Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung in medizinischen Hilfsberufen
Leitsatz (amtlich)
1. Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren bedarf es zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) entsprechenden substantiierten Vorbringens in der Beschwerdebegründung. Die Darlegung der bloßen Möglichkeit, die ergehende Entscheidung könne sich für andere gleichartige Arbeitsverhältnisse auswirken, ist nicht ausreichend.
2. Die Grundsätze über die Annahme und etwaige Ausfüllung sogenannter unbewußter Tariflücken sind Bestandteil des allgemeinen staatlichen Tarifrechts. Auf die Verletzung dieser Grundsätze kann die Nichtzulassungsbeschwerde des ArbGG 1979 nicht gestützt werden.
Normenkette
ArbGG 1979 § 72a Grundsatz; BAT 1975 §§ 22-23; TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.11.1986; Aktenzeichen 10 Sa 56/85) |
ArbG Mannheim (Urteil vom 17.01.1985; Aktenzeichen 5 Ca 650/83) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 1986 – 10 Sa 56/85 – wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.
Gründe
Die der Gewerkschaft ÖTV angehörende Klägerin legte am 4. März 1977 die staatliche Prüfung für medizinisch-technische Laboratoriumsassistentinnen ab. Seit dem 18. Juni 1979 wird sie durchgehend im Klinikum der Universität H. in den Diensten des beklagten Landes mit den Aufgaben einer medizinisch-technischen Assistentin beschäftigt. Die Klägerin erhält Vergütung nach VergGr. V c BAT.
Im März 1980 wurde in der Neurologischen Klinik der Universität H. eine neuentwickelte akustische Methode zur Untersuchung der hirnversorgenden Halsarterien eingeführt, die sogenannte Doppler-Sonographie. Dabei wird der Umstand ausgenutzt, daß sich bei einer Stenose, d.h. bei einer durch Verkalkung oder ähnliches hervorgerufenen punktuellen Verengung des Blutgefäßes, die Strömungsgeschwindigkeit des Blutes lokal erhöht. Mittels einer handgeführten Sonde wird der Verlauf der jeweiligen Arterie abgetastet und über einen Lautsprecher das den Rhythmus des Herzschlages darstellende Strömungsgeräusch akustisch wahrnehmbar gemacht. Daneben zeichnet ein dem Doppler-Sonographen angeschlossener Kurvenschreiber den Verlauf der Strömungsgeschwindigkeiten graphisch auf. Die Kurvenaufzeichnung dient als zusätzliches Hilfsmittel.
Im Frühjahr 1980 wurde die Klägerin in die Doppler-Sonographie eingearbeitet. Anfangs führte sie die entsprechenden Untersuchungen unter Anleitung eines Arztes und später selbständig durch. Seit der zweiten Jahreshälfte 1980 macht diese Aufgabe 70 bis 80 v.H. der Gesamtarbeitszeit der Klägerin aus.
Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, an sie ab 1. Januar 1984 Vergütung nach VergGr. V b BAT zu zahlen und die entsprechenden Differenzbeträge mit 4 v.H. zu verzinsen. Dazu hat die Klägerin vorgetragen, mit ihrer Tätigkeit erfülle sie die Merkmale der VergGr. V c Fallgruppe 24 aus dem Teil II D der Vergütungsordnung zum BAT. Zwar sei darin ihre Tätigkeit nicht ausdrücklich genannt. Das habe seinen Grund darin, daß zur Zeit des Tarifabschlusses die von ihr ausgeübte Tätigkeit noch nicht bestanden habe. Es liege also insoweit eine unbewußte Tariflücke vor, zu deren Schließung die Gerichte für Arbeitssachen die Merkmale der VergGr. V c BAT Fallgruppe 24 heranzuziehen hätten. In einer entsprechenden Tätigkeit habe sie sich drei Jahre bewährt, so daß ihr ab 1. Januar 1984 die eingeklagte Vergütung zustehe.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und erwidert, für das Klagebegehren gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Merkmale der VergGr. V c BAT Fallgruppe 24 könnten zugunsten der Klägerin nicht herangezogen werden. Der darin genannte Aufgabenkatalog sei erschöpfend. Hinsichtlich der von der Klägerin verrichteten neuen Tätigkeit liege keine von den Gerichten für Arbeitssachen auszufüllende unbewußte Tariflücke vor.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klagebegehren erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die von der Klägerin eingelegte, auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Nichtzulassungsbeschwerde. Das beklagte Land beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen bzw. zurückzuweisen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig.
Es fehlt bereits an der Darlegung der Voraussetzungen für die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG. Dieses gesetzliche Erfordernis ist nur erfüllt, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer durch das Revisionsgericht klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen (z.B. wirtschaftlichen) Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teiles der Allgemeinheit eng berührt (vgl. BAGE 32, 203, 209 = AP Nr. 1 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz mit weiteren Nachweisen). Daraus ergibt sich zugleich, daß grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu verneinen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits nur für einen Einzelfall oder wenige gleichgelagerte Arbeitsverhältnisse rechtliche Bedeutung hat (vgl. BAGE 40, 254, 255 = AP Nr. 24 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).
An den aufgezeigten gesetzlichen Erfordernissen fehlt es vorliegend schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin. Offensichtlich im Hinblick auf die Frage einer etwaigen Revisionszulassung hatte schon das Landesarbeitsgericht den Parteien aufgegeben, schriftsätzlich darzulegen, ob und inwieweit der Ausgang des Rechtsstreits Auswirkungen auf andere Arbeitsverhältnisse haben könne. Wie das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich bemerkt, haben ihm gegenüber dazu beide Parteien lediglich ausgeführt, mit den Aufgaben der Klägerin am Doppler-Sonographen würden an den Universitäten des beklagten Landes Ärzte beschäftigt, über die Verhältnisse in anderen Bundesländern sei dagegen nichts bekannt.
Wie das Landesarbeitsgericht weiter am Ende seiner Entscheidungsgründe ausführt, hat es auf diese übereinstimmenden Stellungnahmen der Parteien hin mit der Begründung, es handele sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung ohne allgemeine, fallübergreifende Bedeutung, von der Zulassung der Revision abgesehen. Dabei hat es die Senatsrechtsprechung zutreffend berücksichtigt. Ebenfalls hat das Landesarbeitsgericht insoweit sach- und tarifgerecht berücksichtigt, daß aus der Vergütung von Ärzten, die am Doppler-Sonograph arbeiten, keine Schlüsse für die Vergütung medizinischen Hilfspersonals gezogen werden können.
Auch der diesbezügliche ergänzende Vortrag der Klägerin in der Beschwerdebegründung rechtfertigt keine andere Beurteilung. Entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdebegründung kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ohne entsprechenden Sachvortrag nicht bejaht werden. Ob die von der Klägerin praktizierte Arbeitsmethode inzwischen auch in Praxen niedergelassener Ärzte angewendet wird, ist schon deswegen rechtsunerheblich, weil für die Arbeitsverhältnisse zwischen praktischen Ärzten und ihrem medizinischen Hilfspersonal der BAT nicht gilt. Auch stellt es, wie das beklagte Land zutreffend in der Beschwerdeerwiderung hervorhebt, eine bloße Hypothese dar, wenn die Klägerin aus ihrem (nicht näher substantiierten) Vortrag, die Methode der Doppler-Sonographie habe inzwischen Eingang in die Praxen niedergelassener Ärzte gefunden, den Schluß zieht, deswegen müßten auch die Universitätskliniken diese Untersuchungsmethode inzwischen verstärkt anwenden. Soweit schließlich die Klägerin in ganz allgemeiner Weise darauf hinweist, das sei zumindest bei den Universitätskliniken in F. und T. neben H. der Fall, übersieht sie, daß es auch insoweit völlig an substantiiertem Vorbringen zu der Frage fehlt, wieviele vergleichbare Arbeitsverhältnisse es in den genannten Kliniken der drei b Universitäten gibt.
Im übrigen besteht zwischen den Parteien Einigkeit darüber, daß die Tätigkeit der Klägerin in dem eindeutig erschöpfenden Katalog der VergGr. V c BAT Fallgruppe 24 des Teils II D der Vergütungsordnung nicht genannt wird. Das ergibt sich zugleich auch daraus, daß es die von der Klägerin angewandte Untersuchungsmethode bei Vereinbarung der Tarifnormen noch nicht gegeben hat. Daher stützt die Klägerin ihre Beschwerdebegründung wie ihr Klagevorbringen materiell auch nur darauf, es liege insoweit eine unbewußte Tariflücke vor, die die Gerichte für Arbeitssachen auszufüllen hätten. Dabei übersieht die Klägerin, daß insoweit von ihr die Voraussetzungen des § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG nicht dargelegt werden. Danach kann die Nichtzulassungsbeschwerde des ArbGG nur darauf gestützt werden, daß ein Tarifvertrag, d.h. tarifliche Bestimmungen, fehlerhaft ausgelegt worden seien. Eine unzutreffende Tarifauslegung wird von der Klägerin jedoch überhaupt nicht gerügt. Sie will vielmehr vorliegend die Grundsätze angewendet wissen, die Rechtsprechung und Lehre zur sogenannten unbewußten Tariflücke und den Möglichkeiten ihrer Schließung durch die Gerichte für Arbeitssachen entwickelt haben. Diese Grundsätze, zu denen sich auch die Vergütungsordnung des BAT an keiner Stelle äußert, gehören jedoch dem allgemeinen, insbesondere aus dem Tarifvertragsgesetz, aber auch dem bürgerlichen Recht, dem Verfassungsrecht und der juristischen Methodenlehre hergeleiteten staatlichen Tarifrecht an (vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 7. Aufl., Bd. II/1, § 18 IV 3 p, S. 363; Nikisch, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 2. Aufl., Band II, § 69 III 1, S. 220 sowie Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 416 ff.). Auf die Verletzung dieser Rechtsgrundsätze kann daher die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin nicht gestützt werden (vgl. den Beschluß des erkennenden Senats vom 26. November 1980 – 4 AZN 225/80 – AP Nr. 11 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Neumann, Dr. Etzel, Dr. Feller
Fundstellen