Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Zum 1.1.2021 sind die Regelungen zum Reverse-Charge-Verfahren um einen weiteren Anwendungsfall ergänzt worden. Ab diesem Zeitpunkt unterliegen auch Telekommunikationsdienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen der Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger. Die Finanzverwaltung hat rechtzeitig vor Inkrafttreten der Regelung zu den Anwendungsgrundsätzen Stellung genommen und ein neues Formular dazu vorgestellt.
Die rechtliche Problematik
Es war festgestellt worden, dass es im Rahmen des Handels mit Voice over IP (VOIP) zu Umsatzsteuerausfällen gekommen war. In den bekannt gewordenen VOIP-Fällen deuten die Strukturen auf ein "klassisches Umsatzsteuerbetrugsmodell" mit Einbindung eines Missing Traders hin. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber von der unionsrechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht und die Telekommunikationsdienstleistungen mit in den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens (Übertragung der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger) nach § 13b UStG einbezogen. Obwohl sich die Erkenntnisse bisher auf die VOIP-Strukturen beziehen, sind alle Telekommunikationsdienstleistungen mit einbezogen worden, um Ausweichbewegungen auf andere Bereiche zu verhindern.
Die gesetzliche Neuregelung führt zu 2 Veränderungen im § 13b UStG:
- In der neu geschaffenen Vorschrift des § 13b Abs. 2 Nr. 12 UStG werden als weiterer Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens die sonstigen Leistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation benannt. Es wird klargestellt, dass § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG (Werklieferungen und sonstige Leistungen durch ausländische Unternehmer) vorrangig ist.
- In § 13b Abs. 5 Satz 6 UStG wird vorgegeben, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer nur in den Fällen schuldet, in denen er selbst ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit auf die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen gerichtet ist und dass die Finanzverwaltung ihm über diese Eigenschaft eine Bescheinigung erteilt.
Von der Neuregelung sind im Ergebnis Telekommunikationsdienstleistungen erfasst, die von im Inland ansässigen Unternehmern an Unternehmer ausgeführt werden, die selbst am Markt solche Leistungen erbringen.
Die Neuregelung gilt für alle Leistungen, die nach dem 31.12.2020 ausgeführt werden.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Die Finanzverwaltung hat umfassend zu den Anwendungsregelungen der neu eingeführten Vorschrift zum Reverse-Charge-Verfahren Stellung genommen. In dem Schreiben werden zuerst umfangreich alle Verweise des UStAE geändert, die auf die bisherige Fassung des § 13b Abs. 5 UStG verwiesen haben. Da der Gesetzgeber (systematisch nachvollziehbar, aber ansonsten eher unglücklich) die Vorgaben zur Eigenschaft des Leistungsempfängers mitten in die bisherige Fassung des § 13b Abs. 5 UStG eingeschoben hat, mussten alle Verweise im UStAE, die sich auf § 13b Abs. 5 Satz 6 ff. UStG bezogen, angepasst werden.
1) Anwendungsgrundsätze
In einem neuen Abschn. 13b.7b UStAE nimmt die Finanzverwaltung zu den neuen Anwendungsregelungen Stellung. Dabei wird bezüglich der Definition der Telekommunikationsdienstleistungen auf die schon bestehenden Ausführungen der Verwaltung zu § 3a UStG (hier Abschn. 3a.10 UStAE) verwiesen.
Breiten Raum nehmen die Ausführungen ein, wann der Leistungsempfänger ein sog. Wiederverkäufer i. S. der Regelung ist. Dazu müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
- Der Leistungsempfänger wird zum Steuerschuldner, wenn er ein Unternehmer ist, dessen Haupttätigkeit in Bezug auf den Erwerb dieser Leistungen in deren Erbringung besteht. Dies ist nach den Vorgaben der Verwaltung dann erfüllt, wenn der Unternehmer mehr als die Hälfte der von ihm erworbenen Leistungen weiterveräußert.
- Weiterhin muss sein eigener Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung sein. Die Finanzverwaltung führt dazu aus, dass der eigene Verbrauch dieser Leistungen von untergeordneter Bedeutung ist, wenn nicht mehr als 5 % der erworbenen Leistungen zu eigenen (unternehmerischen sowie nichtunternehmerischen) Zwecken verwendet werden.
Wie auch schon in den anderen – vergleichbaren – Anwendungsfällen des § 13b UStG (Bauleistungen gegenüber bauleistenden Unternehmern, Gebäudereinigungsleistungen gegenüber Gebäudereinigern) sind grundsätzlich die Verhältnisse im vorangegangenen Kalenderjahr maßgeblich. Bei Neugründungen gilt dies ebenfalls, wenn erkennbar mit der Ausführung solcher Leistungen begonnen wurde und voraussichtlich die Grenzen eingehalten werden.
Eine Ausnahme wird noch bei einem eigenen Verbrauch von mehr als 5 %, aber nicht mehr als 10 % geregelt: In diesem Fall sollen die Voraussetzungen dennoch erfüllt sein, wenn die im Mittel der vorangegangenen 3 Jahre zu eigenen Zwecken verbrauchten Leistungen 5 % der in diesem Zeitraum erworbenen Leistungen nicht überschritten haben.
Im Unternehmen selbst erzeugte Leistungen bleiben bei der Beurteilung der vorgegeb...