Leitsatz
Das Finanzamt kann gegen einen Steuererstattungsanspruch auch dann mit vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Steuerschulden aufrechnen, wenn der Steuererstattungsanspruch des Steuerschuldners im Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens noch nicht festgesetzt ist. Voraussetzung ist, dass der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch vor Insolvenzeröffnung gelegt wurde.
Sachverhalt
Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH ("GmbH"), stritt mit dem Finanzamt über die Wirksamkeit einer Aufrechnung mit Umsatzsteuerverbindlichkeiten der GmbH für 1997 bis 1999 gegen ein Erstattungsguthaben aus dem am 12.10.2001 erlassenen, geänderten Grunderwerbsteuerbescheid.
Über das Vermögen der GmbH wurde am 1.7.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Finanzamt hatte Umsatzsteuerrückstände aus den Jahren 1997 bis 1999 angemeldet (§ 174 Abs. 1 InsO), die unstreitig waren.
Im Jahre 1996 hatte die GmbH von der Gemeinde M. ein Erbbaurecht mit einer Laufzeit von 50 Jahren an einem Grundstück in G. erworben, um eine Wohnlage zu errichten. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer entsprechend dieser Laufzeit fest, jedoch vorläufig hinsichtlich der Gegenleistung, weil diese sich durch die etwaige Ausübung vertraglich vereinbarter Erwerbsrechte möglicherweise ändern würde. Einige der insgesamt 56 Wohnungen wurden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwangsversteigert und die Erbbauzinsverpflichtung gegenüber der Gemeinde (abweichend vom vertraglich vereinbarten 50-jährigen Zeitraum) nur mit einem Zeitraum von durchschnittlich 3 Jahren angesetzt (Zeitraum zwischen Erwerb des Erbbaurechts 1996 und Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.7.1999). Das Finanzamt berichtigte die Grunderwerbsteuer entsprechend der verkürzten Laufzeit des Erbbaurechts, woraus sich der Erstattungsbetrag ergab. Gegen diesen Erstattungsanspruch der GmbH rechnete das Finanzamt nunmehr mit den im Insolvenzverfahren angemeldeten Umsatzsteuerschulden auf. Die Einwendungen des Insolvenzverwalters, eine Aufrechnung sei nach § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO unzulässig, wies das Finanzamt in einem Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) zurück.
Entscheidung
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Im Verfahren über einen Abrechnungsbescheid gem. § 218 Abs. 1 AO ist von der Rechtmäßigkeit der in Frage stehenden Steuerverwaltungsakte auszugehen. Es wird im Abrechnungsverfahren lediglich festgestellt, ob eine Steuerschuld noch besteht und noch geltend gemacht werden kann oder nicht. Es ist von der "formellen Bescheidlage" auszugehen.
Der Abrechnungsbescheid war rechtmäßig, da der aufgrund des geänderten Bescheids vom 12.10.2001 entstandene Erstattungsanspruch durch wirksame Aufrechnung erloschen war.
Gem. § 226 AO gelten die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung mit Steuern entsprechend. Nach § 387 BGB kann der Schuldner (vorliegend das Finanzamt) seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils (GmbH) aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung (Umsatzsteuer) fordern und die ihm obliegende Leistung (Grunderwerbsteuererstattungsanspruch) bewirken kann, sofern die gegenseitigen Forderungen gleichartig sind und die Forderung des Aufrechnenden, mit der aufgerechnet werden soll (sogenannte Gegenforderung, hier Umsatzsteuer) entstanden und auch fällig ist. Ferner ist erforderlich, dass die Forderung des Aufrechnungsgegners, gegen die aufgerechnet werden soll (sogenannte Hauptforderung, hier Grunderwerbsteuererstattungsanspruch) bereits entstanden und schon erfüllt war, ist. Letztere muss aber noch nicht fällig sein. Diese Voraussetzungen waren grundsätzlich gegeben.
§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO verbietet jedoch eine Aufrechnung, wenn ein Insolvenzgläubiger erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden ist.
Bei Steuererstattungsansprüchen ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH davon auszugehen, dass als Entstehungszeitpunkt nicht der steuerrechtliche Entstehungszeitpunkt, sondern der Zeitpunkt anzusehen ist, in dem nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für die Steuererstattung gelegt worden ist. Dieser Rechtsgrund im insolvenzrechtlichen Sinne besteht bei Steuervorauszahlungen z.B. bei Einkommensteuervorauszahlungen mit ihrer Entrichtung, weil der Schuldner zu diesem Zeitpunkt einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung erlangt, dass am Ende die Jahressteuer geringer ist als die Summe der Vorauszahlungen.
So verhält es sich nach Auffassung des Finanzgerichts auch im vorliegenden Fall:
Der spätere Grunderwerbsteuererstattungsanspruch war dem Grunde nach bereits vor Insolvenzeröffnung gelegt. Denn der Schuldner hatte aufgrund des ursprünglichen Bescheids und der Zahlung hierauf einen Anspruch auf Rückerstattung etwaiger Überzahlungen unter der aufschiebenden Bedingung erlangt, dass sich die Gegenleistung durch die etwaige Ausübung vertraglich vereinbarter Erwerbsrechte noch ändern würde. Aus diesem Grund sei der Grunderwerbsteuerbescheid auch hinsichtlich der Gegenleistung für vorläuf...