Dipl.-Finanzwirt (FH) Jens Keese
Leitsatz
- Eine USt-Vorauszahlung wird durch Anmeldung oder Festsetzung fällig, nicht jedoch durch bloße Anmeldung zur Tabelle im Insolvenzverfahren.
- Die Berichtigung einer Rechnung gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt das USt-Guthaben neu entstehen. Das Ausstellen einer Rechnung mit zu Unrecht ausgewiesener USt trägt die Berichtigung nicht von Anfang an in sich.
Sachverhalt
Die A-GmbH hat in einer am 15.2.1999 ausgestellten Rechnung zu Unrecht Umsatzsteuer ausgewiesen, obwohl eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gem. § 1 Abs. 1a UStG vorlag. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A-GmbH am 16.6.1999 meldete das Finanzamt eine USt-Forderung Februar 1999 in Höhe von 929.600 DM am 30.3.2000 gem. § 174 Abs. 1 InsO zur Tabelle nach.
Der Kläger als Insolvenzverwalter der A-GmbH hatte bereits am 4.2.2000 eine korrigierte Rechnung erteilt, in der für die nicht steuerbare Geschäftsveräußerung keine Umsatzsteuer mehr ausgewiesen wurde. Das Finanzamt änderte daraufhin die USt-Vorauszahlung Februar 2000 mit Bescheid vom 30.5.2000. Das sich ergebende Guthaben in Höhe von 929.600 DM rechnete das Finanzamt durch Aufrechnungserklärung vom 8.6.2000 mit den Verbindlichkeiten der A-GmbH aus Umsatzsteuer Februar 1999 in gleicher Höhe auf.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Aufrechnung.
Entscheidung
Die Klage ist begründet.
Eine Aufrechnung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis setzt gem.§ 387 BGB u.a. voraus, dass die Forderung des Aufrechnenden mit der aufgerechnet werden soll ("Gegenforderung") entstanden und auch fällig ist. Nach Auffassung des FG Berlin war die Gegenforderung des Finanzamtes (Beklagter) also die Umsatzsteuer Februar 1999 im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung am 8.6.2000 nicht fällig.
Das FG Berlin schließt sich der herrschenden Meinung an, dass Ansprüche der Finanzbehörde auf USt-Vorauszahlungen nicht vor Eingang der entsprechenden Voranmeldung bzw. vor Bekanntgabe des USt-Vorauszahlungsbescheides fällig werden. Die Regelung des § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG nach der die Vorauszahlung am 10. Tage nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig wird, bezieht sich lediglich auf im Rahmen der USt-Voranmeldung angemeldete Vorauszahlungen. Die nicht angemeldete Steuer wird nicht am 10. des Folgemonats fällig. Die Gegenforderung des Finanzamtes war weder vor noch mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Gegenforderung auch nicht mit der Anmeldung zur Tabelle fällig geworden. Nach § 174 InsO dürfen Steueransprüche, die als Insolvenzforderung zur Eintragung in die Tabelle anzumelden sind, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens von den Finanzämtern nicht mehr festgesetzt werden.
Eine die Steuerfestsetzung ersetzende Feststellung der Forderung gem. § 178 Abs. 1 S. 1 InsO mangels Widerspruch vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger im Prüfungstermin oder schriftlichem Verfahren liegt nach Auffassung des FG ebenfalls nicht vor.
Da im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vom 8.6.2000 keine wirksame Festsetzung der Gegenforderung bestand, konnte die Aufrechnung nicht wirksam erklärt werden.
Darüber hinaus ist die Aufrechnung gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist. Dies ist bei dem Anspruch des Klägers auf Erstattung der USt Februar 2000 nach Auffassung des FG Berlin der Fall.
Die Umsatzbesteuerung ergab sich allein durch das Ausstellen einer Rechnung durch die A-GmbH, in der die USt zu Unrecht ausgewiesen wurde. Die hatte zur Folge, dass die USt gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 UStG auch geschuldet wurde. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Ausstellen der Rechnung mit zu Unrecht ausgewiesener USt die Berichtigung bereits in sich getragen hätte. Die korrigierte Rechnung, die den USt-Erstattungsanspruch hat entstehen lassen, wurde erst im Februar 2000, also Monate nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgestellt.
Hinweis
Im Ergebnis hat das Finanzamt in diesem Fall aufgrund der u. E. zutreffenden formalen Betrachtungsweise des FG Berlin das Nachsehen. Das Finanzamt schuldet der Insolvenzmasse den Steuererstattungsanspruch in Höhe von 929.600 DM in voller Höhe. Die eigene Steuerforderung in gleicher Höhe kann allenfalls anteilig befriedigt werden.
Für eine mögliche Aufrechnung des Finanzamtes fehlte es zum einen an der fälligen Gegenforderung. Auf der anderen Seite lag ein Verstoß gegen das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 InsO vor, da die Hauptforderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Der Erstattungsanspruch aufgrund der Rechnungsberichtigung führte zu einem Entstehen der Hauptforderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Revision eingelegt - Az. beim BFH VII R 20/04).
Link zur Entscheidung
FG Berlin, Urteil vom 27.01.2004, 5 K 5076/01