Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung. einseitige Änderung der Vergütungsordnung durch den Arbeitgeber
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Vgl. Beschlüsse vom 27. Juni 2000 – 1 ABR 29/99 – nv., 1 ABR 35/99 – nv. und – 1 ABR 36/99 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 3
Normenkette
BetrVG § 99
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 1. Februar 2000 – 4 TaBV 15/99 – aufgehoben.
2. Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Dezember 1998 – 1 BV 173/98 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Der Arbeitgeber begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Mitarbeiter/innen V., K., H. und S.
Der Arbeitgeber ist freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit mit bundesweit über 600 Einrichtungen an 300 Orten. Er beschäftigt ca. 8000 Mitarbeiter. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sind betriebsratsfähige Einrichtungen für einzelne Regionalbereiche geschaffen worden. Der Arbeitgeber hat mit der Gewerkschaft ÖTV ua. einen Manteltarifvertrag (MTV Nr. 2) sowie den Tarifvertrag Nr. 3 über die Tätigkeitsmerkmale zum Manteltarifvertrag abgeschlossen. Beide Tarifverträge kündigte der Arbeitgeber im September 1997 zum 31. Dezember 1997. Die Wirksamkeit der Kündigung bezogen auf den MTV Nr. 2 ist zwischen den Tarifvertragsparteien sowie auch zwischen den Beteiligten streitig, da der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen gegenüber der ÖTV am 14. Dezember 1996 unter bestimmten Voraussetzungen auf eine Kündigung des Manteltarifvertrags zum 31. Dezember 1997 verzichtet hatte.
Zur Vergütung enthält der MTV Nr. 2 ua. folgende Regelungen:
„§ 20
Eingruppierung, Vergütung (Gehälter und Löhne)
(1) Über die Tätigkeitsmerkmale sowie über die Höhe der Vergütungen werden besondere Tarifverträge abgeschlossen.
…
§ 21
Grundvergütung (Gehalt, Monatslohn)
(1) Im Vergütungstarifvertrag sind die Grundvergütungen nach Lebensaltersstufen zu bemessen.
…”
Im Tarifvertrag Nr. 3 heißt es ua.:
„§ 3
Bewährungsaufstieg
1.a) Angestellte, die nach Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen IX bis Vb eingruppiert sind, erhalten nach 4jähriger Bewährung einen Bewährungsaufstieg, sofern dem Tätigkeitsmerkmal kein Stern (*) beigefügt ist.
1.b) Erzieher (außer Erzieher nach Aufgabenfeld 8.7 – Vc) und Erzieher in Kindertagesstätten, Kinderpfleger, Sozialberater, Gruppenerzieher, Ausbilder, Werkerzieher erhalten nach 2jähriger Bewährung einen Bewährungsaufstieg, sofern dem Tätigkeitsmerkmal kein Stern (*) beigefügt ist. Dies gilt auch für AidTe-Angestellte.
…”
Im Vergütungstarifvertrag vom 14. Dezember 1996 waren aufbauend auf den Vergütungsgruppen die Lebensaltersstufen nach den Maßgaben des § 21 MTV Nr. 2 bestimmt. Die tarifschließende Gewerkschaft ÖTV hat den Tarifvertrag mit Schreiben vom 12. November 1997 zum 31. Dezember 1997 gekündigt.
Der Arbeitgeber wendet bei Neueinstellungen ab dem 1. Januar 1998 die bisher geltenden Tarifverträge weiter an mit Ausnahme des Systems der Lebensaltersstufen sowie der im Tarifvertrag Nr. 3 vorgesehenen Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs. Für die neu eingestellten Arbeitnehmer wird unabhängig von ihrem tatsächlichen Lebensalter stets die niedrigste Lebensaltersstufe (21) zugrunde gelegt.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat um die Zustimmung zur Einstellung und Eingruppierung der Arbeitnehmer/innen Michael V., April Evelyn K., Joachim H. und Christine S. gebeten. Er hat mitgeteilt, die Eingruppierung solle sich nach den Merkmalen des gekündigten Tarifvertrags Tätigkeitsmerkmale (Tarifvertrag Nr. 3) richten, als Lebensaltersstufe (LAS) war 21 angegeben. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu den vorgesehenen Eingruppierungen ausdrücklich verweigert und dies damit begründet, daß in jedem Fall die einseitige Anwendung neuer Grundsätze der Entlohnung gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoße.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, der Betriebsrat habe die Zustimmung zu Unrecht verweigert. Ein Verstoß gegen den Tarifvertrag liege nicht vor. Bei der Regelung bezüglich der Lebensaltersstufen in § 21 des MTV Nr. 2 handele es sich nicht um eine Eingruppierungsregelung. Die Lebensaltersstufe sei somit kein Gegenstand der Mitbestimmung bei Eingruppierungen. Das gelte auch für die Regelungen betreffend den Bewährungsaufstieg. Soweit er die Regelungen bezüglich der Lebensaltersstufe und des Bewährungsaufstiegs nicht mehr anwende, gehe es um die mitbestimmungsfreie Entscheidung über die Vergütungshöhe.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Michael V., April K., Joachim H. und Christine S. zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er hat gemeint, das Anhörungsverfahren sei mangelhaft gewesen, weil ihn der Arbeitgeber über die Eingruppierungsmaßstäbe, die er ab Januar 1998 anwenden wolle, nicht vollständig informiert habe. Im übrigen liege der Eingruppierung nicht die zutreffende Vergütungsordnung zugrunde. Die Kündigung des Manteltarifvertrags sei unwirksam. Daher sei die alte Tarifordnung vollständig anzuwenden. Außerdem habe der Arbeitgeber einseitig eine neue Vergütungsordnung zum 1. Januar 1998 geschaffen, indem er die tariflichen Bestimmungen über die Lebensaltersstufen und den Bewährungsaufstieg nicht mehr anwende. Dieser neuen Vergütungsordnung habe der Betriebsrat jedoch nicht zugestimmt. Die Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung sei daher berechtigt.
Das Arbeitsgericht hat den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Arbeitgebers die Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmer/innen V., K., H. und S. ersetzt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag auf Abweisung der Anträge weiter. Der Arbeitgeber bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen die antragabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts ist zurückzuweisen. Der Antrag auf Zustimmungsersetzung ist unbegründet. Der Betriebsrat hat die vom Arbeitgeber erbetenen Zustimmungen zur Eingruppierung der vier im Antrag genannten Mitarbeiter zu Recht verweigert.
I. Der Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung zur Eingruppierung scheitert allerdings nicht bereits daran – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat –, daß der Betriebsrat fehlerhaft und nicht ausreichend durch den Arbeitgeber informiert worden wäre. Die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber ist ausreichend (§ 99 BetrVG) und hat das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet. Mit den persönlichen Daten der betroffenen Arbeitnehmer, der Gehaltsgruppe und dem Hinweis auf den Tarifvertrag enthalten die Einstellungsbögen die nötigen Informationen. Weitere sind nicht erforderlich.
II. Die Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Es liegt eine beachtliche Zustimmungsverweigerung vor. Der Betriebsrat hat die form- und fristgerechte Zustimmungsverweigerung hinreichend begründet. Er hat sich darauf gestützt, daß die vorgenommenen Eingruppierungen gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstießen. Damit läßt es die Zustimmungsverweigerung als möglich erscheinen, daß einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Gründe geltend gemacht wird(Senat 26. Januar 1988 – 1 AZR 531/86 – BAGE 57, 242). Es entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung, daß der Betriebsrat einer beabsichtigten Eingruppierung auch mit der Begründung widersprechen kann, die vom Arbeitgeber angewandte Vergütungsgruppenordnung sei nicht diejenige, welche im Betrieb zur Anwendung kommen müsse (vgl. zuletzt zu dem selben Arbeitgeber Senat 27. Juni 2000 – 1 ABR 36/99 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 23 = EzA BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 3). Zum mitbestimmungspflichtigen Eingruppierungsvorgang gehört auch die Antwort auf die Frage, welches die für den Arbeitgeber zutreffende Vergütungsgruppenordnung ist. Wenn der Betriebsrat in seiner Zustimmungsverweigerung § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG anführt, ist das hierauf zu beziehen.
III. Der Zustimmungsersetzungsantrag ist unbegründet, weil die vom Arbeitgeber beabsichtigten Eingruppierungen gegen ein Gesetz verstoßen (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG). Dieser Verstoß liegt darin, daß der Arbeitgeber die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in eine andere als die zutreffende Vergütungsordnung eingruppieren will, und zwar in eine einseitig – ohne Beteiligung des Betriebsrats – aufgestellte neue Vergütungsordnung. Der Arbeitgeber legt den beabsichtigten Eingruppierungen ein Vergütungsgruppenschema zugrunde, das zwar die Tätigkeitsmerkmale des Manteltarifvertrags Nr. 3 beinhaltet, jedoch nicht die Lebensaltersstufen des § 21 MTV Nr. 2 und die Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs vorsieht. Dieses Vergütungsschema unterscheidet sich vom bisherigen. Es ist unwirksam, weil ihm der Betriebsrat nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zugestimmt hat. Nach dieser Vorschrift hätte der Betriebsrat jedoch beteiligt werden und zustimmen müssen, da es sich bei der vorgesehenen Regelung um die Festlegung allgemeiner Lohngrundsätze handelt. Die vom Arbeitgeber den vorgesehenen Eingruppierungen zugrundegelegte Vergütungsordnung hat die bisher im Betrieb bestehende Vergütungsordnung nicht abgelöst. Da der Arbeitgeber somit der Eingruppierung eine andere, unwirksame Vergütungsordnung zugrunde legen möchte als die gültige, ist ein Gesetzesverstoß im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegeben, der den Betriebsrat berechtigt, die Zustimmung zu den beabsichtigten Eingruppierungen zu verweigern.
Dabei ist nicht darauf abzustellen, ob sich das neue Vergütungssystem im konkreten Einzelfall tatsächlich unmittelbar auf die Eingruppierung auswirkt, also sofort eine andere Eingruppierung zur Folge hätte. Maßgebend für die Annahme einer anderen Vergütungsordnung ist, daß sich diese nach anderen Kriterien bestimmt.
Unterschriften
Wißmann, Hauck, Schmidt, Spiegelhalter, Mandrossa
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.04.2001 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 643076 |
EWiR 2002, 55 |
NZA 2002, 232 |
SAE 2002, 74 |
NJOZ 2002, 518 |