Leitsatz
1. Das Klageverfahren ist analog § 74 FGO auszusetzen, wenn während der Anhängigkeit des finanzgerichtlichen Rechtsstreits über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung ein geänderter Feststellungsbescheid ergeht und der Adressat dieses Bescheids Einspruch einlegt; dies gilt selbst dann, wenn der Änderungsbescheid (hier: Ergänzungsbescheid) zwar einen anderen Regelungsgegenstand (Streitgegenstand) betrifft, dessen außergerichtliche oder gerichtliche Überprüfung jedoch Auswirkungen auf das anhängige Klageverfahren haben kann.
2. Zur Abgrenzung von entgeltlicher und unentgeltlicher Übertragung von Kapitalgesellschaftsanteilen.
Normenkette
§ 68, § 74 FGO, § 42, § 179, § 180 AO, § 5 Abs. 3 S. 2 UmwStG 1996
Sachverhalt
Im Rahmen einer Umstrukturierung des Unternehmens veräußerten die Gesellschafter einer X-GmbH, die nach damaligen Verhältnissen alle nicht wesentlich i.S.d. § 17 EStG beteiligt waren, ihre Anteile an eine Zwischenholding, die beteiligungsidentische Z-GmbH. Zur Zahlung eines Kaufpreises durch die Z-GmbH kam es nicht. Vielmehr legten die Anteilseigner ihre Kaufpreisforderungen in eine Kapitalrücklage der Z-GmbH ein. Später wurde die X-GmbH in eine KG (X-KG) umgewandelt. Der durch den Formwechsel entstehende Übernahmeverlust führte nach der für das Streitjahr 1996 geltenden Rechtslage u.a. zur Aktivierung eines Firmenwerts in Ergänzungsbilanzen der X-KG. Die Abschreibungen darauf erkannte das FA bei Erlass des Gewinnfeststellungsbescheids nicht an, weil es die Einschaltung der Holding für missbräuchlich hielt.
Während des Verfahrens über die dagegen von der KG erhobene Klage erging ein Ergänzungsbescheid, in dem für die Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen aus dem Formwechsel nach § 7 UmwStG a.F. festgestellt wurden. Hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb wiederholte der Ergänzungsbescheid die Feststellungen aus dem angefochtenen erstmaligen Bescheid. Einige Gesellschafter und die KG erhoben Einspruch gegen den Ergänzungsbescheid. Das Verfahren wurde bis zur Entscheidung über die Klage zum Ruhen gebracht.
Das FG gab der Klage statt (FG Münster, Urteil vom 25.10.2006, 1 K 538/03, Haufe-Index 1683298, EFG 2007, 722).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und verwies das Verfahren zurück. Das FG habe einerseits die Beiladung der Gesellschafter versäumt, die von der Anerkennung eines Übernahmeverlusts persönlich betroffen und deshalb klagebefugt seien. Andererseits sei nicht berücksichtigt worden, dass das Verfahren bis zur Klärung des Streits über den Ergänzungsbescheid hätte ausgesetzt werden müssen.
Hinweis
1. Tragende Erwägungen enthält das Urteil nur in Bezug auf verfahrensrechtliche Fragen.
a) Da nach früherer Rechtslage im Fall des Formwechsels von einer Kapital- zu einer Personengesellschaft ein Übernahmeverlust zur Aufstockung von Buchwerten in Ergänzungsbilanzen führen konnte (§ 4 Abs. 6 UmwStG 1996), waren die Gesellschafter von einem Rechtsstreit über die Anerkennung der Aufstockung in eigener Person betroffen. Sie waren deshalb nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGOselbst klagebefugt und mussten folglich zu einer Klage der Gesellschaft nach § 60 Abs. 3 FGOnotwendig beigeladen werden.
b) Wird während des Klageverfahrens der angefochtene Bescheid geändert, wird der Änderungsbescheid nach § 68 FGOGegenstand des Klageverfahrens. Ein Einspruch gegen den Änderungsbescheid wäre unzulässig.
Schwierigkeiten entstehen gelegentlich bei Beurteilung der Frage, ob der angefochtene Bescheid durch den neuen Bescheid überhaupt geändert oder ersetzt wird.
Hier handelte es sich bei dem neuen Bescheid um einen Ergänzungsbescheid i.S.d. § 179 Abs. 3 AO, der grundsätzlich den Ausgangsbescheid unberührt lässt. Die Besonderheit bestand aber darin, dass der Ergänzungsbescheid teilweise Feststellungen des Ausgangsbescheids wiederholte. In einem solchen Fall wird der Ergänzungsbescheid nur mit dem wiederholenden Teil Gegenstand des Verfahrens. Weil der ergänzende Teil aber in engem sachlichen Zusammenhang mit dem im Klageverfahren angefochtenen wiederholenden Teil stand, musste das Klageverfahren nach Meinung des BFH analog § 74 FGOausgesetzt werden, bis über einen Einspruch gegen den Ergänzungsbescheid entschieden ist.
2. Die Ausführungen des BFH zum materiellen Recht sind nicht bindend, sondern nur eine Empfehlung für das FG. Die Anwendung des § 42 AO auf die zivilrechtlich tatsächlich durchgeführte Zwischenschaltung einer Holding hält der BFH für nicht zutreffend. Bei der Ermittlung des Übernahmegewinns sei für die Einlagefiktion des § 5 Abs. 3 UmwStG 1996 nicht auf den Buchwert, sondern die historischen Anschaffungskosten abzustellen, wenn die Anteile in den letzten fünf Jahren vor dem Stichtag eingelegt worden seien. Hier beurteilt der BFH den Erwerb der Anteile durch die Holding nicht als Anschaffung, sondern als verdeckte Sacheinlage der Anteile, weil der Kaufpreis nicht gezahlt, sondern die Kaufpreisforderung sogleich in die Holding eingelegt wurde.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.05...