Darstellung und Analyse der BVerfG-Entscheidung v. 28.11.2023
[Ohne Titel]
Vorsitzender RiFG Dipl.-Finw. Dr. Sascha Bleschick
Das BVerfG hat mit Beschluss v. 28.11.2023 – 2 BvL 8/13 entschieden, dass § 6 Abs. 5 S. 3 EStG insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt, als danach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern (WG) zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften (PersG) zum Buchwert ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, unverzüglich eine rückwirkende Neuregelung für Übertragungsvorgänge nach dem 31.12.2000 zu treffen. Bis dahin bleibt § 6 Abs. 5 S. 3 EStG mit der Maßgabe anwendbar, dass nach dem 31.12.2000 auch bei unentgeltlichen Übertragungen von WG zwischen beteiligungsidentischen PersG zwingend der Buchwert anzusetzen ist. Im Folgenden wird die Entscheidung des BVerfG dargestellt und analysiert.
I. Der zu entscheidende Fall
Die F1-KG übertrug im Jahr 2001 teilentgeltlich Grundstücke an die F2-KG, an der
- dieselben Gesellschafter wie an der F1-KG
- in jeweils gleicher Höhe beteiligt sind (= beteiligungsidentische Schwester-PersG).
Streitig ist, ob die stillen Reserven aufzudecken sind, soweit die Übertragung unentgeltlich erfolgte. Zwar erfasst § 6 Abs. 5 EStG viele Konstellationen, bei denen eine Buchwertfortführung beim Transfer von WG zwischen verschiedenen Betriebsvermögen (BV) möglich ist.
Gerade die hier streitige unmittelbare Übertragung von WG zwischen den BV beteiligungsidentischer Schwester-PersG ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht begünstigt (Vorinstanz: BFH v. 10.4.2013 – I R 80/12, EStB 2013, 403 [Luxem]).
II. Die Entscheidung des BVerfG
Das BVerfG hat geklärt, dass eine erweiternde Auslegung von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG zugunsten einer Buchwertfortführung bei WG-Transfers zwischen den BV beteiligungsidentischer Schwester-PersG nicht möglich ist. In der darin liegenden Benachteiligung beteiligungsidentischer Schwester-PersG liegt ein Verfassungsverstoß.
Damit ist eine in der Praxis seit langer Zeit – auch innerhalb des BFH – umstrittene Rechtsfrage nun vom BVerfG geklärt worden. Nach dem Leitsatz der Entscheidung des BVerfG hat die unentgeltliche Übertragung von WG zwischen beteiligungsidentischen Schwester-PersG bis zur Schaffung einer Neuregelung zwingend zu Buchwerten zu erfolgen.
1. Auffassung der Finanzverwaltung
Nach Auffassung des BMF sind Übertragungen eines einzelnen WG zwischen den Vermögen beteiligungsidentischer Schwester-PersG nicht zum Buchwert zulässig. Dies sei kein Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 2 EStG. Außerdem handele es sich hier nicht um eine Überführung i.S.d. § 6 Abs. 5 S. 1 EStG. Vielmehr sei wegen des Eigentumsübergangs auf die Schwester-PersG ein Rechtsträgerwechsel und mithin eine Übertragung gegeben.
2. Analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 S. 1 EStG (IV. Senat des BFH)
Dagegen griff nach dem IV. Senat des BFH bei Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Schwester-PersG die zwingende Buchwertfortführung. Denn in solchen Fällen komme es wegen der – hinter der (insoweit als transparent zu behandelnden) PersG stehenden – Mitunternehmer nicht zu einer personellen Neuzuordnung der stillen Reserven. Mithin sei eine Buchwertfortführung durch das Steuersubjektprinzip geboten.
3. Auslegung über Gesetzeswortlaut nicht möglich (I. Senat des BFH)
Demgegenüber vertrat der I. Senat des BFH, dass der erschöpfend formulierte § 6 Abs. 5 EStG keine Buchwertübertragung von WG zwischen beteiligungsidentischen Schwester-PersG zulasse. Aufgrund der abschließenden Regelung fehle es an der für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Aus demselben Grund scheitere eine verfassungskonforme Auslegung.
4. BVerfG klärt: Erweiternde Auslegung von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nicht möglich
Jetzt hat das BVerfG entschieden, dass eine erweiternde Auslegung von § 6 Abs. 5 S. 3 EStG nicht möglich ist. Auch das BVerfG sieht sich aufgrund des abschließenden Gesetzeswortlauts hier an einer Buchwertfortführung gehindert: Eine solche Analogie würde die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten.
Zwar vergleichbare Sachverhalte, ...: Zwar ist eine Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwester-PersG – wie auch vom IV. Senat des BFH angenommen – mit der nach § 6 Abs. 5 S. 1 EStG begünstigten Überführung zwischen dem BV desselben Steuerpflichtigen vergleichbar. Denn in diesen Fällen wird das Subjektsteuerprinzip nicht berührt, da stille Reserven den hinter den – transparent zu besteuernden – Schwester-PersG stehenden Mitunternehmern letztlich unverändert z...