Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. § 12 Nr. 5 EStG bestimmt in typisierender Weise, dass bei einer erstmaligen Berufsausbildung ein hinreichend veranlasster Zusammenhang mit einer bestimmten Erwerbstätigkeit fehlt. Die Vorschrift enthält jedoch kein Abzugsverbot für erwerbsbedingte Aufwendungen.
2. In verfassungskonformer Auslegung steht § 12 Nr. 5 EStG einem Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten für ein Erststudium nach abgeschlossener Berufsausbildung nicht entgegen.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 5 EStG
Sachverhalt
Die 1967 geborene Klägerin hat eine abgeschlossene Ausbildung als Buchhändlerin. Nach dieser Ausbildung studierte sie zunächst Sonderschulpädagogik, brach dies aber schwangerschaftsbedingt ab. 2002 begann sie ein Studium zur Grund-, Haupt- und Realschullehrerin. Ihre im Zusammenhang mit diesem Studium geltend gemachten Kosten berücksichtigte das FA bis einschließlich 2004 als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Für das Streitjahr 2005 machte sie Aufwendungen (6 424 EUR) für das Studium geltend. Das FA sah diese Ausgaben nun noch als Berufsausbildungskosten i.S.v. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG an und ließ nur 4 000 EUR zum Abzug zu.
Die Klage blieb unter Hinweis auf § 12 Nr. 5 EStG erfolglos (FG Niedersachsen, Urteil vom 07.11.2006, 8 K 353/06, Haufe-Index 1755603).
Entscheidung
Der BFH entsprach dem Grunde nach der Klage. Er verwies die Sache allerdings an das FG zurück, weil zu den einzelnen von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen noch Feststellungen fehlten.
Hinweis
Das Besprechungsurteil ist die Grundsatzentscheidung zur einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Berufsausbildungsaufwendungen unter der Geltung des ab 2004 neu eingeführten § 12 Nr. 5 EStG. Nachdem der BFH seine alte Rechtsprechung zur Abgrenzung von Fortbildungskosten in einem ausgeübten Beruf (als Werbungskosten abziehbar) und den Kosten einer Ausbildung zu einem künftigen Beruf (nur als Sonderausgaben abziehbar) zugunsten einer allein am Veranlassungsprinzip orientierten Rechtsprechung aufgegeben hatte (zur alten und neuen Rechtslage: BFH, Urteil vom 04.12.2002, VI R 120/01, BFH/NV 2003, 255, BFH/PR 2003, 97, m.w.N.) wurde § 12 Nr. 5 EStG geschaffen. Der Besprechungsfall sowie vier weitere Urteile vom selben Tag (VI R 31/07; VI R 79/06; VI R 6/07; VI R 49/07) sind die ersten Entscheidungen zu dieser neuen Rechtslage. Danach gilt:
1. Ob Aufwendungen für ein Studium als (vorweggenommene) Werbungskosten zu berücksichtigen sind, entscheidet sich nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG. Maßgeblich bleibt das Veranlassungsprinzip. Aus § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG folgt nichts anderes. Denn § 10 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG macht Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine eigene Berufsausbildung nur dann zu Sonderausgaben, "wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind". Der Werbungskosten- bzw. Betriebsausgabenabzug ist also vorrangig. § 12 Nr. 1 EStG besagt auch nichts anderes. Entweder sind Kosten aus beruflichen Gründen entstanden oder aus privaten. Das ist auch nicht neu.
2. Und was regelt nun § 12 Nr. 5 EStG? Er bestimmt typisierend, bei welchen Berufsausbildungskosten kein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang zum Beruf mehr besteht. Der BFH bezieht sich hierzu auf § 12 Nr. 5 Halbs. 2 EStG und auf die Gesetzesmaterialien dazu (BTDrucks. 15/3339, 10). Danach sollte es dabei bleiben, dass jede berufliche Umschulung, d.h. auch eine berufliche Neuorientierung, zum Wk-Abzug der dafür geleisteten Aufwendungen führen kann. Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses sind aus dem Anwendungsbereich § 12 Nr. 5 EStG ausgenommen. Dagegen sind Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung im Regelfall nicht ausreichend beruflich veranlasst. Ihnen fehlt die konkrete Berufsbezogenheit, wie beim Besuch allgemeinbildender Schulen und dem Studium, sofern es sich dabei um eine Erstausbildung handelt.
Eine Berufsbezogenheit ist allerdings bei einem Studium anzunehmen, das im späteren Berufsleben berufsbegleitend oder als Zweitausbildung aufgenommen wird. Allerdings legt der BFH den Begriff "Erststudium"in § 12 Nr. 5 EStG verfassungskonform aus, um nicht Steuerpflichtige, die nach abgeschlossener Berufsausbildung erstmalig ein Studium aufnehmen, gegenüber den Steuerpflichtigen zu benachteiligen, die eine zweite nicht akademische Ausbildung, ein Zweitstudium oder ein Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses absolvieren. Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 5 EStG erfasst deshalb allenfalls das Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt und nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Der BFH konnte die ansonsten vielfach geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 12 Nr. 5 EStG ebenso wie die Frage, ob durch ein abgebrochenes Studium (hier: Sonderpädagogik) überhaupt noch ein "Erststudium" vorliegt, dann offenlassen.
3. Im Streitfall bestand ein hinreichend konkreter Zusammenhang zwischen Ausgaben mit späteren Einnahmen aus der an...