Leitsatz
Zinsen aus Darlehen eines Steuerpflichtigen an eine ausländische Kapitalgesellschaft, an der er mittelbar zu mindestens 10 % beteiligt ist, sind gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der bis zur Änderung durch das Jahressteuergesetz 2020 geltenden Fassung aus dem Anwendungsbereich des gesonderten Tarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 1 EStG ausgeschlossen.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG 2011
Sachverhalt
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur ESt veranlagt. Im Streitjahr 2011 gewährte der Kläger mehrere Darlehen an eine niederländische Kapitalgesellschaft (B-BV), an der er über eine weitere niederländische Kapitalgesellschaft (A-BV) als Alleingesellschafter beteiligt war. Die hieraus erzielten Darlehenszinsen erklärten die Kläger in ihrer ESt-Erklärung als dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegende Kapitalerträge des Klägers i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Das FA veranlagte die Kläger zunächst erklärungsgemäß, erließ jedoch später einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten ESt-Bescheid, in dem es die Darlehenszinsen unter Hinweis auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG nunmehr als der tariflichen ESt unterliegende Kapitalerträge erfasste. Der gegen den Änderungsbescheid erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.
Die nachfolgend erhobene Klage wies das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.5.2021, 10 K 1362/18 E, Haufe-Index 14688690, EFG 2021, 1477) ab. Der Wortlaut des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG sei erfüllt, sodass der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG keine Anwendung finde. Gegen die Regelung bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision der Kläger als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG in der bis zum JStG 2020 geltenden Fassung gilt der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG u.a. nicht, wenn Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt ist. Dies gilt nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist.
a) Im Rahmen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG besteht keine Veranlassung für eine Gleichstellung unmittelbarer und mittelbarer Anteilseigner. Der Wortlaut der Vorschrift und der Umkehrschluss zu § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG, in dem die mittelbare Beteiligung ausdrücklich genannt ist, schließen ein gesetzgeberisches Redaktionsversehen aus (dazu BFH, Urteil vom 20.10.2016, VIII R 27/15, BFH/NV 2017, 781, BStBl II 2017, 441). Mittelbar beteiligte Gesellschafter als Gläubiger der Kapitalerträge fallen daher nicht unter § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 1 EStG.
b) Im Streitfall lagen jedoch die Voraussetzungen von § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG vor, da der Kläger als eine der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft nahestehende Person anzusehen war. Bei dem Begriff der nahestehenden Person in § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b Satz 2 EStG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der normspezifisch für Zwecke des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStGauszulegen ist. Ein Näheverhältnis des Gläubigers der Kapitalerträge zu einer Anteilseigner-Kapitalgesellschaft, die zu mindestens 10 % an der Schuldner-Kapitalgesellschaft beteiligt ist, liegt danach vor, wenn der Gläubiger aufgrund seiner Beteiligung über die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft verfügt. Er beherrscht dadurch die Einflussmöglichkeiten, die auf der Ebene der Anteilseigner-Kapitalgesellschaft aufgrund deren zumindest 10%iger Beteiligung an der Schuldner-Kapitalgesellschaft bestehen. So verhielt es sich auch im Streitfall. Der Kläger war im Streitjahr Alleingesellschafter der A-BV. Die A-BV war ihrerseits Alleingesellschafterin der B-BV, der der Kläger Darlehen gewährt hatte. Als Gläubiger der Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG beherrschte er damit die Einflussmöglichkeiten, die auf der Ebene der A-BV als Anteilseigner-Kapitalgesellschaft aufgrund deren 100%iger Beteiligung an der B-BV als Schuldner-Kapitalgesellschaft gegeben waren.
c) Der Umstand, dass die darlehensnehmende Schuldner-Kapitalgesellschaft weder über einen Sitz noch über eine Geschäftsleitung im Inland verfügt, steht der Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG nach seinem Wortlaut nicht entgegen. Das Tatbestandsmerkmal "Kapitalgesellschaft" lässt nicht auf ein rein nationales Verständnis der Norm schließen. Auch auf der Grundlage des erforderlichen Rechtstypenvergleichs steht eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts im Rahmen der Anwendung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG einer deutschen Kapitalgesellschaft gleich (vgl. dazu BFH,...