Leitsatz (redaktionell)
(Widerspruch nach § 99 BetrVG bei Einsatz von Leiharbeitern)
Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung im Entleiherbetrieb mit der Begründung verweigern, es handele sich um eine Überlassung für mehr als sechs aufeinanderfolgende Monate und verstoße damit gegen Art 1 § 3 Abs 1 Nr 6 AÜG.
Normenkette
AFG § 4; AÜG Art. 1 §§ 9, 13, 10; BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1; AÜG Art. 1 § 1 Abs. 2, § 14 Abs. 3, § 3 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 04.08.1987; Aktenzeichen 4 TaBV 14/87) |
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 17.12.1986; Aktenzeichen 5 BV 22/86) |
Gründe
A. Anlaß für das vorliegende Beschlußverfahren war die Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zum Einsatz des Konstrukteurs Willi G. als Leiharbeitnehmer für die Zeit vom 20. Oktober 1986 bis 17. April 1987. Herr G. war bei der Entleiherin bereits vom 2. September 1985 bis 20. Januar 1986 und vom 3. März bis 3. September 1986 als Leiharbeitnehmer mit den gleichen Aufgaben, nämlich Konstruktionsarbeiten an einer Positionssonden-Meßvorrichtung beschäftigt. Der Betriebsrat widersprach der dritten Überlassung mit der Begründung, diese verstoße gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Die dreimalige aufeinanderfolgende Beschäftigung, nur unterbrochen durch die von der Bundesanstalt für Arbeit vorgegebenen Mindestfristen, verstoße gegen Sinn und Zweck des AÜG und sei sittenwidrig. Er hat behauptet, es sei von Anfang an geplant gewesen, Herrn G. langfristig - nur durch die üblichen Zeiten unterbrochen - zu beschäftigen.
Das Arbeitsgericht hat auf Antrag des Arbeitgebers die Zustimmung des Betriebsrats zur Überlassung des Leiharbeitnehmers G. ersetzt. Gegen diesen Beschluß hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt. Nachdem G. in der Zwischenzeit bei dem Entleiher wieder ausgeschieden war, hat der Betriebsrat vor dem Landesarbeitsgericht seine Auffassung, ihm stehe in derartigen Fällen ein Zustimmungsverweigerungsrecht zu, mit einem Feststellungsantrag weiterverfolgt.
Er hat hierzu vorgetragen, für einen solchen Feststellungsantrag bestehe ein Rechtsschutzinteresse, weil der Arbeitgeber immer wieder Leiharbeitnehmer für mehr als sechs Monate mit kurzzeitigen Unterbrechungen beschäftige. Auch in Zukunft sei mit ähnlichen Leiharbeitnehmereinsätzen zu rechnen. In der Sache selbst hat der Betriebsrat die Auffassung vertreten, Beschäftigungen, wie die des Leiharbeitnehmers G., verstießen gegen Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG. Schon der zeitliche Ablauf der Einsätze dieses Arbeitnehmers mache deutlich, daß es um eine Dauerbeschäftigung gehe, die nur rein formal unterbrochen worden sei. Auch die in anderen Fällen eingesetzten Leiharbeitnehmer seien mit langfristig zu bearbeitenden Tätigkeiten befaßt gewesen. Unabhängig von der Zeitdauer der Unterbrechung der Einsätze desselben Leiharbeitnehmers liege eine objektive Gesetzesumgehung vor, wenn von vornherein beabsichtigt sei, den Arbeitnehmer wieder bei demselben Entleiher einzusetzen. Ebendies sei bei dem Arbeitnehmer G. - wie auch bei der Beschäftigung anderer Leiharbeitnehmer - der Fall. Dementsprechend könne der Betriebsrat in solchen Fällen seine Zustimmung zum Einsatz verweigern.
Der Betriebsrat hat beantragt festzustellen, daß die Antragstellerin nicht berechtigt ist, Leiharbeitnehmer zu beschäftigen, wenn die zuvor durchgeführte Beschäftigung lediglich zum Zwecke der hinterherigen Weiterbeschäftigung für einen Zeitraum von 25 % der vorherigen Beschäftigungszeit unterbrochen worden ist.
Der Arbeitgeber hat beantragt, diesen Antrag abzuweisen.
Zur Begründung hat er vorgetragen, der Betriebsrat habe kein Rechtsschutzinteresse für seinen Feststellungsantrag, er begehre vielmehr ein Rechtsgutachten, da der Leiharbeitnehmer G. schon lange wieder aus dem Betrieb ausgeschieden sei. Im übrigen habe der Gesetzgeber in Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG nur die Dauer des einzelnen Leiharbeitsvertrages auf sechs Monate begrenzen wollen. Sinn und Zweck der Bestimmung liege nicht darin, die mehrmalige Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers bei demselben Entleiherbetrieb zu untersagen. Im übrigen habe er, der Arbeitgeber, die Verwaltungsanweisung der Bundesanstalt für Arbeit beachtet und den Leiharbeitnehmer erst nach einer Unterbrechung von 25 % der vorangegangenen Beschäftigungszeit wieder eingestellt. Von vornherein geplant sei der mehrmalige Einsatz des Leiharbeitnehmers G. nicht gewesen. Im übrigen habe der Gesetzgeber bei einem Verstoß gegen Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG die privatrechtliche Folge der Rechtsunwirksamkeit nicht angeordnet.
Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats als unbegründet zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Feststellungsantrag weiter, während der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B.I. Der Feststellungsantrag des Betriebsrats ist zulässig.
1. Ursprünglich hatte der Betriebsrat beantragt, den Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung zur Beschäftigung abzuweisen. Nachdem der Streit über die Zustimmungsbedürftigkeit der Überlassung und Beschäftigung des Leiharbeitnehmers G. sich durch Zeitablauf erledigt hatte, hat der Betriebsrat dem durch Antragsänderung Rechnung getragen.
Der reine Wortlaut des Antrags läßt es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß der Betriebsrat ein Rechtsgutachten verlangt, denn der Betriebsrat hat nicht beantragt festzustellen, daß er in einer bestimmten Fallkonstellation ein Z u s t i m m u n g s v e r w e i g e r u n g s r e c h t habe, sondern daß der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, Leiharbeitnehmer zu beschäftigen, wenn die zuvor durchgeführte Beschäftigung lediglich zum Zwecke der nachfolgenden Weiterbeschäftigung für einen Zeitraum von 25 % der vorherigen Beschäftigungszeit unterbrochen worden ist. Dem Antrag ist also nicht ohne weiteres zu entnehmen, daß der Betriebsrat geklärt haben will, ob ihm ein Zustimmungsverweigerungsrecht zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag jedoch zutreffend dahin ausgelegt, daß der Betriebsrat die Feststellung begehrt, er habe ein Zustimmungsverweigerungsrecht, wenn die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers lediglich zum Zwecke der weiteren Beschäftigung für einen Zeitraum von 25 % der bisherigen Beschäftigungszeit unterbrochen worden ist. Aus dem Widerspruch des Betriebsrats und dessen Vortrag im vorliegenden Verfahren ergibt sich nämlich, daß die Betriebsparteien einzig und allein darüber gestritten haben, ob der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG in Verbindung mit Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG ein Zustimmungsverweigerungsrecht hat, wenn bei der beabsichtigten Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers von mehr als sechs Monaten das Arbeitsverhältnis vor oder gerade nach Ablauf von sechs Monaten für 25 % der bisherigen Beschäftigungszeit unterbrochen und danach fortgesetzt wird.
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht das Rechtsschutzinteresse für den Antrag anerkannt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß bei einem behaupteten Verstoß gegen Beteiligungsrechte des Betriebsrats, der in der Vergangenheit liegt, ein Rechtsschutzinteresse für die Feststellung bejaht wird, dem Betriebsrat stehe ein entsprechendes Beteiligungsrecht zu, wenn die Streitfrage in einer Vielzahl von Fällen aufgetreten ist und auch in Zukunft auftreten wird (BAGE 39, 259 = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979; BAG Beschluß vom 10. April 1984 - 1 ABR 73/82 - AP Nr. 3 zu § 81 ArbGG 1979 und BAGE 49, 180, 185 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972, zu B I 2 b der Gründe). Nur mit solchen Feststellungsanträgen wird bei personellen Einzelmaßnahmen vorübergehender Art eine höchstrichterliche Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Streitfragen ermöglicht (Senatsbeschluß vom 10. April 1984, aaO). Der vom Anlaßfall gelöste Feststellungsantrag muß allerdings - wie geschehen - noch in der Tatsacheninstanz gestellt werden, da neue Anträge in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht zulässig sind (aaO).
Vorliegend hat der Betriebsrat behauptet, der Arbeitgeber beabsichtige, auch zukünftig Leiharbeitnehmer länger als sechs Monate mit Unterbrechungen von jeweils 25 % der vorhergehenden Beschäftigungszeit einzusetzen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden sind, hat dies der Arbeitgeber "nicht weiter in Abrede gestellt". Dementsprechend besteht ein Rechtsschutzinteresse für die Klärung der Streitfrage, ob dem Betriebsrat bei dem Einsatz von Leiharbeitnehmern ein Zustimmungsverweigerungsrecht zusteht, wenn die bisherige Beschäftigung lediglich zum Zwecke der späteren Weiterbeschäftigung für einen Zeitraum von 25 % der bisherigen Beschäftigungszeit unterbrochen wird.
II. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG kein Verbotsgesetz im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG sei.
1. Nach Art. 1 § 14 Abs. 3 AÜG ist "vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung" der Betriebsrat des Entleiherbetriebes nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Diese Vorschrift bezieht sich unmittelbar nur auf die erlaubte gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, ist aber wegen gleicher Interessenlage, der Betroffenheit der Belegschaft des aufnehmenden Betriebes auch auf die nicht gewerbsmäßige und die unerlaubte gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung entsprechend anzuwenden (Becker/Wulfgramm, AÜG, 3. Aufl., Art. 1 § 14 Rz 123 bis 126; Ulber, AuR 1982, 54; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 99 Rz 11; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 99 Rz 12; Heinze, Personalplanung, Einstellung und Kündigung, 1982, Rz 411; a.A. Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 99 Rz 19). Vorliegend ergibt sich aus dem Anschreiben des Arbeitgebers an den Betriebsrat und dessen Stellungnahme, daß es sich um erlaubte gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung handelt. Dementsprechend hat der Arbeitgeber des Entleiherbetriebes den Betriebsrat auch beteiligt.
2. Nach § 99 Abs. 2 Ziffer 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung verweigern, wenn die personelle Maßnahme gegen ein Gesetz verstoßen würde.
Das Landesarbeitsgericht hat die Auffassung vertreten, der Feststellungsantrag sei unbegründet, weil es sich bei Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG nicht um ein Verbotsgesetz handele. Dem hat der Senat nicht folgen können.
a) Richtig ist, daß ein Zustimmungsverweigerungsgrund i.S. von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nur vorliegt, wenn die personelle Maßnahme als solche gesetzeswidrig ist. Es genügt nicht, daß einzelne Vertragsbestimmungen gegen Gesetze verstoßen (BAG Beschluß vom 20. Juni 1978 - 1 ABR 65/75 - AP Nr. 8 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 49, 180 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972, m.w.N. auch für die Gegenmeinung).
b) Zu Unrecht entnimmt das Landesarbeitsgericht aber der Senatsentscheidung vom 16. Juli 1985 (BAGE 49, 180), der Betriebsrat könne die Zustimmung nur verweigern, wenn die personelle Maßnahme gegen ein gesetzliches Verbot im technischen Sinne verstoße. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, erwähnt § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG den Begriff des Verbotsgesetzes nicht. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG verlangt auch nicht, daß Rechtsfolge des Gesetzesverstoßes die Rechtsunwirksamkeit der zugrundeliegenden Maßnahme sein müßte. Dementsprechend hat der erkennende Senat auch ausgeführt, ein Gesetzesverstoß liege vor, wenn schon die Einstellung als solche oder die beabsichtigte Art der Beschäftigung zwingende Arbeitsschutzbestimmungen verletzt. Sinn und Zweck von § 99 Abs. 2 Nr. 1 bis 6 BetrVG ist es, die kollektiven Interessen der Belegschaft und die individuellen Interessen betroffener einzelner Arbeitnehmer durch das Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats zu schützen. Die beabsichtigte Überlassung eines Leiharbeitnehmers für die Dauer von mehr als sechs Monaten berechtigt daher den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung, wenn durch sie Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG verletzt wird, weil damit zugleich die individuellen Interessen des einzustellenden Leiharbeitnehmers oder die kollektiven Interessen der Belegschaft des Entleiherbetriebs betroffen sind.
aa) Hierbei kann es entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht darauf ankommen, daß Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG sich an den Verleiher wendet und vorschreibt, daß ihm die Erlaubnis bzw. deren Verlängerung zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zu versagen ist, wenn der Tatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG erfüllt ist. Daß der Gesetzgeber bei dem Versuch, die sozialpolitisch unerwünschten Seiten der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zu bekämpfen, sich zunächst an den Verleiher wendet, ist naheliegend, geht es doch in erster Linie darum, sicherzustellen, daß durch die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung die typischen Arbeitgeberrisiken nicht auf den Leiharbeitnehmer abgewälzt werden, und sicherzustellen, daß das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit nicht unzulässigerweise umgangen wird. Aus diesem Grunde wird die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung von der Erteilung einer Erlaubnis abhängig gemacht und im einzelnen aufgeführt, wann diese Erlaubnis zu versagen oder zurückzunehmen ist. Daneben nimmt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in den §§ 9, 10 und 13 bei bestimmten Verstößen des Verleihers auch den Entleiher in Anspruch, um auf diese Weise beim Entleiher das Interesse zu steigern, nur in dem Maße auf die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zurückzugreifen, wie dies das Gesetz gestattet.
bb) Bei der Beantwortung der Frage, ob die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers gegen Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG verstößt, hat das Landesarbeitsgericht nicht genügend beachtet, daß es sich bei Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG nicht lediglich um eine gewerberechtliche Vorschrift handelt, sondern mit Hilfe dieser Bestimmung gerade der Einsatz von Leiharbeitnehmern verhindert werden sollte, wenn eine Beschäftigung für länger als sechs Monate möglich ist. Zweck der ursprünglich in Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG enthaltenen dreimonatigen Einsatzlimitierung, die für die Zeit vom 1. Mai 1985 bis 31. Dezember 1989 auf sechs Monate erhöht wurde, ist es, die nachteiligen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Auswirkungen der langfristigen gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zu unterbinden (Amtliche Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. VI/2303, S. 12; vgl. auch Becker/Wulfgramm, aaO, Art. 1 § 3 Rz 51). Die Regelung konkretisiert die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 21, 261 = AP Nr. 7 zu § 37 AVAVG) vorgenommene Grenzziehung zwischen volkswirtschaftlich sinnvoller kurzfristiger und unerwünschter langfristiger Arbeitnehmerüberlassung. Der Gesetzgeber hat die Wertung des Bundesverfassungsgerichts übernommen, daß gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung dann sinnvoll sein kann, wenn sie der Überbrückung eines kurzfristigen Bedürfnisses, z.B. vorübergehender dringender Arbeiten, dient, die Überlassung auf längere Zeit aber die Gefahr einer Umgehung des staatlichen Arbeitsvermittlungsmonopols und der Umgehung von Arbeitnehmerschutzgesetzen mit sich bringt. Indem der Gesetzgeber in Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG anordnet, daß die Erlaubnis bzw. deren Verlängerung zu versagen ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Verleiher dem Entleiherbetrieb den Leiharbeitnehmer länger als sechs aufeinanderfolgende Monate überläßt, stellt er zugleich klar, daß er die Überlassung desselben Arbeitnehmers für länger als sechs aufeinanderfolgende Monate nicht will, daß ein Einsatz mit dieser Absicht also gegen Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG verstößt.
c) Ergibt sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck von Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG, daß diese Vorschrift die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers über die Dauer von sechs aufeinanderfolgenden Monaten hinaus ausschließen will, so folgt bereits daraus, daß der Betriebsrat ein Zustimmungsverweigerungsrecht hat, wenn der Leiharbeitnehmer von vornherein länger als sechs aufeinanderfolgende Monate beim Entleiher beschäftigt werden soll (ebenso Becker/Wulfgramm, aaO, Art. 1 § 14 Rz 99).
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch nicht aus Art. 1 § 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 1 § 13 AÜG. Es ist zwar richtig, daß Art. 1 § 1 Abs. 2 AÜG eine gesetzliche Vermutung dafür begründet, daß der Überlassende Arbeitsvermittlung betreibt, wenn die Dauer der Überlassung im Einzelfall sechs Monate übersteigt. Art. 1 § 13 AÜG ordnet dann an, daß bei einer solchen Arbeitsvermittlung (entgegen § 4 AFG) die arbeitsrechtlichen Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber dieses "Arbeitsverhältnisses" nicht durch Vereinbarung ausgeschlossen werden können. Mit dem Landesarbeitsgericht ist deshalb davon auszugehen, daß der Leiharbeitnehmer bei einer beabsichtigten Beschäftigung von mehr als sechs aufeinanderfolgenden Monaten wenigstens gegenüber dem Entleiher im wesentlichen arbeitsrechtlich abgesichert ist. Daraus folgt aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht, daß es unsinnig wäre, in einem solchen Falle dem Betriebsrat dennoch ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu geben. Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, daß Art. 1 § 13 AÜG nicht in jedem Falle ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer begründet, sondern nur sicherstellt, daß der Arbeitnehmer in allen Fällen, in denen die Überlassung gegen das staatliche Arbeitsvermittlungsmonopol verstößt, den Entleiher als Arbeitgeber in Anspruch nehmen kann. Ebenso wie nach Art. 1 § 10 Abs. 1 Satz 2 AÜG gilt auch nach Art. 1 § 13 AÜG das Arbeitsverhältnis nur als befristet, wenn die Überlassung des Leiharbeitnehmers für eine bestimmte Zeit vorgesehen war und ein die Befristung sachlich rechtfertigender Grund vorliegt. Schon die individuellen Interessen des Leiharbeitnehmers legen es daher nahe, ein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats zu bejahen.
Vor allem aber tangiert die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers entgegen der Vorschrift des Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG die kollektiven Interessen der Belegschaft des Betriebs. Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, daß dem Betriebsrat das Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 BetrVG insbesondere auch deswegen gegeben wird, um die kollektiven Interessen der betroffenen Belegschaft wahren zu können. Gerade die längerfristige, über sechs aufeinanderfolgende Monate hinausgehende Beschäftigung von Leiharbeitnehmern kann aber für die bestehende Belegschaft des Entleiherbetriebes eine Gefahr bedeuten, weil beim Einsatz eines Leiharbeitnehmers auf mehr als sechs Monate die Beschäftigungsmöglichkeit für Arbeitnehmer des Entleiherbetriebes entfallen kann, so daß deren Arbeitsplätze in Gefahr geraten.
3. Die Anerkennung eines Zustimmungsverweigerungsrechts des Betriebsrats bei Verletzung des Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG widerspricht nicht der Rechtsprechung des Senats zur Beteiligung des Betriebsrats bei befristeten Einstellungen (BAG Beschluß vom 20. Juni 1978 - 1 ABR 65/75 - AP Nr. 8 zu § 99 BetrVG 1972; BAGE 49, 180 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972). Bei einer befristeten Einstellung ist nicht die Einstellung als solche einem gesetzlichen Verbot unterworfen, sondern allenfalls erst die vorgesehene Art der späteren Auflösung des Arbeitsverhältnisses (BAG, aaO). Dagegen will Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers beim Entleiher über sechs Monate hinaus überhaupt verhindern. Deswegen verstößt gerade die Arbeitnehmerüberlassung als solche, wenn von vornherein eine mehr als sechsmonatige Beschäftigung geplant ist, gegen ein Gesetz im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Aus diesem Grunde gibt § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG in Verbindung mit Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG dem Betriebsrat das Recht zur Verweigerung der Zustimmung, wenn von vornherein beabsichtigt ist, den Leiharbeitnehmer länger als sechs Monate dem Entleiher zu überlassen.
4. Diese Absicht kann auch dann bestehen, wenn der Leiharbeitnehmer wiederholt beschäftigt wird und die Beschäftigungen durch Zeiten unterbrochen werden, die die Bundesanstalt für Arbeit für ausreichend hält, um eine mehr als sechs Monate dauernde Tätigkeit auszuschließen. Es besteht in der Literatur Einigkeit darüber, daß Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG auch verletzt ist, wenn von vornherein eine längere als sechsmonatige Arbeitnehmerüberlassung vereinbart ist und das Arbeitsverhältnis nach sechs Monaten nur unterbrochen wird, um Nr. 6 formal Genüge zu tun (vgl. Schubel, BB 1985, 1606, 1608; Ulber, AuR 1982, 54, 56). Ob bei einer wiederholten Beschäftigung diese Absicht tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Zustimmungsverweigerung, über die im vorliegenden Falle nicht zu entscheiden war. Ebensowenig hatte der Senat die weitergehende Frage, ob die erneute Überlassung eines bereits sechs Monate beschäftigten Leiharbeitnehmers nach einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses von 1,5 Monaten (= 25 % der Beschäftigungszeit entsprechend einer Verwaltungsanweisung der Bundesanstalt für Arbeit) bereits eine objektive Umgehung von Art. 1 § 3 Abs. 1 Nr. 6 AÜG darstellt, zu entscheiden.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Andersch Dr. Federlin
Fundstellen
Haufe-Index 437088 |
BAGE 59, 380-388 (LT1) |
BB 1989, 910-911 (LT1) |
DB 1989, 433-435 (LT1) |
EBE/BAG 1988, 23-24 (LT1) |
AiB 1989, 222-223 (ST1-5) |
BetrR 1989, 68-71 (LT1) |
DRsp, VI (642) 258 c (T) |
ARST 1989, 83-84 (LT1) |
Gewerkschafter 1989, Nr 2, 38-38 (T) |
NZA 1989, 358-360 (LT1) |
RdA 1989, 129 |
AP § 99 BetrVG 1972 (LT1), Nr 60 |
EzAÜG, Nr 299 (LT1) |
EzA § 99 BetrVG 1972, Nr 68 (LT1) |
JuS 1989, 677-678 (LT1) |