Leitsatz
Bei Streitigkeiten über Aufrechnungen durch Finanzämter mit unter Steuerzahlern abgetretenen Steuererstattungs- oder Steuervergütungsansprüchen kommt es häufig zu schwierigen Rechtsproblemen. Grundsätzlich kann in solchen Fällen zur Klärung der Zahlungsansprüche ein Abrechnungsbescheid vom betreffenden Finanzamt verlangt werden (§ 218 Abs. 2 AO). Gegen einen solchen Abrechnungsbescheid kann Einspruch , dann ggf. Klage beim Finanzgericht oder später ggf. Revision beim BFH eingelegt werden. Der Abrechnungsbescheid ergeht im Steuererhebungsverfahren . Er hat nur die Feststellung zum Inhalt, ob eine bestimmte Zahlungsverpflichtung erloschen ist, d. h., ob wirksam gezahlt, aufgerechnet, verrechnet, erlassen, verjährt und dgl. ist. Nicht Gegenstand des Abrechnungsbescheids ist die Entscheidung über die Begründung der Zahlungsverpflichtung durch die zugrunde liegenden Steuerbescheide und Steueranmeldungen. Deshalb können Gründe, die gegen die Steuerfestsetzung selbst bzw. gegen die Richtigkeit der einer Steuerfestsetzung gleichstehenden Steueranmeldung gerichtet sind, im Abrechnungsverfahren grundsätzlich nicht geltend gemacht werden. Solange noch außergerichtliche oder gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren zur Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Steuerfestsetzungen bzw. Steueranmeldungen laufen, die Einfluss auf die streitigen Zahlungsansprüche haben können, sind Rechtsstreitigkeiten über die Abrechnungsbescheide auszusetzen.
Der Grundsatz, dass im Abrechnungsverfahren die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden nicht zu prüfen ist, wird insbesondere, wenn es um Umsatzsteueransprüche geht, durchbrochen . Bei Meinungsverschiedenheiten, welche über die Wirksamkeit einer Aufrechnung des Finanzamts mit einer Umsatzsteuer-Vorauszahlung bestehen, ist auch über den materiell-rechtlichen Bestand der Vorauszahlungsschuld ungeachtet ihrer wirksamen Festsetzung in einem Steuerbescheid zu entscheiden, sofern und soweit darüber nicht eine Bestandskraft wirkende Entscheidung in dem Jahressteuerbescheid ergangen ist. Ist in dem Jahressteuerbescheid keine für die Vorauszahlungsschuld aussagekräftige Regelung getroffen oder ist noch kein Jahressteuerbescheid ergangen, muss also für Aufrechnungszwecke auch das materielle Bestehen der Umsatzsteuerschuld geprüft werden. Für die Aufrechnung ist es von besonderer Bedeutung, wann die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsschuld entstanden ist. Dies hängt wiederum mit dem Zeitpunkt der Lieferung ab. Bei Grundstücken ist die Lieferung i. d. R. anzunehmen, wenn der Käufer eine gesicherte Anwartschaft auf den Erwerb bürgerlich-rechtlichen Eigentums hat und Besitz, Nutzen und Lasten auf ihn übergegangen sind. Auch wenn das Grundstück von einem Konkursverwalter verkauft wird, betreiben Konkursverwalter und Schuldner dasselbe Unternehmen, selbst wenn sie umsatzsteuerrechtlich getrennt zu erfassen sind. Der von ihnen einzuhaltende Voranmeldungszeitraum bestimmt sich daher nach den Umständen dieses (Gesamt-)Unternehmens. Die Lieferung eines unter Zwangsverwaltung stehenden Grundstücks setzt die vorherige Aufhebung der Zwangsverwaltung nicht voraus. Ergibt sich nach diesen Grundsätzen die Lieferung eines unter Zwangsverwaltung stehenden Grundstücks durch den Konkursverwalter, ist damit materiell eine Umsatzsteuerschuld zu einem bestimmten Zeitpunkt entstanden, mit der aufgerechnet werden kann. Auf Seiten des Finanzamts ist eine Aufrechnung auch möglich, wenn ein Finanzamt dem anderen Finanzamt die Umsatzsteuerschuld abtritt, damit das andere Finanzamt mit Steuerforderungen aufrechnen kann. Die Abtretung von Steuerforderungen zwischen Hoheitsträgern, d. h. Finanzämtern , ist unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften des BGB (§§ 398 ff.) möglich.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.06.1999, VII R 3/97
Anmerkung: Im Urteilsfall ging es um einen an den Konkursverwalter abgetretenen Umsatzsteuer-Erstattungsanspruch und die Aufrechnung einer Umsatzsteuerforderung , die ein Finanzamt einem anderen Finanzamt abgetreten hat.