1. Zielbestimmung
Außergerichtlicher Verfahrensabschluss: Nachdem das angestrebte Ziel definiert ist, stehen Gespräche und Verhandlungen mit der Strafverfolgungsbehörde, regelmäßig mit der Straf- und Bußgeldsachenstelle des zuständigen Strafsachen-Finanzamts, im Mittelpunkt der Verteidigung. Für den erfolgreichen Abschluss dieser Verhandlungen ist die Kenntnis der Möglichkeiten und Rechtsfolgen eines außergerichtlichen Verfahrensabschlusses unentbehrlich.
Art der Verfahrenseinstellung: In der Praxis wird der Verteidiger bereits im Ermittlungsverfahren durch Verhandlungen mit der Straf- und Bußgeldsachenstelle eine Einstellung des Verfahrens anstreben, um das Verfahren im Interesse seines Mandanten möglichst diskret und möglichst zügig zum Abschluss zu bringen. Hierbei wird der Verteidiger – ausgehend von der besten Lösung (§ 170 Abs. 2 StPO) – zunächst prüfen, welche Art der Verfahrenseinstellung bei realistischer Einschätzung der Sachlage erreichbar erscheint.
Beraterhinweis Instrumentarien zur Herabstufung des strafrechtlichen Vorwurfs und zur Förderung des Verhandlungserfolgs sind z.B.
- das Herunterrechnen der strafrechtlich relevanten Steuern,
- der Hinweis auf die Reduzierung des effektiven Steuerschadens durch Auswirkungen auf andere Steuern,
- die Thematisierung von Vorsatzfragen,
- der Hinweis auf die erhöhten Beweisanforderungen im Strafverfahren (In-dubio-pro-reo-Grundsatz) und
- die Erörterung möglicher Verwertungsverbote,
- die Ankündigung von Beweisanträgen sowie
- die Diskussion von sonstigen steuerlichen oder strafrechtlichen Rechtsfragen.
2. Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO
Maximales Ziel einer außergerichtlichen Verfahrenserledigung ist die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO. Nach dieser Vorschrift stellt die Strafverfolgungsbehörde das Verfahren ein, wenn kein hinreichender Tatverdacht besteht. Ein hinreichender Tatverdacht besteht nicht, wenn aufgrund der Ermittlungen kein genügender Anlass zur Erhebung der Klage bzw. zur Beantragung eines Strafbefehls besteht, weil z.B. eine Verurteilung des Beschuldigten nicht mit der nötigen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist oder sich der Verdacht als unbegründet herausstellt. In der Praxis ist allerdings eine große Zurückhaltung der Straf- und Bußgeldsachenstellen zu verzeichnen, Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellen.
Ferner kommt es zu einer Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, wenn
- einer Verurteilung ein Verfahrenshindernis (z.B. Strafverfolgungsverjährung) entgegensteht,
- eine wirksame und damit strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO) erstattet wurde oder
- wenn dem Täter ein Rechtfertigungs- oder Schuldausschließungsgrund zur Seite stand.
Lediglich leichte Steuerverkürzung: Ist dem Beschuldigten nur eine Steuerordnungswidrigkeit (leichtfertige Steuerverkürzung, § 378 AO) anzulasten, kann ebenfalls eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO erfolgen. Allerdings kann die Straf- und Bußgeldsachenstelle in diesem Fall zum Bußgeldverfahren übergehen.
Beraterhinweis Die Zustimmung des Gerichts ist für eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO nicht erforderlich.
Eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO führt nicht zu einem Strafklageverbrauch. Das Ermittlungsverfahren kann jederzeit – unter Beachtung der Strafverfolgungsverjährung – wiederaufgenommen werden. Die Einstellungsverfügung begründet keinen Vertrauensschutz zugunsten des Beschuldigten (vgl. Moldenhauer in Karlsruher Kommentar zur StPO, 9. Aufl. 2023, § 170 Rz. 23). Aus diesem Grund kann es im Einzelfall überlegenswert sein, die Bemühungen um eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO zu beschränken und u.U. einer Einstellung nach § 153a StPO (gegen eine – geringe – Auflage) den Vorzug zu geben, da diese Einstellung zu einem Strafklageverbrauch führt (s. dazu unten unter II. 4.).
3. Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO
Nach § 153 Abs. 1 StPO kann ein Ermittlungsverfahren eingestellt werden, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.
Geringe Schuld: Die Anwendung des § 153 StPO setzt nicht voraus, dass die Schuld nachgewiesen ist. Es genügt vielmehr, dass für sie eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Die Schuld wäre als gering anzusehen, wenn sie im Vergleich mit Vergehen gleicher Art erheblich unter dem Durchschnitt liegt, so dass nur eine Strafe im untersten Bereich zu erwarten wäre (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 153 Rz. 4).
Kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung: Trotz (potentieller) geringer Schuld kann das öffentliche Interesse, z.B. bei häufig vorkommenden Delikten, wozu auch Steuerdelikte zählen, aus Gründen der Generalprävention zu bejahen sein (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 153 Rz. 7). Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung kann jedoch zu verneinen sein, wenn besondere Strafmilderungsgründe vorliegen, z.B. wenn die Tat bei ihrer Entdeckung lange zurückliegt (und gleichwohl noch nicht verjährt ist), oder bereits zu disziplinarrechtlichen oder beruflichen Nachteilen mit wirtschaftlichen Folgen geführt hat.
Zustimmung des...