Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten für freigestelltes Betriebsratsmitglied
Leitsatz (redaktionell)
1a. Der Aufwand eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes für seine regelmäßigen Fahrten von seiner Wohnung in den Betrieb ist vom Arbeitgeber nicht als Kosten aus der Tätigkeit des Betriebsrats nach § 40 Abs 1 BetrVG zu tragen (Fortführung von BAG Beschluß vom 18.1.1989, 7 ABR 89/87 = BAGE 60, 385 = AP Nr 28 zu § 40 BetrVG 1972).
b. Dies gilt auch dann, wenn das Betriebsratsmitglied ohne seine Freistellung auf auswärtigen Baustellen zu arbeiten gehabt hätte und ihm hierfür der Fahrtkostenaufwand erstattet worden wäre.
2. Als gesetzliche Folge der Freistellung nach § 38 Abs 1 BetrVG ergibt sich, daß sich das freigestellte Betriebsratsmitglied am Sitz des Betriebsrats für Betriebsratstätigkeit bereitzuhalten hat. Hiervon ist es nur entbunden, soweit es zur Erfüllung konkreter Betriebsratsaufgaben erforderlich ist (Fortführung vom BAG Urteil vom 31. Mai 1989 - 7 AZR 277/88 - AP Nr 9 zu § 38 BetrVG 1972).
b. Die Freistellung nach § 38 BetrVG führt zur Änderung des Leistungsortes, wenn das Betriebsratsmitglied ohne Freistellung nicht oder nicht nur am Sitz des Betriebsrats zu arbeiten gehabt hätte. Fortführung &, BAG &, 1989-01-18 &, 7 ABR 89/87 Fortführung &, BAG &, 1989-05-31 &, 7 AZR 277/88
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 31.05.1990; Aktenzeichen 5 TaBV 16/90) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 09.01.1990; Aktenzeichen 2 BV 128/89) |
Gründe
A. Der Antragsteller ist freigestelltes Betriebsratsmitglied. Er begehrt von seiner Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2), ihm seinen Aufwand für seine regelmäßigen Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb als Kosten des Betriebsrats zu erstatten.
Der Antragsteller trat 1963 in die Dienste der Arbeitgeberin und war bis Januar 1984 als Montagestammarbeiter tätig. Ab 1. Februar 1984 wechselte er als Montagemeister in das Angestelltenverhältnis. Aus diesem Anlaß schlossen die Beteiligten unter dem 20. Januar 1984 einen neuen Arbeitsvertrag, in dem es unter anderem heißt, "zur Abgeltung von Reise-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten" erhalte der Antragsteller "Auslösungen nach dem Bundesmontagetarifvertrag". Dementsprechend erhielt der Antragsteller für jeden Kilometer, den er mit seinem Personenkraftwagen (Pkw) zu Baustellen und zurück fuhr, ein Kilometergeld von 0,42 DM von der Arbeitgeberin. Ausgangspunkt für die Feststellung der Entfernung war die Wohnung des Antragstellers. Dies entsprach der bei der Arbeitgeberin für Montagestammarbeiter geltenden betrieblichen Regelung. In gleicher Weise erhielt der Antragsteller Kilometergeld für die Benutzung seines Pkw's für die Überwindung des Weges zwischen seiner Wohnung und dem hiervon 64 km entfernten Betrieb der Arbeitgeberin in D (Hauptverwaltung), als er dort im Sommer 1986 zwischen zwei Einsätzen auf auswärtigen Baustellen für einen Zeitraum von etwa zwei Monaten eingesetzt war. Dies entsprach der bei der Arbeitgeberin für Montagestammarbeiter herrschenden Übung, bei vorübergehenden Einsätzen im Betrieb in gleicher Weise Kilometergeld zu zahlen wie für Fahrten zu auswärtigen Baustellen.
Der Antragsteller wurde im Frühjahr 1987 in den Betriebsrat der Arbeitgeberin in deren Betrieb in D gewählt und anschließend gem. § 38 BetrVG von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt. Unter dem 14. Juli 1987 teilte die Arbeitgeberin dem Antragsteller mit, sie habe das ihm für die Dauer seiner Freistellung fortzuzahlende Arbeitsentgelt festgelegt; entsprechend der für ständig im Betrieb in D am Stammsitz tätige Arbeitnehmer gültigen betrieblichen Regelung erhalte er für seinen Weg zwischen Wohnung und Betrieb einen Fahrgeldzuschuß in Höhe von 90,-- DM. Nach der genannten betrieblichen Regelung beträgt der Zuschuß höchstens 90,-- DM und wird monatlich gezahlt, nicht jedoch für den Monat Juli und regelmäßig auch nicht für den Monat Dezember eines jeden Jahres. In seinem Schreiben vom 22. Juli 1987 machte der Antragsteller geltend, ihm stehe für seine regelmäßigen Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb arbeitstäglich eine Fahrtkostenerstattung in Höhe von 2 x 64 km zu jeweils 0,42 DM zu. Dem schloß sich die Arbeitgeberin nicht an. Sie zahlte dem 1990 erneut in den Betriebsrat gewählten und wiederum gem. § 38 BetrVG freigestellten Antragsteller insoweit nur den Fahrgeldzuschuß von 90,-- DM entsprechend der von ihr angeführten betrieblichen Regelung.
In dem vorliegenden, zunächst im Urteilsverfahren anhängig gemachten Verfahren nimmt der Antragsteller die Arbeitgeberin auf Zahlung von Kilometergeld für seine regelmäßigen Fahrten zwischen seiner Wohnung in W und deren Betrieb in D in Höhe von arbeitstäglich 2 x 64 km zu jeweils 0,42 DM in Anspruch. Er hatte zunächst gemeint, seinen Anspruch nicht nur auf § 40 Abs. 1 BetrVG unter dem Gesichtspunkt der Kostenerstattung stützen zu können, sondern auch auf das Verbot der Entgeltminderung nach § 37 Abs. 2 BetrVG. Nachdem ihm die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bekannt geworden war, nach der ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung aus Anlaß von Betriebsratstätigkeit nicht auf § 37 Abs. 2 BetrVG gestützt werden kann, hat er im Laufe des Rechtsstreits beantragt, das Verfahren in das Beschlußverfahren abzugeben. Diesem Antrag entsprechend hat das Landesarbeitsgericht das Verfahren unter Zurückverweisung an das Arbeitsgericht in das Beschlußverfahren abgegeben.
Der Antragsteller hat sodann im wesentlichen nur noch geltend gemacht, die Arbeitgeberin schulde ihm die Erstattung seiner Fahrtkosten zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb für jeden Arbeitstag nach § 40 Abs. 1 BetrVG als Kosten des Betriebsrats. Ohne seine Wahl in den Betriebsrat und seine anschließende Freistellung würden ihm diese Kosten nicht entstehen, denn dann müßte er nicht arbeitstäglich regelmäßig in den Betrieb nach D fahren. Hätte er - wie vor seiner Freistellung - zu den Baustellen fahren müssen, so hätte er hiermit verbundene Aufwendungen als Kilometergeld erstattet bekommen. Deswegen sei der Fahrtkostenaufwand für die Fahrten in den Betrieb nach D für ihn ein zusätzlicher Kostenaufwand. Ein Umzug mit seiner Familie an den Sitz des Betriebes in D komme wegen der Unsicherheit hinsichtlich der Dauer seines Betriebsratsamtes und seiner Freistellung nicht in Betracht und sei seiner Familie auch nicht zumutbar. Für die tatsächlich durchgeführten arbeitstäglichen Fahrten von seiner Wohnung in den Betrieb und zurück in den Monaten Juli, August und September 1987 schulde ihm die Arbeitgeberin 1.989,12 DM.
Der Antragsteller hat zuletzt sinngemäß beantragt,
die Arbeitgeberin zu verpflichten, an den Antrag-
steller 1.989,12 DM zu zahlen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat das zunächst eingeleitete Urteilsverfahren für unzulässig gehalten und erwidert, nicht zur Erstattung der Fahrtkosten gem. § 40 Abs. 1 BetrVG verpflichtet zu sein. Wenn der Antragsteller nicht mehr von seiner Wohnung aus zur Baustelle, sondern in den Betrieb fahre, lege er nur den Weg zurück, den jeder Arbeitnehmer auch sonst auf eigene Kosten zurückzulegen habe. Für Montagearbeiter erfolge die Erstattung der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Montagestelle (Baustelle) nur deshalb, weil so insgesamt die zurückzulegenden Wege verkürzt würden und dies auch im Interesse des Montagearbeiters liege. Ohne eine solche Regelung müßte ein Montagestammarbeiter zunächst auf eigene Kosten in den Betrieb und von dort aus gegen Fahrgelderstattung zu den Montagestellen fahren. Die betriebliche Regelung, Montagestammarbeitern Fahrgeld bei Einsätzen im Betrieb zu zahlen, gelte nur für vorübergehende, nicht aber für ständige Einsätze.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihr verfolgt der Antragsteller seinen Antrag weiter, während die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Die Arbeitgeberin hat die Aufwendungen des Antragstellers für seine regelmäßigen Fahrten zwischen seiner Wohnung und ihrem Betrieb nicht unter dem im vorliegenden Verfahren allein in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt der Kosten des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen.
I. Der Rechtsstreit wird in der zutreffenden Verfahrensart, nämlich im Beschlußverfahren, geführt. Es handelt sich um eine Streitigkeit aus dem Betriebsverfassungsgesetz, für die das Beschlußverfahren vorgesehen ist (vgl. § 2 a Abs. 1 Nr. 1 in Verb. mit den §§ 80 ff. ArbGG). Der Antragsteller verlangt als Betriebsratsmitglied die Erstattung ihm tatsächlich entstandener Aufwendungen mit der Begründung, es handele sich hierbei um Kosten des Betriebsrats i.S. des § 40 Abs. 1 BetrVG. Derartige Rechtsstreitigkeiten sind im Beschlußverfahren auszutragen (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler: BAGE 60, 385, 387 = AP Nr. 28 zu § 40 BetrVG 1972, unter B I der Gründe, m.w.N.).
II. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Die Kosten des Betriebsrats i.S. dieser Vorschrift können auch Aufwendungen eines Betriebsratsmitgliedes umfassen, wenn und soweit sie durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstanden sind (vgl. BAGE 60, 385, 388 = AP Nr. 28 zu § 40 BetrVG 1972, unter B II 1 der Gründe, m.w.N.). Hierzu zählen Fahrtkosten, die das Betriebsratsmitglied zur Durchführung konkreter Betriebsratstätigkeit aufgewendet hat. Für Fahrtkosten aus Anlaß von Fahrten zwischen dem Betrieb und der Wohnung des Betriebsratsmitgliedes gilt dies allerdings nur insoweit, als das Betriebsratsmitglied nicht hätte in den Betrieb fahren müssen, wenn nicht die konkrete Betriebsratstätigkeit von ihm zu erledigen gewesen wäre. Fahrtkosten, die das Betriebsratsmitglied auch ohne Rücksicht auf die Erledigung konkreter Betriebsratstätigkeit hätte aufwenden müssen, um seiner Pflicht zu genügen, sich im Betrieb zur Arbeit bereitzustellen, sind keine Kosten, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstanden sind.
1. Dieses Verständnis des § 40 Abs. 1 BetrVG folgt aus dem Regelungszusammenhang des Betriebsverfassungsgesetzes. Im Hinblick darauf, daß das Betriebsratsamt ein Ehrenamt ist, welches Betriebsratsmitglieder unentgeltlich zu führen haben (vgl. § 37 Abs. 1 BetrVG), wie auch auf das gesetzliche Verbot der Begünstigung und der Benachteiligung der Betriebsratsmitglieder (vgl. § 78 Satz 2 BetrVG) dürfen unter den durch die Tätigkeit des Betriebsrats verursachten Kosten i.S. des § 40 Abs. 1 BetrVG nicht alle persönlichen Aufwendungen des Betriebsratsmitgliedes verstanden werden, die nur irgendwie im Zusammenhang mit seiner Betriebsratsmitgliedschaft oder -betätigung entstanden sind, insbesondere nicht solche seiner persönlichen Lebensführung. Vielmehr dürfen zu den durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandenen Kosten i.S. des § 40 Abs. 1 BetrVG nur solche persönlichen Aufwendungen eines einzelnen Betriebsratsmitgliedes gezählt werden, die ihm über seine persönliche Lebensführung hinaus zur Erledigung konkreter ihm obliegender Betriebsratsaufgaben entstanden sind. Es verstieße gegen den Grundsatz der Unentgeltlichkeit wie auch gegen das gesetzliche Begünstigungsverbot, solche Kosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die für das Betriebsratsmitglied nicht zusätzlich für gesonderte Fahrten zur Erledigung konkreter Betriebsratstätigkeit angefallen sind, sondern auch angefallen wären, wenn nicht konkrete Betriebsratstätigkeit zu leisten gewesen wäre, als durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstandene Kosten i.S. des § 40 Abs. 1 BetrVG anzusehen. Denn dann würde das Betriebsratsmitglied von einem Teil des Aufwandes für seine persönliche Lebensführung befreit. Grundsätzlich ist es Sache des Arbeitnehmers, sich auf seine Kosten in der Betriebsstätte zur Arbeitsleistung einzufinden. Hieran ändert sich nichts, wenn anstelle der nach dem Arbeitsvertrag geschuldeten Arbeit konkrete Betriebsratsaufgaben zu erledigen sind, der Arbeitnehmer indessen zur Erbringung der ihm sonst obliegenden Arbeitsleistung gleichermaßen den Weg zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb und zurück auf seine Kosten hätte überwinden müssen (vgl. BAGE 60, 385, 389 = AP Nr. 28 zu § 40 BetrVG 1972, unter B II 2 der Gründe).
2. Derartige Wegekosten zwischen der Wohnung und dem Betrieb sind auch dann nicht Kosten des Betriebsrats i.S. des § 40 Abs. 1 BetrVG, wenn der Arbeitnehmer ohne Betriebsratstätigkeit aus anderen Gründen, z.B. aus Arbeits- oder Tarifvertrag oder aufgrund betrieblicher Regelungen, ganz oder teilweise einen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb oder - bei Einsätzen außerhalb des Betriebes - zwischen seiner Wohnung und außerbetrieblichen Einsatzstellen (Baustelle, Montagestelle usw.) hätte. Bei einer solchen Fallkonstellation ist vielmehr zu prüfen, ob es sich bei auf derartigen Rechtsgrundlagen beruhenden Zahlungspflichten des Arbeitgebers um Arbeitsentgelt i.S. des § 37 Abs. 2 BetrVG handelt, welches durch die Arbeitsbefreiung zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben nicht gemindert werden darf. Für einen Streit darüber, ob dem Arbeitnehmer Fahrtkostenersatz zugestanden hätte, wenn er nicht Betriebsratstätigkeit ausgeübt hätte, ist überdies nicht das Beschlußverfahren die zutreffende Verfahrensart, sondern das Urteilsverfahren. Dementsprechend hat der Senat im Urteilsverfahren geprüft, ob ein Anspruch auf Fahrtkostenerstattung auf der Grundlage des Bundesmontagetarifvertrages vom 30. April 1980 (BMTV) zum Arbeitsentgelt i.S. des § 37 Abs. 2 BetrVG zählt; er hat diese Frage verneint (BAG Urteil vom 14. September 1988 - 7 AZR 753/87 - NZA 1989, 856, 857).
3. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für nicht freigestellte wie auch für gem. § 38 BetrVG von der vertraglichen Arbeitspflicht, nämlich ihrer beruflichen Tätigkeit, freigestellte Betriebsratsmitglieder.
a) Allerdings ist bei nach § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieder zu beachten, daß sie infolge ihrer Freistellung grundsätzlich die Pflicht haben, während ihrer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit am Sitz des Betriebsrats in dem Betrieb, zu dessen Betriebsratsmitgliedern sie zählen, anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratstätigkeit bereitzuhalten. Diese Verpflichtung besteht für sie, weil sonst gegebenenfalls weitere, nicht freigestellte Betriebsratsmitglieder zur Erledigung notwendiger Betriebsratsaufgaben für den konkreten Einzelfall gem. § 37 Abs. 2 BetrVG von ihrer Arbeitspflicht befreit werden müßten. Von dieser grundsätzlichen Anwesenheitspflicht im Betrieb ist das freigestellte Betriebsratsmitglied nur entbunden, soweit es zur Erfüllung ihm obliegender Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist (vgl. BAG Urteil vom 31. Mai 1989 - 7 AZR 277/88 - AP Nr. 9 zu § 38 BetrVG 1972, unter 3 der Gründe). Die Pflicht, sich für Betriebsratstätigkeit im Betrieb bereitzuhalten, tritt als gesetzliche Rechtsfolge der Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes von seiner beruflichen Tätigkeit nach § 38 BetrVG ein. Gegebenenfalls ändert sich daher der Ort der Leistungserbringung (vgl. § 269 BGB) für Betriebsratsmitglieder ganz oder teilweise, die ohne ihre Freistellung ihre Arbeitsleistung nicht oder nicht nur in dem Betrieb oder der Betriebsstätte zu erbringen hätten, in der der Betriebsrat seinen Sitz hat.
b) Der Eintritt dieser Rechtsfolge ist nicht durch § 78 Satz 2 BetrVG im Hinblick auf das Benachteiligungsverbot für Betriebsratsmitglieder ausgeschlossen. Weder § 78 Satz 2 BetrVG noch die §§ 37, 38 BetrVG noch § 40 Abs. 1 BetrVG ordnen an, jedweden "Nachteil" des einzelnen Betriebsratsmitgliedes aus der Betriebsratstätigkeit auszugleichen. Es mag zwar sein, daß die "nachteiligen" Folgen für ein freigestelltes Betriebsratsmitglied größer sein können als für ein nicht von seiner beruflichen Tätigkeit freigestelltes. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt. Dementsprechend hat er den Zeitraum für die Weiterzahlung des auch bei nicht freigestellten Betriebsratsmitgliedern nach § 37 Abs. 4 BetrVG zu bemessenden Arbeitsentgeltes und für die Beschäftigung nach § 37 Abs. 5 BetrVG auf zwei Jahre nach Ablauf der Amtszeit für Mitglieder des Betriebsrates erhöht, die drei volle aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt waren (§ 38 Abs. 3 BetrVG). In § 38 Abs. 4 BetrVG hat er weitergehende Schutzmaßnahmen getroffen, darunter ein Verbot des Ausschlusses freigestellter Betriebsratsmitglieder von inner- und außerbetrieblichen Maßnahmen der Berufsbildung und eine besondere Regelung zur Nachholung einer infolge der Freistellung unterbliebenen betriebsüblichen Entwicklung innerhalb eines Jahres bzw. innerhalb zweier Jahre für solche Betriebsratsmitglieder, die drei aufeinanderfolgende Amtszeiten freigestellt waren. Zudem kann ein Betriebsratsmitglied auch nicht freigestellt werden, ohne daß es sowohl seiner Kandidatur zur Freistellung als auch dem Freistellungsakt selbst zugestimmt hat (vgl. statt vieler: Fitting/Auffarth/Kaiser/ Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 38 Rz 25 b, 41 d, jeweils m.w.N.).
c) Die Erwägungen des Antragstellers, es sei ihm oder seiner Familie nicht zumutbar, an den Sitz des Betriebes umzuziehen, ändern hieran nichts. Weil sich gegebenenfalls als gesetzliche Folge der Freistellung des § 38 BetrVG der Ort der Erbringung der vertraglichen Arbeitsleistung ändern kann in den Ort, an welchem sich das freigestellte Betriebsratsmitglied zur Erledigung ihm obliegender Betriebsratsaufgaben bereitzuhalten hat, stehen freigestellte Betriebsratsmitglieder hinsichtlich der Frage, ob ihre Aufwendungen für Fahrten zwischen ihrer Wohnung und dem Betrieb, in dem sie sich zur Betriebsratsarbeit bereithalten müssen, grundsätzlich nicht anders da als andere Angehörige des Betriebes, die ihre Arbeit nur im Betrieb zu erbringen haben.
III. Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, daß dem Antragsteller gegenüber der Arbeitgeberin kein Anspruch nach § 40 Abs. 1 BetrVG des Inhaltes zusteht, die Aufwendungen des Antragstellers für seine regelmäßigen Fahrten zwischen seiner Wohnung und dem Betrieb in D zu tragen. Vielmehr sind diese Aufwendungen der Privatsphäre des Antragstellers zuzurechnen; als freigestelltes Betriebsratsmitglied muß er sich im Betrieb der Arbeitgeberin in D (Hauptverwaltung) zur Leistung von Betriebsratsarbeit bereithalten. Die Wegekosten zwischen seiner Wohnung und der Hauptverwaltung, die der Antragsteller insoweit regelmäßig aufzuwenden hat, entstehen nicht durch die Tätigkeit des Betriebsrats. Die Erwägung des Antragstellers, daß er wirtschaftlich keinen Fahrtkostenaufwand zu tragen gehabt hätte, wäre er ohne Freistellung von seiner Wohnung aus zu Baustellen- und Montageeinsätzen gefahren, weil er insoweit Fahrtkostenerstattungen nach dem BMTV zu beanspruchen gehabt hätte, ändern hieran nichts. Diese Erwägungen greifen nicht im Rahmen des § 40 Abs. 1 BetrVG Platz, sondern wären allenfalls erheblich, wenn es sich bei jenen Fahrtkostenerstattungen entgegen der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 14. September 1988 - 7 AZR 753/87 - NZA 1989, 856 f.) um Arbeitsentgelt i.S. des § 37 Abs. 2 BetrVG handeln würde, das infolge der Freistellung zur Erledigung von Betriebsratsarbeit nicht gemindert werden darf.
IV. Die weitergehenden Erwägungen des Landesarbeitsgerichts, mit welchen Arbeitnehmern am Stammsitz der Arbeitgeberin in D der Antragsteller am ehesten vergleichbar wäre, können dahinstehen. Für die Frage, ob dem Antragsteller die geltend gemachten Aufwendungen als Kosten aus der Tätigkeit des Betriebsrats gem. § 40 Abs. 1 BetrVG zustehen oder nicht, ist rechtlich ohne Bedeutung, ob ihm aus der betrieblichen Regelung über den Fahrtkostenzuschuß für ständig im Betrieb in D tätige Arbeitnehmer ein Anspruch gegen die Arbeitgeberin zusteht. Ebensowenig kommt es im vorliegenden Fall darauf an, ob der Antragsteller insoweit konkret mit anderen Arbeitnehmern oder mit einer bestimmten Gruppe anderer Arbeitnehmer der Arbeitgeberin vergleichbar ist. Diese Fragen wären nur von Bedeutung, wenn die Beteiligten darüber stritten, ob auf eine Kostenübernahme nach § 40 Abs. 1 BetrVG ein gezahlter Fahrgeldzuschuß anzurechnen wäre, oder wenn unter den Beteiligten streitig wäre, inwieweit dem Antragsteller ein - ohnehin nur im Urteilsverfahren zu verfolgender - Anspruch auf Gewährung des Fahrtkostenzuschusses zustünde. Im vorliegenden Verfahren wird über diese Punkte indessen nicht gestritten.
Dr. Steckhan Richter Kremhelmer Schliemann
hat Urlaub.
Dr. Steckhan
Dr. Sponer Schmalz
Fundstellen
BAGE 68, 224-232 (LT1-2) |
BAGE, 224 |
BB 1992, 921 |
BB 1992, 921-922 (LT1-2) |
DB 1991, 2594-2595 (LT1-2) |
DStR 1992, 227-227 (T) |
BuW 1991, 511 (KT) |
BetrVG, (6) (LT1-2) |
Stbg 1992, 95-95 (K) |
ARST 1992, 35-37 (LT1-2) |
NZA 1992, 72 |
NZA 1992, 72-74 (LT1-2) |
RdA 1992, 61 |
AP § 40 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 39 |
EzA § 40 BetrVG 1972, Nr 66 (LT1-2) |
MDR 1992, 385 (ST) |