Der Umfang der Aussetzung richtet sich zunächst nach dem Umfang des Rechtsbehelfs, aber auch nach dem Umfang der ernstlichen Zweifel oder der unbilligen Härte. Deshalb ist auch eine teilweise Aussetzung der Vollziehung möglich. Die Höhe der auszusetzenden Steuer ist in jedem Fall zu berechnen; eine pauschale Bestimmung (z. B. ausgesetzte Steuer = Abschlusszahlung) ist nicht vorzunehmen.[1]

Ist der angefochtene Bescheid zum Zeitpunkt der Antragstellung oder vor Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bereits vollzogen, z. B. die strittige Steuer bereits bezahlt, kommt unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der Aussetzung der Vollziehung auch eine Aufhebung der Vollziehung in Betracht. Die Aufhebung der Vollziehung bewirkt die Rückgängigmachung bereits durchgeführter Vollziehungsmaßnahmen. Dies gilt auch, soweit eine Steuer "freiwillig", d. h. abgesehen vom Leistungsgebot, ohne besondere Einwirkungen der Finanzbehörde (wie Mahnung, Postnachnahme, Beitreibungsmaßnahmen) entrichtet worden ist. Durch die Aufhebung der Vollziehung erhält der Steuerpflichtige einen Erstattungsanspruch i. S. d. § 37 Abs. 2 AO i. H. d. Aufhebungsbetrags, da der rechtliche Grund für die Zahlung nachträglich weggefallen ist.

Bei der Aufhebung der Vollziehung ist zu bestimmen, ob die Aufhebung rückwirkend erfolgen soll oder nicht. Für die Beurteilung dieser Frage ist maßgeblich, ab welchem Zeitpunkt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids erkennbar vorlagen. Durch rückwirkende Aufhebung der Vollziehung entfallen bereits entstandene Säumniszuschläge. Vollstreckungsmaßnahmen bleiben bestehen, soweit nicht ihre Aufhebung ausdrücklich angeordnet oder die Rückwirkung der Aufhebung der Vollziehung verfügt worden ist.[2]

Durch Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung kann nicht die Erstattung von festgesetzten Vorauszahlungs- und anzurechnenden Steuerabzugsbeträgen, also von Vorleistungen (Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer), erreicht werden[3], es sei denn, dass wesentliche Nachteile drohen.[4]

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1
Keine Aussetzung möglich

 
Festgesetzte Steuer 15.000 EUR
Steuerabzugsbeträge und festgesetzte Vorauszahlungen 17.000 EUR
Erstattungsbetrag 2.000 EUR
Streitbefangene Steuer 5.000 EUR

Eine Aussetzung der Vollziehung ist nicht möglich.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 2
Aussetzung möglich

 
Festgesetzte Steuer 15.000 EUR
Steuerabzugsbeträge (und festgesetzte Vorauszahlungen) 8.000 EUR
Abschlusszahlung 7.000 EUR
Streitbefangene Steuer 5.000 EUR

Die Vollziehung ist i. H. v. 5.000 EUR auszusetzen. Ist die Abschlusszahlung bereits entrichtet, ist die Vollziehung i. H. v. 5.000 EUR aufzuheben.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 3
Teilweise Aussetzung

 
Festgesetzte Steuer 15.000 EUR
Steuerabzugsbeträge (und festgesetzte Vorauszahlungen) 12.000 EUR
Abschlusszahlung 3.000 EUR
Streitbefangene Steuer 5.000 EUR

Die Vollziehung ist nur i. H. v. 3.000 EUR auszusetzen. Ist auch die Abschlusszahlung bereits entrichtet, ist die Vollziehung i. H. v. 3.000 EUR aufzuheben. Eine Erstattung der Steuerabzugsbeträge i. H. v. 2.000 EUR (restliche streitbefangene Steuer) kann nicht erreicht werden, es sei denn, es drohen wesentliche Nachteile (s. unten).

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 4
Teilweise Aussetzung nach Änderungsbescheid

Nach einem Erstbescheid (festgesetzte Steuer 15.000 EUR, Abzugsbeträge bzw. entrichtete Vorauszahlungen 17.000 EUR) ergeht ein Änderungsbescheid:

 
Festgesetzte Steuer nunmehr 16.000 EUR
Steuerabzugsbeträge (und festgesetzte Vorauszahlungen) 17.000 EUR
Neuer Erstattungsbetrag 1.000 EUR
Rückforderung der nach dem Erstbescheid geleisteten Erstattung 1.000 EUR
Streitbefangene Steuer 5.000 EUR

Der Änderungsbescheid kann i. H. v. 1.000 EUR in der Vollziehung ausgesetzt werden.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 5
Aussetzung nach Änderungsbescheid

Nach einem Erstbescheid (festgesetzte Steuer 15.000 EUR, Steuerabzugsbeträge und festgesetzte Vorauszahlungen 17.000 EUR) ergeht ein Änderungsbescheid:

 
Festgesetzte Steuer nunmehr 18.000 EUR
Steuerabzugsbeträge (und evtl. entrichtete Vorauszahlungen) 17.000 EUR
Abschlusszahlung neu 1.000 EUR
Leistungsgebot über (Abschlusszahlung 1.000 EUR zzgl. der nach dem Erstbescheid geleisteten Erstattung 2.000 EUR) 3.000 EUR
Streitbefangene Steuer 5.000 EUR

Der Änderungsbescheid kann i. H. v. 3.000 EUR in der Vollziehung ausgesetzt werden.

Hinsichtlich der in den 5 Beispielen erwähnten Vorauszahlungen spielt es keine Rolle, ob diese auch entrichtet wurden. Dem Gesetzeswortlaut zufolge kommt es nur auf die "festgesetzten" Vorauszahlungen an.[5] Andernfalls würde dies denjenigen benachteiligen, der seine Vorauszahlungspflicht erfüllt hat.

"Wesentliche Nachteile drohen", wenn durch die Versagung der Vollziehungsaussetzung bzw. Vollziehungsaufhebung unmittelbar und ausschließlich die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen bedroht würde. Es sollen hier die von der Rechtsprechung zur einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO entwickelten Grundsätze herangezogen werden.[6] Keine "wesentlich...

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