Leitsatz
Wohnt ein im Haushalt des Kindergeldberechtigten aufgenommenes Kind am auswärtigen Ausbildungsort, können regelmäßig Aufwendungen sowohl für Fahrten zwischen der Wohnung am Ausbildungsort und der Ausbildungsstelle als auch für Fahrten von und zum Haushalt des Kindergeldberechtigten als besondere Ausbildungskosten berücksichtigt werden.
Normenkette
§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger erhielt für seinen 1978 geborenen Sohn (S) Kindergeld. S begann Ende 1998 ein Studium an einer Berufsfachschule. Während des Studiums erhielt S von einer Firma X ein monatliches Stipendium in Höhe von 1 150 DM im ersten und 1 250 DM im zweiten Ausbildungsjahr.
Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergelds ab 1.1.1999 auf, da S mit steuerfreien Bezügen in Höhe von 13 740 DM die maßgebende Einkommensgrenze von 13 020 DM überschritten habe. Der Kläger vertrat die Ansicht, der Betrag von 13 740 DM müsse um Fahrtkosten, Schulgeld und Aufwendungen für Wochenendfahrten vermindert werden. Das FG gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Es könne offen bleiben, ob das von der Firma X gezahlte Stipendium bei den Einkünften oder bei den Bezügen des S zu erfassen sei. Könne der ausbildungsbedingte Mehrbedarf nicht bei den Einkünften zum Ansatz gelangen, wäre er andernfalls nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG von der Summe aus Einkünften und Bezügen abzuziehen.
Der ausbildungsbedingte Mehraufwand orientiere sich dem Grund und der Höhe nach an den Beträgen, die im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses als Werbungskosten zu berücksichtigen wären. Deshalb könnten die Kosten für Fahrten zwischen der Wohnung am Ausbildungsort und der Ausbildungsstätte mit den Pauschbeträgen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F. abgezogen werden; der Abzug erstrecke sich auch auf Aufwendungen für Fahrten von einer entfernt liegenden Wohnung zum Ausbildungsort, wenn diese Wohnung – wie im Streitfall – den Mittelpunkt der Lebensinteressen des Kindes bildet (BFH, Urteil vom 13.12.1985, VI R 7/83, BStBl II 1986, 221). Die Studiengebühren seien gleichfalls abzuziehen. Demnach sei der Jahresgrenzbetrag unterschritten.
Hinweis
Die Entscheidung ergänzt u.a. die beiden BFH-Urteile, jeweils vom 14.11.2000, VI R 128/00, BStBl II 2001, 495, und VI R 62/97, BStBl II 2001, 491 (vgl. BFH-PR 2001, 90 f.). In diesen Entscheidungen hatte der BFH geklärt, was unter den "besonderen Ausbildungskosten" i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG zu verstehen ist. Hinsichtlich der Abgrenzung der besonderen Ausbildungskosten von den existenzsichernden Lebenshaltungskosten des Kindes greift der BFH auf die Grundsätze zurück, nach denen bei der Einkünfteermittlung die Erwerbsaufwendungen von den Lebenshaltungskosten getrennt werden. Auch hinsichtlich der Höhe werden die steuerlichen Wertansätze übernommen, z.B. für Fahrten mit dem eigenen Kfz die Werte des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG a.F.
Im Besprechungsfall wird klargestellt, dass die im Leitsatz erwähnten Fahrtkosten als ausbildungsbedingter Mehraufwand des Kindes zu berücksichtigen sind, und zwar entweder – wenn er mit erzielten steuerpflichtigen Einnahmen des Kindes im Zusammenhang steht – bei diesen oder nach § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG als besondere Ausbildungskosten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 25.7.2001, VI R 77/00