Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsatzbeschwerde bei Lehrerrichtlinien
Leitsatz (amtlich)
- Eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung kann nicht auf die fehlerhafte Auslegung von Richtlinien für die Eingruppierung von Lehrern gestützt werden.
- Eingruppierungsrichtlinien sind keine Tarifverträge.
Normenkette
ArbGG 1979 § 72a
Verfahrensgang
LAG Bremen (Urteil vom 08.05.1991; Aktenzeichen 2 Sa 122/90) |
ArbG Bremen (Urteil vom 15.02.1990; Aktenzeichen 1 Ca 1252/88) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 8. Mai 1991 – 2 Sa 122/90 – wird auf Kosten des Klägers als unzulässig verworfen.
Gründe
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.
Der Kläger ist seit 1. Februar 1976 am Schulzentrum A… der Beklagten als Lehrkraft im Angestelltenverhältnis beschäftigt. Er unterrichtet in der Tätigkeit eines technischen Lehrers an der Berufsschule verschiedene Fächer in Maler- und Lackiererklassen. Die Parteien haben einzelvertraglich die Geltung des Bundesangestellten-Tarifvertrags (BAT) sowie der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Lehrer-Richtlinien der TdL) vereinbart. Der Kläger erhält seit dem 1. Februar 1982 Vergütung nach VergGr. IVb BAT.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß die von ihm unterrichteten Fächer üblicherweise von Studienräten mit der Besoldungsgruppe A 13 unterrichtet werden. Er habe gemäß Abschnitt B Unterabschnitt V Satz 1 der Lehrerrichtlinien der TdL einen Anspuch auf Vergütung nach VergGr. III BAT, da nach dieser Bestimmung die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit und nicht die Ausbildung maßgeblich sei.
Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, an ihn ab 1. September 1987 Vergütung nach VergGr. III BAT, hilfsweise nach VergGr. IVa BAT zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß dem Kläger eine über die Vergütung nach VergGr. IVb BAT hinausgehende Vergütung nicht zustehe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. Der Beklagte beantragt Verwerfung bzw. Zurückweisung der Beschwerde.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht in der gesetzlichen Form nach § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG begründet worden ist.
In einer auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG gestützten Nichtzulassungsbeschwerde muß der Beschwerdeführer im einzelnen darlegen, daß der Rechtsstreit die “Auslegung eines Tarifvertrages” im Sinne dieser Vorschrift betrifft, womit die fallübergreifende, abstrakte Interpretation tariflicher Rechtsbegriffe gemeint ist (BAGE 32, 203, 205 = AP Nr. 1 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAGE 32, 228, 229 = AP Nr. 2 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Klägers nicht. Der Kläger legt nicht dar, daß der Rechtsstreit die “Auslegung eines Tarifvertrages” im Sinne des § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG betrifft.
Er meint lediglich, er habe bei zutreffender Auslegung der in Abschnitt B Unterabschnitt V Satz 1 der Lehrer-Richtlinien der TdL enthaltenen Bestimmung einen Anspruch auf die beantragte Vergütung.
Auf die fehlerhafte Auslegung der Lehrer-Richtlinien der TdL kann die Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache jedoch nicht gestützt werden (BAGE 36, 241, 244 = AP Nr. 21 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAG Beschluß vom 13. Januar 1987 – 4 AZN 370/86 – AP Nr. 30 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz). Diese Richtlinien stellen keinen Tarifvertrag im Sinne der Vorschrift des § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG dar. Der Gesetzgeber versteht unter Tarifverträgen im Sinne dieser Vorschrift nur solche, die nach Maßgabe des TVG zustandegekommen sind und dem entsprechenden allgemeinen arbeitsrechtlichen Begriff entsprechen (BAGE 34, 182, 184 f. = AP Nr. 9 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAGE 36, 241, 244 = AP Nr. 21 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAG Beschluß vom 13. Januar 1987 – 4 AZN 370/86 – AP Nr. 30 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).
Die vorliegend streitbefangenen Lehrer-Richtlinien der TdL sind jedoch nicht von Tarifvertragsparteien ausgehandelt worden und daher auch nicht nach Maßgabe des TVG zustandegekommen. Sie stellen einseitig erlassene Empfehlungen einer Tarifvertragspartei an ihre Mitglieder dar, denen jeglicher normative Charakter fehlt und denen daher auch keine generelle tarifrechtliche Qualifikation oder auch nur allgemeine arbeitsrechtliche Bedeutung zukommt (BAGE 36, 241, 244 = AP Nr. 21 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAG Beschluß vom 13. Januar 1987 – 4 AZN 370/86 – AP Nr. 30 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAG Urteil vom 25. November 1987 – 4 AZR 386/87 – AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).
Eine rechtliche Bedeutung innerhalb eines Arbeitsverhältnisses ist ihnen vielmehr nur dann beizumessen, wenn ihre Geltung – wie vorliegend – einzelvertraglich vereinbart worden ist (BAG Urteil vom 9. September 1981 – 4 AZR 59/79 – AP Nr. 48 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 25. November 1987 – 4 AZR 386/87 – AP Nr. 23 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer).
Die vom Kläger insoweit erst nach Ablauf der Begründungsfrist gemäß § 72a Abs. 3 Satz 1 ArbGG noch nachgeschobenen Einwendungen sind nicht durchgreifend.
Die Tatsache, daß angesichts des Fehlens entsprechender tariflicher Tätigkeitsmerkmale im Bereich der angestellten Lehrkräfte im Sinne der Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT (Allgemeine Vergütungsordnung) die Lehrerrichtlinien in der Praxis wie Tarifnormen angesehen und angewendet werden, ändert nichts daran, daß ihnen jeglicher tariflicher Normencharakter fehlt (BAGE 36, 241, 244 = AP Nr. 21 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz; BAGE 38, 221, 227 = AP Nr. 64 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Beschluß vom 13. Januar 1987 – 4 AZN 370/86 – AP Nr. 30 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).
Ein Tarifcharakter der Lehrerrichtlinien ist auch dann nicht anzunehmen, wenn sich, entsprechend der Darlegung des Klägers, die zuständigen Gewerkschaften mit der Abfassung und Anwendung der Lehrerrichtlinien einverstanden erklärt haben sollten (vgl. BAGE 38, 221, 227 = AP Nr. 64 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Handelt es sich also vorliegend nicht um die “Auslegung eines Tarifvertrages” im Sinne von § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG, kommt es auf die weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht mehr an.
Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen.
Unterschriften
Schaub, Dr. Etzel, Schneider
Fundstellen
NZA 1992, 473 |
RdA 1992, 158 |