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Wie schon eingegrenzt wird ausschließlich die (laufende) Ertragsbesteuerung einer gewerblich tätigen Spitzeneinheit dargestellt, die Besteuerung von im Privatvermögen gehaltenen Auslandsbeteiligungen werden nicht betrachtet; zudem bleiben grenzüberschreitende Konstruktionen, die vorrangig Steuereinsparungen zum Ziel haben und regelmäßig Durchgriffs- oder Hinzurechnungsbesteuerung nach sich ziehen, außer Betracht. Da für die deutsche Spitzeneinheit zwei grundsätzliche Konstellationen zu betrachten sind – Spitzeneinheit in der Rechtsform des Einzelkaufmanns bzw. der (nicht haftungsbeschränkten) Personenhandelsgesellschaft einerseits und der Kapitalgesellschaft andererseits – kombiniert wiederum mit der Regelungssituation Deutschlands mit dem Sitzstaat der Auslandskapitalgesellschaft – Vorliegen oder Nicht-Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens – ergeben sich vier Fallunterscheidungen mit unterschiedlichen Besteuerungsfolgen der grenzüberschreitenden Ausschüttung (Dividende) der Auslandskapitalgesellschaft an die deutsche Spitzeneinheit. Abbildung 11 fasst diese in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Besteuerungsfolgen zusammen.
Abb. 11: Besteuerung der grenzüberschreitenden Ausschüttung (Dividende) der Auslandskapitalgeschaft an die deutsche Spitzeneinheit
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Abbildung 12 zeigt – aufbauend auf der Systematik von Abbildung 11 – beispielhaft einen (vereinfachten) Steuerbelastungsvergleich (keine Annexsteuern, keine Veranlagung) bzgl. der Dividendenzahlung einer Auslandskapitalgesellschaft an ihre deutsche gewerblich tätige Spitzeneinheit jeweils unterschiedlicher Rechtsformen und Regelungssituationen. Dabei wird von einem Gewinn vor Steuern im Ausland von (ggf. umgerechnet) 100 EUR ausgegangen, der im Ausland mit realistischen, aber ohne konkreten Bezug gewählten Ertragsteuer- und Quellensteuersätzen belastet wird. Der nach ausländischer Ertragsteuer verbleibende Gewinn wird zur Ausschüttung verwendet (= Bruttodividende) und fließt – nach Abzug der ausländischen Quellensteuer – der deutschen Spitzeneinheit zu (= Nettodividende). Die Bruttodividende wird aufgrund der angenommenen 100 %-Beteiligung
- beim Einzelkaufmann bzw. der (nicht haftungsbeschränkten) Personenhandelsgesellschaft einkommensteuerlich dem Teileinkünfteverfahren unterworfen (Annahme: persönlicher Durchschnittssteuersatz von 30 %) und gewerbesteuerlich vollständig freigestellt,
- bei der Kapitalgesellschaft körperschaftsteuerlich und gewerbesteuerlich zu 95 % freigestellt.
Von dem ausländischen Gewinn vor Steuern verbleiben danach auf der Ebene der Spitzeneinheit ("Thesaurierung" in der Spitzeneinheit):
- 70,16 %: Im DBA-Fall und der Kapitalgesellschaft als Spitzeneinheit fallen fast nur ausländische Ertrag- und Quellensteuer an (28,75 %), die deutsche Ertragsteuer addiert sich auf ca. 1,1 %;
- 51,41 %: Im entsprechenden Nicht-DBA-Fall fallen 37,5 % ausländische und 1,1 % inländische Steuer an;
- 50,25 %: Im DBA-Fall mit Einzelkaufmann/(nicht haftungsbeschränkter) Personenhandelsgesellschaft beträgt die ausländische Steuer 36,25 % und die inländisch 13,5 %;
- 39,00 %: Im entsprechenden Nicht-DBA-Fall fallen 47,5 % ausländische und 13,5 % inländische Steuer an.
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Allerdings ist dieser Vergleich unvollständig, da bei der Kapitalgesellschaft als Spitzeneinheit aufgrund der Thesaurierung die Besteuerung auf Gesellschaftsebene endet, während bei einkommensteuerpflichtigen Spitzeneinheiten infolge des Transparenzprinzips die Besteuerung auf Gesellschafterebene erfolgt; nimmt man ebenfalls natürliche Personen als Gesellschafter der Kapitalgesellschaft an, ergibt sich – nach Abzug der Abgeltungssteuer (ohne Annexsteuern) – ein wesentlich ausgeglicheneres Bild: Im DBA-Fall liegt die Kapitalgesellschaft (verbleibendes Einkommen: ca. 53 %) noch immer leicht vor der einkommensteuerpflichtigen Variante (verbleibendes Einkommen ca. 50 %), im Nicht-DBA-Fall liegen die beiden Alternativen fast gleichauf (verbleibendes Einkommen: ca. 39 %).
Abb. 12: Vergleich der Steuerbelastung der Dividendenzahlung einer Auslandskapitalgesellschaft an eine deutsche Spitzeneinheit für die vier Fallkonstellationen