Der Gesetzeszweck liegt darin, den existenznotwendigen außergewöhnlichen Lebensbedarf, der infolge ungewöhnlicher Umstände über dem regelmäßigen Lebensbedarf (Existenzminimum) liegt, den Steuerpflichtigen belastet und den er selbst endgültig tragen muss, steuermindernd zu berücksichtigen. Die steuerliche Entlastung tritt im Veranlagungszeitraum der Aufwendungen und damit auch bei Darlehensaufnahme bereits im Zeitpunkt der Verausgabung ein.[1] Die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen dem Grunde nach beschränkt sich i. d. R. auf Ausgaben des Steuerpflichtigen für sich selbst oder für seine Angehörigen.[2] Bei Aufwendungen für andere Personen ist die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen ausnahmsweise nur dann anzunehmen, wenn eine sittliche Pflicht besteht.[3]

Ziel des § 33 EStG ist es, solche zwangsläufigen Aufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in den allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG sind daher alle Aufwendungen ausgeschlossen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten ­sowie zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung gehören. Diese sind bereits i. H. d. Existenzminimums, insbesondere durch den Grundfreibetrag, Sonderausgabenabzug, Kinderfreibetrag oder Kindergeld abgegolten. Begünstigt sind lediglich Aufwendungen, soweit sie der Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein dienen.[4] Nicht unter § 33 EStG fallen folglich auch alle Aufwendungen, denen sich der Steuerpflichtige als Folge seiner frei getroffenen Entscheidungen zur individuellen Lebensgestaltung und Lebensführung entziehen kann.[5]

Neben den außergewöhnlichen Belastungen allgemeiner Art sind bestimmte, häufiger vorkommende Fälle vom Gesetzgeber in typisierender bzw. pauschalierender Weise geregelt.[6] Zu beachten ist, dass bei den außergewöhnlichen Belastungen in besonderen Fällen[7] eine zumutbare Belastung nicht zu berücksichtigen ist und die ­Außergewöhnlichkeit und Zwangsläufigkeit der Aufwendungen i. d. R. unterstellt werden. Daher ist vorrangig zu prüfen, ob die Voraussetzungen dieser Sondervorschriften[8] vorliegen.

Entgegen weit verbreiteter Meinung ist § 33 EStG keineswegs eine unbestimmte Generalklausel. In der langjährigen Rechtsprechung wurden vielmehr hinreichend konturierte Abgrenzungen entwickelt, die die Regelung handhabbar machen. Gleichwohl lassen die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 33 EStG, z. B. die Begriffe Aufwendungen, Belastung, außergewöhnlich, zwangsläufig, notwendig und angemessen, sehr unterschiedliche Wertungen zu. Deshalb hat sich eine in der Verwaltungspraxis und Rechtsprechung nur noch schwer übersehbare Kasuistik entwickelt.

1.1 Übersicht der Vorschriften

Rechtsgrundlage für den Abzug außergewöhnlicher Belastungen sind die § 33 EStG, § 33a EStG und § 33b EStG i. V. m. § 2 Abs. 4 EStG. Dabei regelt

  • § 33 EStG die außergewöhnlichen Belastungen allgemeiner Art,
  • § 33a EStG bestimmte Fälle besonders häufig vorkommender außergewöhnlicher Belastungen (Unterhaltsaufwendungen), die mit festen Frei- bzw. Höchstbeträgen pauschal und typisierend berücksichtigt werden,
  • § 33b EStG die Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen bei Menschen mit Behinderung, Hinterbliebenen und Pflegepersonen durch Pauschbeträge.

1.2 Rechtsanspruch

Die Entscheidung, ob eine außergewöhnliche Belastung anzuerkennen ist, ist eine Rechts- und keine Billigkeits- oder Ermessensentscheidung. Auf die Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen ­besteht daher ein Rechtsanspruch. Die Begriffe "Außergewöhnlichkeit", "Belastung", "Zwangsläufigkeit", "Notwendigkeit", "Angemessenheit", "sittliche Gründe" usw. sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die durch die Rechtsprechung definiert und konturiert sind und daher im Klageverfahren vom FG/BFH uneingeschränkt überprüft werden.

 
Praxis-Beispiel

In-vitro-Fertilisation

Ein Ehepaar will sich im Wege der künstlichen Befruchtung den Kinderwunsch erfüllen (In-vitro-Fertilisation), und zwar durch Verwendung von Spendersamen, da das Sperma des Ehemanns selbst nach ärztlicher Behandlung nicht geeignet ist (sog. heterologe künstliche Befruchtung). Das Ehepaar kann den Abzug der Aufwendungen des ärztlichen Eingriffs als außergewöhnliche Belastung beanspruchen[1] und im Klageweg durchsetzen.[2] Ein einzelnes Finanzamt darf hiervon nicht deshalb abweichen, weil nach seinem eigenen "Ermessen" die Zwangsläufigkeit aus ethischen Gründen zu verneinen sei. Denn die Entscheidung, ob Zwangsläufigkeit der Aufwendungen gegeben ist, ist eine Rechts-, keine Ermessens- und schon gar nicht eine Billigkeitsentscheidung.

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