Entscheidungsstichwort (Thema)
Gehörsrüge. Rechtsausführungen
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Beschwerdeführer die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör damit begründet, das Landesarbeitsgericht habe in der mündlichen Verhandlung eine bestimmte Rechtsfrage nicht angesprochen, ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Inhalt des gesamten Rechtsgesprächs dargelegt wird.
Ob eine Nichterörterung von Rechtsfragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht sich als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen kann, hat der Senat nicht entschieden.
Normenkette
ArbGG § 72 Abs. 2 Nr. 3 2. Alternative, § 72a Abs. 3 S. 2 Nr. 3 2. Alternative
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. September 2004 – 6 Sa 671/04 – wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 14.114,25 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten beschäftigt. Im Juni 2003 geriet er in den Verdacht, vier Autoreifen entwendet zu haben. Die Beklagte hörte den Personalausschuss des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung an. Im Ergebnis bot sie dem Kläger in Abstimmung mit dem Personalausschuss an, das Arbeitsverhältnis zu schlechteren Arbeitsbedingungen fortzusetzen, und drohte ihm, falls er ihr Angebot nicht annehme, mit einer außerordentlichen Beendigungskündigung. Der Kläger nahm das Angebot an. Wenige Tage später erklärte er die Anfechtung seiner Erklärung. Er begehrt nunmehr die Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung und macht die sich daraus ergebenden Entgelt- und Beschäftigungsansprüche geltend.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen ohne die Revision zuzulassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Das Vorbringen des Klägers rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen Divergenz.
a) Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz setzt nach § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 72a Abs. 1 ArbGG voraus, dass das Landesarbeitsgericht im anzufechtenden Urteil einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG abschließend genannten Gerichte aufgestellt hat. Außerdem muss das anzufechtende Urteil auf dem abweichenden Rechtssatz beruhen (st. Rspr. vgl. BAG 23. Juli 1996 – 1 ABN 18/96 – AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 72a Nr. 76). Ein Rechtssatz ist aufgestellt, wenn das Gericht seiner Subsumtion einen Obersatz voranstellt, der über den Einzelfall hinaus für vergleichbare Sachverhalte Geltung beansprucht. Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdebegründung darzulegen (§ 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG).
b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
aa) Der Kläger verweist darauf, das Bundesarbeitsgericht gehe stets, so auch in der von ihm herangezogenen Entscheidung, davon aus, die außerordentliche Kündigung sei als „ultima ratio” nur zulässig, wenn die Weiterbeschäftigung unzumutbar sei. Zwar habe das Landesarbeitsgericht zu dieser Rechtsfrage keinen „konkreten” Rechtssatz aufgestellt, gleichwohl divergiere es. Denn es sei in keiner Weise auf die Begründung des Arbeitsgerichts eingegangen, die Beklagte habe deshalb nicht mit einer außerordentlichen Beendigungskündigung drohen dürfen, weil sich aus ihrem Vertragsangebot ergebe, dass sie eine Weiterbeschäftigung des Klägers für zumutbar hielt. Es könne „nicht angehen, daß ein Berufungsgericht schlichtweg durch die Tatsache, daß auf Argumentationsketten der erstinstanzlichen Entscheidung nicht eingegangen wird, ein Urteil zu Papier bringt, welches keine entsprechenden divergierenden Rechtssätze aufstellt”. Ersichtlich will der Kläger damit ausdrücken, die Entscheidung des Arbeitsgerichts beruhe auf Rechtssätzen des Bundesarbeitsgerichts, nicht aber die des Landesarbeitsgerichts. Wenn das so ist, hätte er die einer unterlegenen Partei zur Verfügung stehende Möglichkeit nutzen können und müssen, auf der Grundlage der Ausführungen des Landesarbeitsgerichts den nach seiner Auffassung dort enthaltenen sog. verdeckten Rechtssatz selbst zu formulieren. Das hat er unterlassen.
bb) Auch soweit der Kläger geltend macht, das Landesarbeitsgericht habe gegen von ihm herangezogene Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zum Verzicht auf Kündigungsgründe oder zum Verzeihen von Kündigungsgründen verstoßen, fehlt es an der Darlegung eines Rechtssatzes, den das Landesarbeitsgericht hierzu aufgestellt haben soll.
Mit beiden Begründungen rügt der Kläger in Wahrheit, das Landesarbeitsgericht habe den Rechtsstreit rechtsfehlerhaft entschieden. Die Überprüfung eines Urteils auf behauptete Rechtsanwendungsfehler erfolgt jedoch erst im Rahmen einer statthaften und zulässigen Revision.
2. Die Beschwerde rechtfertigt sich auch nicht als sogenannte Gehörsrüge.
a) Nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG in der seit 1. Januar 2005 geltenden Fassung kann die Nichtzulassungsbeschwerde nunmehr ua. auch darauf gestützt werden, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und hierauf beruhe die Entscheidung. Diese Voraussetzungen sind in der Beschwerdebegründung darzulegen. Dazu hat der Beschwerdeführer im Einzelnen vorzutragen, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht ihm auf Grund welcher Tatsachen hätte erteilen müssen, und welche weiteren, erheblichen Tatsachen er dann in der Berufungsinstanz vorgebracht hätte (vgl. zur Revisionsbegründung Senat 6. Januar 2004 – 9 AZR 680/02 – AP ArbGG 1979 § 74 Nr. 11, mit zust. Anm. Schreiber = EzA ZPO 2002 § 551 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auf einen solchen Sachverhalt stützt der Kläger die Gehörsrüge nicht.
b) Der Kläger meint, das Landesarbeitsgericht hätte in der mündlichen Verhandlung darauf hinweisen müssen, dass und aus welchen Gründen es der Entscheidung des Arbeitsgerichts nicht folge. Auf dieser Verletzung der Hinweispflicht beruhe das Berufungsurteil, weil ein „verständiges Berufungsgericht” richtigerweise zu dem Ergebnis gelangt wäre, die Beklagte habe ihn nicht mit der Drohung einer außerordentlichen Beendigungskündigung zum Vertragsschluss bestimmen dürfen. Außerdem bemängelt er, dass das Landesarbeitsgericht in dem anzufechtenden Urteil mit keinem Wort auf die Argumentation des Arbeitsgerichts eingegangen sei.
Ob eine Nichterörterung von Rechtsfragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht sich als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen kann, ist offen zu lassen. Jedenfalls hat der Beschwerdeführer in einem solchen Fall zumindest den Inhalt des Rechtsgesprächs insgesamt darzulegen. Nur dann wird das Bundesarbeitsgericht als Beschwerdegericht in die Lage versetzt, zu prüfen, ob eine Verkürzung der Rechte des Beschwerdeführers überhaupt in Betracht kommt. Daran fehlt es.
c) Soweit der Kläger den Inhalt der Entscheidungsgründe rügt, macht er ohnehin keinen Fehler des Landesarbeitsgerichts „auf dem Weg” zum Urteil geltend.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Streitwertfestsetzung auf § 63 GKG.
Unterschriften
Düwell, Zwanziger, Reinecke
Fundstellen
Haufe-Index 1335053 |
BAGE 2006, 57 |
NJW 2005, 2638 |
FA 2005, 192 |
NZA 2005, 654 |
AnwBl 2005, 35 |
MDR 2005, 875 |
AA 2005, 125 |
AUR 2005, 199 |
ArbRB 2005, 173 |
BAGReport 2005, 249 |