Leitsatz
1. Aufwendungen von Lehrern für Snowboardkurse können als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar sein, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht. Dies ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bestimmen.
2. Im Rahmen dieser Gesamtwürdigung können die in dem BFH-Urteil vom 26.8.1988, VI R 175/85 (BFHE 154, 513, BStBl II 1989, 91) genannten Merkmale für die berufliche Veranlassung von Aufwendungen für Skilehrgänge Beweisanzeichen (Indizien) für den im Einzelfall maßgeblichen Veranlassungszusammenhang sein.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG, § 118 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Der Kläger ist als Sportlehrer tätig. Außerdem leitete er die Wintersport-Arbeitsgemeinschaft seiner Schule und organisierte und betreute Klassenfahrten mit Wintersportinhalten. Der Kläger nahm an einem Lehrerfortbildungskurs "Snowboard fahren im Schulsport" teil. Ziel der Veranstaltung war der Erwerb der technischen Grundfertigkeiten mit dem Snowboard im Rahmen alpiner Schulskikurse. Der Kurs umfasste praktische Übungen und die Vermittlung theoretischer Kenntnisse. Am letzten Kurstag erfolgte eine Überprüfung der erlernten Techniken. Das FA erkannte die Aufwendungen des Klägers für den Snowboardkurs nicht als Werbungskosten an. Das FG gab der Klage statt. Es erkannte sowohl die Kosten für den Snowboardkurs als auch die Reisekosten als Werbungskosten an.
Entscheidung
Die Revision des FA war erfolglos. Die Vorentscheidung sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Frage, ob Aufwendungen beruflich veranlasst sind, obliege in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Die Tatsachenwürdigung des FG sei möglich und für den BFH bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
Das FG habe – ebenfalls bindend – festgestellt, dass bei der Teilnahme des Klägers an dem Lehrgang die Förderung des Berufs derartig überwogen habe, dass der Nutzen für die private Lebensführung ganz in den Hintergrund getreten sei. Es sei revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass das FG dem Umstand, dass über die Überprüfung der in dem Kurs erlernten Techniken kein Zertifikat ausgestellt worden sei, keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen habe.
Hinweis
1. Der VI. Senat wiederholte nochmals seine nunmehr gefestigte Rechtsprechung, dass Bildungsaufwendungen Werbungskosten sein können, sofern sie beruflich veranlasst sind (beginnend: Urteile beide vom 4.12.2002, VI R 120/01, BFH-PR 2003, 97; VI R 137/01, BFH-PR 2003, 98; zuletzt: Urteil vom 20.7.2006, VI R 26/05, BFH-PR 2006, 395). Aufwendungen für einen Lehrgang sind demnach dann als Werbungskosten abziehbar, wenn ein konkreter Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht. Ob dies zutrifft, ist durch eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BFH, Urteil vom 10.4.2002, VI R 46/01, BFH-PR 2002, 327 – Aufwendungen für einen Sprachkurs).
2. Die Besprechungsentscheidung gewinnt ihre Bedeutung durch die Ausführungen des BFH zur tatrichterlichen Würdigung.
Der BFH neigt hin und wieder dazu, gesetzliche Tatbestandsmerkmale durch weitere "Quasi-Tatbestandsmerkmale" anzureichern. So hatte der VI. Senat in seinem Urteil vom 26.8.1988, VI R 175/85 (BStBl II 1989, 91) zahlreiche, mehr oder weniger gewichtige Umstände aufgeführt, unter denen Aufwendungen für die Teilnahme an einem Lehrgang zum Erwerb einer Schulskileiterlizenz bei Lehrern als Werbungskosten anerkannt werden können. Hierzu zählen u.a. tatsächliche Erteilung des Sportunterrichts, homogener Teilnehmerkreis, anerkannter Verband als Veranstalter, straffe Durchführung des Lehrgangs, tatsächliche Teilnahme, Abschluss mit Prüfung, Erteilung eines Zertifikats.
Diese Rechtsprechung hatte dazu geführt, dass FÄ und auch FGs berufliche Bildungsmaßnahmen häufig schon dann als Erwerbsaufwendungen ablehnten, wenn ein (untergeordnetes) Merkmal nicht erfüllt war. Dies war bzw. ist mit dem Grundsatz der freien Würdigung des Gesamtergebnisses – wenn überhaupt – nur schwer vereinbar.
3. Ausgehend vom Beschluss des BVerfG vom 7.11.1995, 2 BvR 802/90 (BStBl II 1996, 34 – zum Oder-Konto) führte der BFH – so wörtlich – aus: "Ein einzelnes Indizmerkmal darf indessen dann nicht mehr mit ausschlaggebender Bedeutung herangezogen werden, wenn schon aus anderen Indizmerkmalen mit hinreichender Sicherheit ein bestimmter Veranlassungszusammenhang festgestellt werden kann."
4. Dem VI. Senat ging es im Streitfall vor allem darum, dass deutlich zwischen rechtlichen Maßstäben einerseits sowie Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung andererseits unterschieden werden muss. Die Würdigung des Sachverhalts durch die FGs ist, wenn sie möglich ist, für den BFH bindend. Er ist daran nur dann nicht gebunden, wenn dem FG ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, wenn seine Tatsachenwürdigung unvollständig (lückenhaft) oder in sich widersprüchlich (mit logischen Fehlern behaftet) ist oder wenn sie gegen Erfahrungsgrundsätze verstößt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 22.6.2006, VI R 61/02