Nach § 102 AO steht verschiedenen Berufsgruppen ein Auskunftsverweigerungsrecht zum Schutz von Berufsgeheimnissen zu. Die Regelung ist abschließend. Sie gilt nicht, wenn der jeweilige Berufsangehörige in eigenen Steuersachen tätig ist. Die Regelung ist Ausfluss des besonderen Vertrauensverhältnisses, das für diese Berufsgruppen besteht. Nach dem Wortlaut besteht auch in den Fällen des § 102 AO nur das Recht, die Auskunft zu verweigern. Anders als im Fall des Auskunftsverweigerungsrechts von Angehörigen nach § 101 AO besteht jedoch für die Berufsgruppen des § 102 AO regelmäßig eine Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach der jeweiligen Berufsordnung und § 203 StGB. Allerdings deckt sich der in § 102 AO genannte Personenkreis nicht mit dem in § 203 StGB. Im Einzelnen handelt es sich bei den in § 102 AO genannten Personen um die folgenden Berufsgruppen:
- Geistliche über das, was Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Seelsorger anvertraut oder bekannt geworden ist; die kirchenrechtliche Einordnung ist unerheblich. Das Recht ist auch nicht auf die christlichen Kirchen oder andere öffentlich-rechtlich anerkannte Religionsgemeinschaften beschränkt.
- Mitglieder von Bundes- oder Landtages über gewisse (nicht alle) Tatsache;
- Verteidiger, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Steuerbevollmächtigte, vereidigte Buchprüfer, Ärzte, Zahnärzte, Apotheker sowie Psychotherapeuten und psychologische Psychotherapeuten über das, was ihnen in dieser jeweiligen Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist; für Notare gilt dabei eine Sonderregelung nach § 102 Abs. 4 AO, die sich aus den gesetzlich vorgeschriebenen Anzeigepflichten dieser Berufsgruppe ergeben. Bei den in § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO genannten Berufsgruppen ist eine Außenprüfung allerdings zulässig.
- Personen, die bei der Vorbereitung Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, soweit es sich um den redaktionellen Teil handelt. Hier schlägt sich das Grundrecht auf Pressefreiheit nieder. Nicht geschützt ist der Anzeigenteil einer Zeitung. Auch kann sich der jeweilige Journalist nicht auf § 102 AO hinsichtlich der Angaben zu etwaigen Bewirtungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG berufen. Auch ein Sammelauskunftsersuchen bei einer Zeitung kann zulässig sein.
Die für die Praxis sicherlich wichtigste Bestimmung ist dabei die des § 102 Abs. 1 Nr. 3 AO, da diese eine Vielzahl von Berufsgruppen betrifft. Diesen Personen stehen ihre Gehilfen und Auszubildenden gleich. Das Recht zur Auskunftsverweigerung bezieht sich nur auf solche Tatsachen, die der Verweigerungsberechtigte in Ausübung seiner beruflichen Stellung zur Kenntnis erlangt hat. Das Recht gilt deshalb nicht für solche Umstände, die er nur bei Gelegenheit beobachtet hat und die jeder andere Dritte auch hätte wahrnehmen können. Bei einer wirksamen Berufung auf § 102 AO besteht auch keine Pflicht zum Erscheinen zu einer Befragung.
Das Auskunftsverweigerungsrecht entfällt, wenn diese Personen von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit von ihrem Mandanten entbunden werden. Für § 102 AO ist eine Belehrung über das jeweiligen Auskunftsverweigerungsrecht im Gegensatz zu § 101 AO nicht vorgeschrieben. Im Gegensatz zu § 101 AO kommt es bei einem Verstoß gegen § 102 AO nicht zu einem Verwertungsverbot der Auskunft. Erteilt ein unter § 102 AO also freiwillig eine Auskunft, obwohl er zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen wäre, kann diese verwertet werden, auch wenn ein Verstoß gegen § 203 StGB vorliegt.