Leitsatz
Bei Auflösungsverlusten von Anteilen an einer insolvent gegangenen GmbH (§17 Abs. 4 EStG) ist das Halbeinkünfteverfahren bereits im Veranlagungszeitraum 2001 anwendbar. Damit ist der Verlust nach § 3 c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte steuerlich wirksam.
Sachverhalt
Der Kläger war an einer GmbH beteiligt, für die am 1.1.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Im Jahr 2001 machte er in der Einkommensteuererklärung einen Verlust aus der Auflösung der GmbH gem. § 17 Abs. 4 EStG geltend. Im Einspruchsverfahren einigte sich der Kläger mit dem Finanzamt darüber, dass erst 2001 feststand, dass weitere Zuteilungen und Rückzahlungen nach § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht mehr in Frage kämen und daher der Verlust erst in diesem Veranlagungszeitraum geltend zu machen ist. Der Kläger ist der Auffassung, dass die aus dem Halbeinkünfteverfahren resultierende Abzugsbeschränkung nach § 3 c Abs. 2 EStG erstmals für Veräußerungsverluste anzuwenden ist, die im Jahre 2002 entstanden sind, da bei der Einkommensteuer das Halbeinkünfteverfahren frühestens 2002 anzuwenden ist, wenn für die ausschüttende Körperschaft das Halbeinkünfteverfahren in 2001 erstmals galt. Nach § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG i. d. F. des StSenkG sei das Halbeinkünfteverfahren erstmals auf Erträge i. S. von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe c EStG, zu denen auch die in § 17 Abs. 4 EStG geregelten Fälle zählen, anzuwenden, die nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres, für das das KStG n.F. erstmals anzuwenden ist, erzielt werden. Das Finanzamt hat den Verlust trotzdem nur zur Hälfte angesetzt.
Entscheidung
Das hessische FG hat sich der Auffassung der Finanzverwaltung angeschlossen. Ist das Halbeinkünfteverfahren anwendbar, so sind sowohl Gewinne als auch Verluste aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, an denen ein wesentliches Beteiligungsverhältnis besteht, zur Hälfte steuerfrei (§ 3 Nr. 14 Satz 1 Buchstabe c, § 17 Absatz 4, § 3c Abs. 2 EStG). Die vom Kläger heran gezogene Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG greift aber nach Auffassung der Finanzrichter für Kapitalgesellschaften im Insolvenzverfahren nicht. Diese Anwendungsvorschrift setzt nämlich voraus, dass ein Wirtschaftsjahr abgelaufen ist, für das das Körperschaftsteuergesetz n.F. anzuwenden war, und dies war der Veranlagungszeitraum 2001. Einerseits ist § 34 Abs. 11 KStG n.F. einschlägig, nachdem für alle nach dem 31.12.2000 endenden Liquidationsverfahren neues Recht anzuwenden ist. Wegen der Besonderheit im Liquidationsverfahren, dass es keine Wirtschaftsjahre im steuerrechtlichen Sinn mehr gibt (sondern nur noch einen Abwicklungszeitraum nach § 11 KStG) fehlt der für die Anwendungsregel des § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG notwendige Bezug, nämlich der "Ablauf" des Wirtschaftsjahres. Die Begriffe "Besteuerungszeitraum" im Liquidationsverfahren und "Wirtschaftsjahr" im allgemeinen Steuerrecht sind nicht gleich bedeutend. In den Fällen des § 17 Abs. 4 EStG während eines Abwicklungsverfahrens, das sich über mehr als 1 Jahr erstreckt, läuft daher die Anwendungsregel des § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG ins Leere. Damit bleibt es bei der Grundregel des § 52 Abs. 1 EStG, wonach das Gesetz erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden ist und somit der Verlust nur zur Hälfte anzuerkennen war.
Hinweis
Das FG hat zwar die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen, das Urteil wurde jedoch rechtskräftig. Das Gericht lehnt sich eng an den Wortlaut der Anwendungsregel in § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG an und trifft die nicht zwingend gebotene Entscheidung, dass dem dort in Bezug genommenen Wirtschaftsjahr der Besteuerungszeitraum gem. § 11 KStG im Abwicklungsverfahren (im Regelfall 3 Jahre) nicht gleich zu setzen ist. Da § 17 Abs. 4 EStG nur den Auflösungsverlust betrifft, gleich wohl aber § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe c EStG auch auf diese Gewinne anwendbar ist, muss man von einer ungewollten Gesetzeslücke ausgehen. Dass diese das Gericht nicht durch Analogieschluss geschlossen hat, sondern am puren Wortlaut kleben bleibt, zeigt, dass sich die Richter nicht zu eingehend mit dem Problem befasst haben. Sich weder mit der Systematik noch einer möglichen Analogie oder etwaigen Gründen des Gesetzgebers auseinander zu setzen, hätte dem BFH im Falle einer Revision mit Sicherheit Gelegenheit gegeben, das Thema tiefer auszuschürfen. Die Revision wurde jedoch gerade nicht eingelegt, wobei die Zahl der Altfälle, für die das Urteil Relevanz zeigt, mehr und mehr schwinden dürfte.
Link zur Entscheidung
Hessisches FG, Urteil vom 18.05.2004, 11 K 500/04