Leitsatz

1. Gegenforderungen darf das HZA jedenfalls dann nicht gegen festgesetzte Ausfuhrerstattung aufrechnen, wenn sie konstitutiv durch Bescheid festgesetzt werden und die Vollziehung dieses Bescheids ausgesetzt worden ist.

2. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Revision gegen ein Leistungsurteil ist auch dann noch gegeben, wenn die klageweise geltend gemachte Leistung zum Zweck der Abwendung der Zwangsvollstreckung unter Vorbehalt des Rechtsstandpunkts des Schuldners erbracht worden ist.

 

Normenkette

§ 218 Abs. 1 AO , § 226 AO , § 10 Abs. 1 und 3 MOG , § 80 Abs. 1 VwGO , § 69 FGO , Art. 11 Abs. 3 VO (EWG) Nr. 3665/87 , Art. 52 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 800/99

 

Sachverhalt

Streitig war die Auszahlung durch Bescheide des HZA festgesetzter Ausfuhrerstattung. Das HZA hatte sich zunächst geweigert, den Erstattungsbetrag auszuzahlen, dann aber doch (während des Revisionsverfahrens) gezahlt. Es hatte sich auf einen gegen die Klägerin erlassenen Rückforderungsbescheid über Ausfuhrerstattung und seine hierzu erklärte Aufrechnung berufen. Die Klägerin meinte, die Aufrechnung sei unzulässig gewesen, nachdem das FG die Aussetzung der Vollziehung des Rückforderungsbescheids angeordnet habe.

 

Entscheidung

Der BFH hat der Klägerin Recht gegeben.

Die Auszahlung des strittigen Betrags habe die Klage nicht erledigt, und zwar zumindest deshalb nicht, weil sie ausdrücklich unter Vorbehalt des Rechtsstandpunkts, nicht (mehr) zur Zahlung verpflichtet zu sein, erfolgt sei und nur die Vollstreckung aus dem FG-Urteil habe abwenden sollen.

In dem Rückforderungsbescheid des HZA liege die Aufhebung des Ausfuhrerstattungsbescheids. Ohne dessen Aufhebung könne das HZA auch gar nichts zurückfordern. Die Aufrechnungserklärung des HZA mache von diesem Regelungsgehalt des Rückforderungsbescheids Gebrauch. Das aber sei nach Aussetzung der Vollziehung des Bescheids unzulässig.

 

Hinweis

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat in zwei (allerdings schon älteren) Entscheidungen die Auffassung vertreten, eine Behörde dürfe seine Forderung auch dann gegen eine Forderung des Bürgers an die Behörde aufrechnen, wenn gegen den betreffenden Bescheid ein Rechtsbehelf mit aufschiebender Wirkung (§ 80 Abs. 2 VwGO) eingelegt worden ist. Der aufschiebenden Wirkung im allgemeinen Verwaltungsprozessrecht entspricht funktional, aber auch weitgehend in der prozessualen Ausgestaltung die Aussetzung der Vollziehung der FGO und AO.

Gleichwohl ist der VII. Senat des BFH für Steuerverwaltungsakte dem BVerwG nicht gefolgt und hat schon vor Jahren erkannt, mit der durch einen in der Vollziehung ausgesetzten Steuerbescheid festgesetzten (Steuer-)Forderung könne das FA nicht wirksam aufrechnen.

Der BFH hat jetzt diese Rechtsprechung fortgeführt. Er hält eine Aufrechnung immer dann für unwirksam, wenn die betreffende Forderung durch Bescheid (Verwaltungsakt) festgesetzt werden musste, dieser also die Forderung erst formell-rechtlich wirksam zum Entstehen brachte.

Der BFH würde also möglicherweise mit dem BVerwG zulassen, dass Forderungen, die nicht festgesetzt werden müssen, die aber tatsächlich festgesetzt worden sind (z.B. um eine Vollstreckungsgrundlage zu schaffen), aufgerechnet werden, auch wenn der Bescheid in der Vollziehung ausgesetzt worden ist.

2. Dass die Aufrechnung einer Finanzbehörde rechtsgeschäftliche Willenserklärung und kein Verwaltungsakt ist, steht für den BFH schon seit langem fest. Eine Aufrechnungserklärung kann und muss folglich nicht angefochten werden. Die Unwirksamkeit der Aufrechnung oder ein Aufrechnungsverbot kann vielmehr im Abrechnungsverfahren (§ 218 Abs. 2 AO) geltend gemacht werden.

3. Ergeht eine Aufrechnung dennoch als Verwaltungsakt (Auslegungsfrage im Einzelfall; die Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung ist eines der Indizien), kann dieser freilich angefochten werden. Wird er von der Behörde aufgehoben, so verliert damit jedoch im Zweifel die in dem Verwaltungsakt eingeschlossene rechtsgeschäftliche Erklärung nicht ihre Wirksamkeit.

4. Ausfuhrerstattungen im Rahmen einer landwirtschaftlichen Marktordnung der EG werden durch Verwaltungsakt festgesetzt und wurden bisher ggf. dadurch (nach dem MOG) zurückgefordert, dass dieser gewährende Verwaltungsakt aufgehoben und die Rückforderung durch Verwaltungsakt vorgenommen wurde. Ob sich an der Notwendigkeit, ggf. in dem Rückforderungsbescheid den Ausfuhrerstattungsbescheid aufzuheben, etwas geändert hat, nachdem das EG-Recht in Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 bzw. jetzt Art. 52 Abs. 1 VO Nr. 800/1999 (abschließende?) Regelungen über die Rückforderung enthält, muss noch geklärt werden (die Bestimmungen waren im Streitfall noch nicht anwendbar). Nähme man eine solche Rechtsänderung an, hätte dies nach dem zu 1. am Ende Gesagten Auswirkungen auf die Aufrechnungsmöglichkeiten des FA.

Bei der Nachforderung von Zoll (Art. 220 ZK) wird allgemein davon ausgegangen, dass der ursprüngliche Zollbescheid nicht aufgehoben oder geändert werden muss; der Nacherhebungsbescheid tritt vielmehr gleichsam neben ihn (anders als z.B. be...

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