Leitsatz
1. Die als Mitunternehmerschaft anzusehende ausländische Personengesellschaft wird für Zwecke der Ermittlung der steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte als "fiktive" Normadressatin des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG behandelt; ein danach ggf. bestehendes Gewinnermittlungswahlrecht ist von ihr selbst, nicht von ihren inländischen Gesellschaftern auszuüben.
2. In diesem Fall ist das (materielle) Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ausgeschlossen, wenn nach ausländischen gesetzlichen Vorschriften eine Buchführungs- und Bilanzierungspflicht besteht.
3. Das Eingreifen der Sperrwirkung setzt nicht voraus, dass die ausländischen gesetzlichen Pflichten mit den deutschen funktions- und informationsgleich sind.
Normenkette
§ 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG, § 140, § 141, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 5 Nr. 1 AO, Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 DBA-LUX 1958, § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b, § 155 Satz 1 FGO, § 242 Abs. 1 HGB, § 293, § 560 ZPO
Sachverhalt
An einer luxemburgischen und der deutschen GmbH & Co. KG ähnlichen Personengesellschaft (im Urteil C genannt) waren neben einer luxemburgischen Kapitalgesellschaft als Komplementärin zwei deutsche GbR als beschränkt haftende Gesellschafterinnen beteiligt. Die C betrieb einen Goldhandel. Sie war nach luxemburgischen Recht zur Aufstellung von Bilanzen verpflichtet und wies in ihren Steuererklärungen aufgrund bilanzieller Betriebsergebnisse für 2011 einen Verlust und für 2012 einen Gewinn aus. Für die Besteuerung der Gesellschafter in Deutschland stellte die C Einnahmen-Überschussrechnungen auf, aus denen sich jeweils ein Verlust und Gewinn in anderer Höhe ergaben und die Grundlage von Feststellungserklärungen der C zu nach dem DBA steuerfreien Einkünften waren.
Das FA war zunächst der Auffassung, die steuerfreien gewerblichen Einkünfte seien durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln, und erließ entsprechende Feststellungsbescheide. Im Einspruchsverfahren änderte das FA seine Meinung und ging davon aus, die C sei vermögensverwaltend tätig gewesen und für die beiden GbR seien im Inland steuerpflichtige und durch Betriebsvermögensvergleich zu ermittelnde gewerbliche Einkünfte festzustellen.
Das FG hob die Feststellung inländischer Einkünfte auf, wies die Klage aber insoweit ab, als die Feststellung im Inland steuerfreier Einkünfte auf der Grundlage einer Einnahmen-Überschussrechnung begehrt wurde (Hessisches FG, Urteil vom 30.8.2017, 7 K 1095/15, Haufe-Index 14099646).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Die Feststellungen des FG trügen nicht seine Entscheidung, dass die Einkünfte durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln seien. Grundsätzlich stehe der ausländischen Personengesellschaft ein ggf. vorhandenes Gewinnermittlungswahlrecht zu. Das Wahlrecht werde aber ausgeschlossen, wenn die Gesellschaft nach dem ausländischen Recht buchführungs- und abschlusspflichtig sei. Dabei müssten diese Pflichten nicht mit denen nach deutschem Recht funktions- und informationsgleich sein. Ggf. sei eine Überleitungsrechnung vorzunehmen.
Im Urteilsfall habe das FG verfahrensfehlerhaft angenommen, dass die C ein ggf. bestehendes Wahlrecht zugunsten des Betriebsvermögensvergleichs ausgeübt habe. Die getroffenen Feststellungen reichten nicht aus, um entscheiden zu können, ob in Luxemburg eine den jetzt aufgestellten Grundsätzen entsprechende Buchführungs- und Abschlusspflicht bestanden habe und damit ein Wahlrecht ohnehin nicht habe ausgeübt werden können.
Hinweis
1. Das Urteil, das neben den im Leitsatz abgehandelten materiell-rechtlichen Punkten zahlreiche verfahrensrechtliche Probleme behandelt, auf die hier nicht eingegangen werden kann, klärt die bislang hoch streitige Frage, ob für die Feststellung ausländischer Progressionseinkünfte das Wahlrecht zur Einnahmen-Überschussrechnung durch eine ausländische Buchführungs- und Abschlusspflicht gesperrt ist. Entschieden hatte der BFH bereits, dass ausländische Buchführungspflichten Gesetze i.S.d. § 140 AO seien (BFH, Urteil vom 14.11.2018, I R 81/16, BStBl II 2019, 390, BFH/NV 2019, 604, BFH/PR 2019, 163 mit Anmerkung Pfirrmann). Daraus war aber noch nicht zwingend abzuleiten, dass die ausländischen Gesetze auch das materielle Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG ausschließen. Der BFH misst dem ausländischen Recht jetzt aber auch diese weitergehende Wirkung bei und bestätigt damit die Auffassung der Finanzverwaltung (EStH 4.5 (1) "Wahl der Gewinnermittlungsart").
2. Voraussetzung für die Sperrwirkung ist, dass das ausländische Recht die Verpflichtung enthält, laufend Bücher zu führen und stichtagsbezogene Abschlüsse über das Vermögen und die Schulden aufzustellen. Für nicht erforderlich hält es der BFH insoweit, dass die ausländische Buchführungs- und Abschlusspflicht ähnlich wirkt oder vergleichbare Informationen hervorbringt, wie es dem deutschen Recht eigen i...