Besteuerungsverfahren betrauten Amtsträger sei der Grund für die im Jahre 1994 getroffene Zuständigkeitsvereinbarung entfallen. Sie sei nicht mehr anwendbar.
Demgemäß teilte das FA dem Kläger u.a. für Zwecke der Anmeldung der LSt eine auf das FA lautende Steuernummer zu und forderte ihn auf, zukünftig die LSt-Anmeldungen beim FA einzureichen. Gleichwohl gab der Kläger die monatlichen LSt-Anmeldungen weiterhin ausschließlich und formlos beim FA B ab. Die eingereichten Unterlagen leitete das FA B an das FA weiter. Dieses schätzte auf dieser Grundlage die LSt und setzte Verspätungszuschläge fest. Die gegen die Festsetzung der Verspätungszuschläge eingelegten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück. Die anschließend erhobene Klage blieb ebenfalls ohne Erfolg (FG München, Urteil vom 15.2.2019, 8 K 142/17, Haufe-Index 13014091, EFG 2019, 587).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hat der BFH aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen zurückgewiesen.
Hinweis
1. Gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1 AO kann gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht oder nicht fristgemäß nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von einer solchen Festsetzung ist abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AO). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, was von den Gerichten uneingeschränkt nachprüfbar ist, hat die zuständige Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie einen Verspätungszuschlag festsetzt (sog. Entschließungsermessen) und wie hoch sie ihn unter Beachtung der gesetzlichen Grenzen des § 152 Abs. 2 AO festsetzt (sog. Auswahlermessen). Dieser Teil der Entscheidung unterliegt gemäß § 102 FGO nur der eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung (BFH, Urteil vom 15.3.2007, VI R 29/05, BFH/NV 2007, 1076, m.w.N.).
2. Danach ist die Festsetzung des Verspätungszuschlags durch das FA nicht zu beanstanden.
a) Entgegen der Ansicht des Klägers war das FA für die Festsetzung der Verspätungszuschläge örtlich zuständig, da die Zuständigkeitsvereinbarung aus dem Jahr 1994 vom FA B und dem FA aufgehoben wurde und das FA gemäß der gesetzlichen Regelung in § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG als Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers (Klägers) für die Anmeldung und Abführung der LSt örtlich zuständig ist.
aa) Denn eine vorhandene Zuständigkeitsvereinbarung kann von den beteiligten Finanzbehörden einvernehmlich aufgehoben werden, wenn – wie vorliegend – der rechtliche Grund für die abweichende Zuständigkeitsregelung wieder entfallen ist. Mehr als eines dahin gehenden Konsenses der beteiligten Finanzbehörden bedarf es hierfür nicht.
bb) Der Zustimmung des Steuerpflichtigen hierzu bedarf es nicht. Zum einen dient § 27 AO nicht den Interessen des Steuerpflichtigen, sondern der Verwaltungsvereinfachung. Zum anderen ist der Steuerpflichtige bei Aufhebung einer Zuständigkeitsvereinbarung nicht schutzbedürftig, wie bei deren Abschluss. Das dahin gehende Zustimmungserfordernis dient dem Schutz des Steuerpflichtigen vor willkürlichen Vereinbarungen der Finanzbehörden. Außerdem wird damit dem in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Grundsatz, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, genügt. Denn die Zuständigkeit des FG knüpft an die Zuständigkeit der Finanzbehörde an. Derartiges ist durch die Aufhebung einer bestehenden Zuständigkeitsvereinbarung nicht zu besorgen. Denn dadurch wird keine neue Zuständigkeit geschaffen, sondern lediglich zur gesetzlich vorgesehenen örtlichen Zuständigkeit zurückgekehrt.
b) Die Festsetzung der Verspätungszuschläge durch das FA ist vorliegend auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Denn der Kläger hat die LSt-Anmeldungen nicht in der nach § 41a Abs. 1 Satz 2 EStG gebotenen Form beim FA abgegeben, ohne dass ein Verzicht hierauf gemäß § 41a Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EStG vorlag. Damit ist der Kläger seiner Verpflichtung zur Abgabe der LSt-Anmeldungen nicht nachgekommen. Dieses Versäumnis ist vorliegend auch nicht entschuldbar. Das FA war daher nach § 152 Abs. 1 Satz 1 AO zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen berechtigt. Ermessensfehler...