Der Steuerpflichtige kann gem. § 69 Abs. 3 FGO auch schon im Einspruchsverfahren (alternativ) Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht stellen, jedoch mit der Einschränkung in § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO, dass der Antrag an das Gericht grundsätzlich erst zulässig ist, wenn das Finanzamt einen Antrag ganz oder teilweise abgelehnt hat. Eine teilweise Antragsablehnung i. S. d. Vorschrift liegt auch vor, wenn die Finanzbehörde die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat, nicht aber, wenn eine im Übrigen antragsgemäße Aussetzung der Vollziehung unter Widerrufsvorbehalt gewährt wurde. Dies gilt unabhängig davon, aus welchen Gründen die Ablehnung erfolgt ist, also auch dann, wenn das Finanzamt einen bei ihm gestellten Antrag mangels Begründung durch den Antragsteller ohne weitere Sachprüfung abgelehnt hat. Eine vorherige Antragstellung bei der Behörde ist nur dann nicht erforderlich, wenn entweder die Finanzbehörde über den Antrag gem. § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO ohne Mitteilung eines zureichenden Grunds in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder eine Vollstreckung droht. Eine allgemeingültige Frist lässt sich nicht nennen. Was als angemessene Frist anzusehen ist, hängt vom Einzelfall ab.
Bei diesen Voraussetzungen für die Anrufung des Gerichts handelt es sich um sog. Zugangsvoraussetzungen, d. h., sie müssen bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Gericht vorliegen; ein nachträgliches Eintreten einer Zulassungsvoraussetzung ist unerheblich. In einem solchen Fall muss ein neuer Antrag beim Gericht gestellt werden. Der unzulässige Antrag sollte zurückgenommen werden. Hat der Steuerpflichtige zunächst gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch die Behörde erfolglos Einspruch eingelegt, kann er nach Erhalt der Einspruchsentscheidung immer noch Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO stellen.
Beispiel 1
Antrag nach Abweisung der AdV durch Finanzamt
Das Finanzamt hat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für das Einspruchsverfahren abgewiesen. Der Steuerpflichtige hat nun die Wahl:
- Er kann statt des Einspruchs Antrag zum Gericht stellen (ohne Frist),
- er kann Einspruch einlegen und (gleichzeitig oder auch später noch) Antrag zum Gericht stellen.
Das Finanzamt hat bereits einen Antrag abgelehnt. In diesem Fall stellt sich die Ermessensfrage, ob nun zuerst das Finanzamt über den Einspruch oder das Finanzgericht über den Antrag entscheidet.
Beispiel 2
Unzulässiger Antrag auf AdV zum Gericht
Ein Steuerpflichtiger hat Einspruch gegen einen Steuerbescheid eingelegt. Er stellt sofort den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zum Gericht. Dieser Antrag ist unzulässig, es sei denn, es liegt eine der beiden Ausnahmevoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 2 FGO vor. Ist dies nicht der Fall, droht also z. B. auch noch keine Vollstreckung, weist das Finanzgericht den Antrag als unzulässig zurück. Der unzulässige Antrag zum Gericht wird nicht nachträglich dadurch zulässig, dass die Voraussetzung für einen Antrag an das Gericht nachträglich eintritt, also z. B. nunmehr die Vollstreckung droht oder gar begonnen hat. Der Steuerpflichtige müsste dann einen neuen Antrag zum Gericht stellen. Kommt es dazu nicht, weil das Finanzamt die Vollziehung aussetzt, erledigt sich dadurch das unzulässige Aussetzungsverfahren beim Gericht nicht. Nimmt der Steuerpflichtige seinen Antrag zum Gericht nicht zurück, weist das Gericht den Antrag als unzulässig zurück. Im Übrigen lässt die Rücknahme des Antrags die durch den Antrag entstandenen Gerichtskosten nicht entfallen.
Die "Vollstreckung droht" erst, wenn das Finanzamt konkrete Vorbereitungshandlungen für die Durchführung der Vollstreckung getroffen hat und aus der Sicht eines objektiven Betrachters die Vollstreckung zeitlich so unmittelbar bevorsteht, dass es dem Steuerpflichtigen nicht zuzumuten ist, zunächst beim Finanzamt statt unmittelbar bei Gericht die Aussetzung der Vollziehung zu beantragen. Dies ist allein bei einer Vollstreckungsankündigung grundsätzlich noch nicht anzunehmen, insbesondere dann, wenn sie routinemäßig erfolgt. Teilt das Finanzamt dem Steuerpflichtigen mit der Einspruchsentscheidung ausdrücklich mit, dass die Aussetzung der Vollziehung der streitigen Steuern zu einem bestimmten Zeitpunkt endet, und stellt der Steuerpflichtige danach keinen außergerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung oder kündigt er einen solchen nicht an, ist eine Vollstreckungsankündigung des Finanzamts die notwendige Konsequenz der mit der Einspruchsentscheidung erfolgten Beendigung der Aussetzung der Vollziehung und damit eine Routinemaßnahme. Für den Steuerpflichtigen ist es i. d. R. kaum erkennbar, wann solche konkreten Vorbereitungshandlungen beim Finanzamt getroffen sind. Ein Anruf bei der Vollstreckungsstelle kann vielleicht helfen. Die Finanzgerichte tendieren jedenfalls offenbar dahin, die Voraussetzungen für den Zugang zum Geri...