Der Einkommensteuerabzug einer hypothetischen Veräußerungsgewinnsteuerbelastung bei der Ermittlung der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung gem. § 5 Abs. 1 ErbStG betrifft umso deutlicher die Berechnung einer güterrechtlichen Zugewinnausgleichsforderung durch lebzeitige Beendigung des Güterstands mit Ausgleich des Zugewinns. Die Nichtsteuerbarkeit dieser Ausgleichsforderung nach § 5 Abs. 2 ErbStG begrenzt sich auf den zutreffend kalkulierten Forderungsbetrag nach zivilrechtlichen Grundsätzen. Deshalb birgt eine fehlerhafte Zugewinnberechnung, welche die mitunter beträchtlichen Auswirkungen abzuziehender Ertragsteuerlasten unberücksichtigt lässt oder unzureichend einberechnet, die fatale Gefahr einer Übererfüllung der Ausgleichsforderung und die Folge einer schenkungsteuerbaren Zuwendung (Stein, ErbBstg 2020, 122–127 [123 f.]: "Schenkungen durch Zuvielleistung auf den Ausgleichsanspruch"). Die praktizierte "Güterstandsschaukel" erweist sich – angesichts dieser nicht zu unterschätzenden Fehlerquelle – dann als gefährliche Steuerfalle.
Beraterhinweis In Anbetracht der offenkundig anerkannten Bedeutung latenter Steuern bei der Zugewinnermittlung mehren sich namhafte Stimmen mit überzeugenden Argumenten, welche diese Rechtsgrundsätze zum Abzug latenter Steuern gleichfalls bei der Berechnung eines Pflichtteilsanspruch gem. § 2311 Abs. 1 BGB befürworten (Biermann/Thiele, ErbR 2022, 1–8; Schmid, ZErb 2015, 133; Werner, ZEV 2022, 262–265; Rösler in Groll/Steiner, Praxis-Hdb. Erbrechtsberatung, 6. Aufl. 2024, § 26 Rz. 26.105 m. Hinweis auf Herzog in Staudinger, BGB, § 2311 Rz. 128; Weidlich in Grüneberg, BGB, § 2311 Rz. 6 m. Verweis auf § 1376 Rz. 48). Beim Pflichtteilsanspruch ist mithin ebenso der Fallstrick der schenkungsteuerbaren Übererfüllung eines erbrechtlichen Anspruchs zu bedenken. Dies gilt auch für die Empfehlung der Abfindung für den Verzicht auf den entstandenen (und nicht geltend gemachten!) Pflichtteilsanspruch gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG.
In erbschaftsteuerlicher Hinsicht ist ansonsten der Abzug einer latenten Einkommensteuerbelastung sowohl auf Bewertungsebene (BFH v. 27.9.2017 – II R 15/15, BStBl. II 2018, 281 = ErbStB 2018, 107 [E. Böing]) als auch als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG ausgeschlossen (BFH v. 17.2.2010 – II R 23/09, BStBl. II 2010, 641 = ErbStB 2010, 198 [Hartmann]; wissenswerter Hinweis von Piltz, ZEV 2024, 653–659 [659]): offenbar ist ein weiteres Verfahren beim BVerfG zum Abzug der latenten Einkommensteuer bei der erbschaftsteuerlichen Bewertung anhängig [1 BvR 392/23]). Aus dem Stichtagsprinzip nach § 11 ErbStG folgt deshalb eine "Brutto-Betrachtung" unter Ausschluss von latenten Steuern, ohne dass sich daraus ein Wertungswiderspruch zum zivilrechtlichen Netto-Prinzip bei der Zugewinn- oder Pflichtteilsberechnung ergibt. Die Doppelbelastungswirkung mit Einkommensteuer und Erbschaftsteuer wird von Gesetzes wegen allenfalls in den Grenzen von § 35b EStG bei der Einkommensteuer ermäßigt.