OFD Karlsruhe, Verfügung v. 1.6.2010, S 0623/2
1. Allgemeines
Das FA kann die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen (§ 361 Abs. 2 Satz 5 AO; § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO). Die Entscheidung hierüber ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (s. AEAO zu § 361, Nr. 9.2).
Eine Sicherheitsleistung ist geboten, wenn die wirtschaftliche Lage des Steuerpflichtigen die Steuerforderung als gefährdet erscheinen lässt (BFH-Beschlüsse vom 8.3.1967, BStBl 1967 III S. 294 , und vom 22.6.1967, BStBl 1967 III S. 512). Ob einerseits ein Sicherungsbedürfnis seitens des Finanzamts vorliegt und andererseits dem Steuerpflichtigen die Erbringung einer Sicherheitsleistung möglich und zumutbar ist, kann nur anhand der konkreten Gesamtumstände des Einzelfalles beurteilt werden. Allein die Höhe der Steuerforderung, ohne dass weitere tatsächliche Anhaltspunkte hinzutreten, begründet noch keine Gefährdung des Steueranspruchs (BFH-Beschluss vom 10.10.2002, BFH/NV 2003 S. 12). Gleiches gilt für eine voraussichtlich längere Verfahrensdauer (BFH-Beschluss vom 7.5.2008, BFH/NV 2008 S. 1498).
2. Prüfung der Sicherungsbedürftigkeit
Fehlende Sicherheiten in Verbindung mit mehrjährigen Rechtsbehelfsverfahren führen nicht selten zu erheblichen Steuerausfällen. Andererseits ist eine sorgfältige Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit einer Sicherheitsleistung meist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden.
Um beiden Gesichtspunkten gleichermaßen gerecht zu werden, wird folgende Einteilung empfohlen:
- Aussetzungsbetrag bis 5.000 EUR
Aus verwaltungsökonomischen Gründen kann bei kleinen Aussetzungsbeträgen bis 5.000 EUR in der Regel auf eine Sicherheitsleistung verzichtet werden.
- Aussetzungsbetrag von 5.001 EUR bis 50.000 EUR
Die Frage, ob ein Sicherungsbedürfnis besteht, sollte zumindest anhand der Steuerakten und ggf. sonstigen Unterlagen, sowie des bisherigen Zahlungsverhaltens überschlägig geprüft werden (Art und Höhe des Einkommens, Bilanzen, Grundvermögen etc. sowie O-Abfrage und ggf. telefonische Rücksprache bei der Vollstreckungsstelle).
- Aussetzungsbetrag über 50.000 EUR
Bei Aussetzungsbeträgen über 50.000 EUR ist das Sicherungsbedürfnis des Finanzamts anhand der Steuerakten sowie des bisherigen Zahlungsverhaltens eingehend zu prüfen.
Bestehen nach Aktenlage Zweifel an der künftigen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen können die (aktuellen) Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen auch mit dem Vordruck S 1 – 40 (Erklärung über die aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Antrag aus Stundung und Erlass) ermittelt werden. Auf der Grundlage der hierbei gewonnenen Erkenntnisse ist zu entscheiden, ob die Aussetzung der Vollziehung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann.
Lassen sich die Zweifel an der künftigen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen nicht ausräumen oder bestehen andere Gründe, die die Vollstreckung später erschweren könnten, ist eine Sicherheitsleistung zu verlangen. Ein Verzicht kommt (nur) in Betracht, wenn der Steuerpflichtige trotz zumutbarer Anstrengung keine Sicherheit erbringen kann oder wenn (ausnahmsweise) mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu rechnen ist.
Wird eine Sicherheitsleistung bei Aussetzungsbeträgen über 50.000 EUR nicht für erforderlich gehalten, ist (auch) diese Entscheidung, unter Angabe der Gründe, aktenkundig zu machen.
3. Art und Umfang der Sicherheitsleistung
Art und Umfang der Sicherheiten richtet sich nach den §§ 241 ff. AO.
Viele Steuerpflichtige sind nicht in der Lage, „erstklassige” Sicherheiten im Sinne des § 241 AO (erstrangige Grundschuld, Bankbürgschaft etc.) in voller Höhe des AdV-Betrags zu erbringen. Dies sollte aber nicht dazu führen, auf eine Sicherheitsleistung gänzlich zu verzichten, da meist gerade bei diesen „unsicheren” Fällen ein erhebliches fiskalisches Interesse an einer Absicherung des Anspruchs gegeben ist. In diesen Fällen sollte wenigstens eine Sicherheitsleistung für einen Teilbetrag oder eine „weniger gute” Sicherheitsleistung angestrebt werden (z.B. nachrangige Grundschulden, Abtretung von Ansprüchen aus Lebensversicherungsverträgen, Forderungsabtretungen etc.). Auch ein zeitlicher Stufenplan zur Erbringung von Sicherheiten ist denkbar, wenn eine sofortige Sicherung nicht zumutbar ist.
Hat das FA die Gefährdung des Steueranspruchs dargelegt, ist es Sache des Antragstellers, Umstände darzulegen und glaubhaft zu machen, die eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung rechtfertigen (BFH-Beschluss vom 4.2.1998, BFH/NV 1998 S. 987).
4. Verfahren
Kommt nach sorgfältiger Ausübung des Ermessens die Gewährung von Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung in Betracht, ist es im Allgemeinen zweckmäßig, den Steuerpflichtigen zunächst unter Angabe der Gründe hierauf hinzuweisen. Wird daraufhin ausreichend Sicherheit geleistet, kann der Verwaltungsakt über die Aussetzung der Vollziehung erlassen werden. Darin ist auszuführen, dass di...