Leitsatz
Bei Zusammentreffen von außerordentlichen Einkünften mit Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, ist die additive Methode anzuwenden. Danach sind die Vorschriften der §§ 34, 32b EStG zunächst getrennt anzuwenden und die jeweiligen steuererhöhenden und steuerermäßigenden Wirkungen anschließend auszugleichen.
Sachverhalt
Streitig ist die Berechnung der tariflichen Einkommensteuer beim Zusammentreffen von außerordentlichen Einkünften i. S. des § 34 Abs. 2 EStG mit dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften i. S. des § 32b Abs. 1 EStG für das Jahr 2000. Das Finanzamt berücksichtigte unter Hinweis auf H 34.2 EStR 2005 bei der Ermittlung des ermäßigten Steuersatzes die vollen dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte. Nach Auffassung des Klägers hätten diese jedoch nur mit jeweils einem Fünftel berücksichtigt werden dürfen, was zu einer erheblich niedrigeren Einkommensteuer führt.
Entscheidung
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, wie die Einbeziehung des Progressionsanstiegs in die Ermittlung des Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG rechnerisch vorzunehmen ist (Schmidt/Glanegger/Seeger, EStG, 25. Auflage, 2006, § 34 Rn. 57). Nach Auffassung des FG ist die Berechnungsmethode der Finanzverwaltung (H 34.2 EStR 2005) abzulehnen, da sie - wie im Streitfall - zu Ergebnissen führt, die dem Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 32b,34 EStG widersprechen. Im Streitfall wäre die Steuer niedriger, wenn die Einkünfte und Leistungen i. S. des § 32b Abs. 1 EStG nicht steuerfrei, sondern steuerpflichtig wären. Das FG folgt der in der Literatur vorgeschlagenen Regelung, die Vorschriften der §§ 34, 32b EStG zunächst getrennt anzuwenden und die jeweiligen steuererhöhenden und steuerermäßigenden Wirkungen anschließend auszugleichen (sog. Additive Methode, Siegel/Korezkij, DStR 2005, 577 mwN).
Hinweis
Die wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage zugelassene Revision wurde eingelegt und wird beim BFH unter dem Az. IX R 87/07 geführt. Die Entscheidung des XI. Senates des BFH ist auch deshalb von besonderem Interesse, weil die Finanzverwaltung in H 34.2 Beispiel 4 der EStR 2006 geregelt hat, dass die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nur insoweit bei der Ermittlung des ermäßigten Steuersatzes zu berücksichtigen sind, als diese das "negative verbleibende zu versteuernde Einkommen" übersteigen und der VI. Senat des BFH sich im Urteil v. 17.1.2008 - VI R 44/07 - dieser Auffassung angeschlossen hat. Für die Summe aus übersteigendem Betrag und einem Fünftel des zu versteuernden Einkommens (z.v.E.) wird der ermäßigte Steuersatz berechnet und dieser auf ein Fünftel des z.v.E. angewandt. Der so ermittelte Betrag wird dann mit 5 multipliziert. Da im Streitfall das negative verbleibende z.v.E. höher war als die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte, wären diese bei der Ermittlung des Steuersatzes nicht anzusetzen.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.03.2007, 8 K 172/03