Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Klage nach Löschung der beklagten GmbH
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine GmbH bleibt im Passivprozess auch nach ihrer Löschung parteifähig, wenn sie möglicherweise noch einen Ersatzanspruch gegen den Liquidator gem. § 73 Abs. 3 GmbHG hat.
2. Eine vor der Löschung erteilte Prozessvollmacht besteht fort.
Normenkette
ZPO § 50 Abs. 1, § 51 Abs. 1, §§ 52, 86; GmbHG § 73 Abs. 3, § 66 Abs. 1, § 74 Abs. 3, 2 S. 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 12.02.2002; Aktenzeichen 15 Sa 2428/98) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 12. Februar 2002 – 15 Sa 2428/98 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die klagende Zusatzversorgungskasse für das Baugewerbe VVaG (im Folgenden: ZVK), eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien, die nach näherer Maßgabe der tariflichen Bestimmungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) Beiträge zu den Sozialkassen von den Arbeitgebern einzieht, nimmt die Beklagte auf Zahlung von Mindestbeiträgen für den Zeitraum von Januar 1993 bis Dezember 1996 in Anspruch.
Das Stammkapital der Beklagten hielt ihr vormaliger Geschäftsführer Herr X S allein. Am 20. Mai 1998 beschloss er die Auflösung der Gesellschaft und seine Bestellung zum Liquidator. Die Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 3. Juni 1998. Mit Schreiben vom 10. August 1999 widersprach die ZVK der Löschung der Beklagten im Handelsregister. Am 9. Oktober 2000 wurde in das Handelsregister eingetragen, daß die Beklagte erloschen ist.
Die ZVK hat behauptet, die gewerblichen Arbeitnehmer der Beklagten hätten im Klagezeitraum zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Gesamtarbeitszeit folgende Tätigkeiten ausgeführt: Kanalbauarbeiten, Aushub von Kanalgräben, Verlegen der Kanalrohre, Verfüllen der zuvor ausgehobenen Gräben, Erdbewegungsarbeiten, dh. Aushub von Baugräben, Gräben und Schächten und anschließendes Abtransportieren des angefallenen Erdreichs mittels eigener LKW. Dementsprechend sei die Beklagte beitragspflichtig.
Die ZVK hat die Beklagte zunächst für den Zeitraum von Januar bis November 1993 auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 30.513,84 DM und für den Zeitraum von Dezember 1993 bis Dezember 1996 auf Auskunft und hilfsweise Entschädigungszahlung in Anspruch genommen. Im Berufungsrechtszug hat sie die Klage für den Gesamtzeitraum auf Zahlung von Beiträgen umgestellt. Sie begehrt nunmehr nach näherer Spezifizierung für den Zeitraum Dezember 1993 bis November 1994 45.392,48 DM, für den Zeitraum Dezember 1994 bis November 1995 18.417,42 DM und für den Zeitraum Dezember 1995 bis Dezember 1996 15.356,32 DM.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 109.680,26 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig geworden, nachdem mit ihrer Löschung der bisherige Liquidator seine Stellung als gesetzlicher Vertreter verloren habe, ohne daß es zur Bestellung eines neuen gesetzlichen Vertreters gekommen sei. Sie sei nach der Löschung auch nicht mehr parteifähig. Die Beklagte hat behauptet, die Liquidationsschlussbilanz stehe vor der Erstellung. Liquide Mittel seien nicht mehr vorhanden; eine Schlussausschüttung sei nicht beabsichtigt.
Die Beklagte hat darüber hinaus den Anspruch dem Grund und der Höhe nach bestritten und behauptet, die beschäftigten Mitarbeiter hätten zu mehr als 50 % der Arbeitszeit baufremd gearbeitet. Es seien in dem Klagezeitraum Fuhrleistungen und Containerdienste (nicht für eigene Baustellen) zu ca. 35 %, Baustoffhandel zu ca. 5 %, Tiefbauarbeiten einschließlich des Einsatzes von Subunternehmen inkl. baulicher Zusammenhangstätigkeiten zu ca. 30 %, Abbrucharbeiten einschließlich des Einsatzes von Subunternehmen zu ca. 10 %, Werkstatt- und Lagerarbeiten ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 15 % und Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Verleih von Baumaschinen (Pumpen) ohne Personal und ohne baulichen Zusammenhang zu ca. 5 % erbracht worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben über die von der ZVK behaupteten Tätigkeitsanteile im Klagezeitraum durch Vernehmung mehrerer Mitarbeiter. Die Klägerin hat sich das Ergebnis der Beweisaufnahme zu Eigen gemacht. Nach Mitteilung der Löschung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die ZVK ihr Klageziel weiter.
Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte sei trotz ihrer Löschung parteifähig geblieben. Solange der Passivprozess schwebe, fehle es an einer Vollbeendigung der Abwicklung. Da ein Insolvenzantrag nicht gestellt worden und zudem unter der gleichen Anschrift eine „S Erdbau GmbH” tätig sei, bestehe der Verdacht, daß Auflösung und Löschung ausschließlich dem Zweck dienten, Gläubiger zu benachteiligen und die Geschäfte unter der anderen Firma fortzuführen. Da auch eine Haftung des Liquidators in Betracht zu ziehen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Beitragsansprüche noch realisiert werden könnten.
Obwohl der bisherige Liquidator durch die Löschung der Gesellschaft seine Stellung als gesetzlicher Vertreter der Beklagten in Liquidation verloren habe, sei die Beklagte auch nach wie vor handlungsfähig, weil die einmal wirksam erteilte Prozessvollmacht durch den Verlust der Prozessfähigkeit nicht berührt werde. Dies folge aus dem Normzweck von § 86 ZPO, den Prozessgegner vor Auswirkungen von Veränderungen auf der Gegenseite zu schützen.
Die Beklagte vertritt demgegenüber weiter die Auffassung, für die Zulässigkeit der Prozessfortsetzung fehle es auf Grund ihrer Löschung an ihrer Partei- und Prozessfähigkeit.
Entscheidungsgründe
Die Revision der ZVK ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die gelöschte GmbH im Passivprozess noch parteifähig sei. Nachdem mit der Löschung der Beklagten im Handelsregister der bisherige Liquidator seine Stellung als gesetzlicher Vertreter der Beklagten verloren habe, ohne daß es zur Bestellung eines neuen gesetzlichen Vertreters gekommen sei, fehle es an einer Prozessvoraussetzung. § 86 ZPO sei über seinen Wortlaut hinaus nicht analog auf Fälle anzuwenden, in denen die gesetzliche Vertretung einer juristischen Person weggefallen, aber ein Prozessbevollmächtigter mit fortbestehender Prozessvollmacht vorhanden sei. Insofern bestehe die Möglichkeit, auf die Bestellung eines Nachtragsliquidators hinzuwirken.
II. Dem folgt der Senat nicht. Die Beklagte ist nach wie vor als parteifähig zu behandeln. Die Veränderung in der Prozessfähigkeit infolge der Löschung der Beklagten hindert die Prozessfortsetzung wegen der zuvor erteilten Prozessvollmacht ebenfalls nicht.
1. Die Beklagte ist trotz ihrer Löschung im Handelsregister am 9. Oktober 2000 nach § 50 Abs. 1 ZPO parteifähig.
a) Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist parteifähig, wer rechtsfähig ist. Eine GmbH entsteht als juristische Person und wird rechtsfähig nach § 11 Abs. 1 GmbHG mit der Eintragung; sie erlischt mit Eintritt der Vollbeendigung, wobei diese die Vermögenslosigkeit und die Eintragung der Löschung voraussetzt (BAG 22. März 1988 – 3 AZR 350/86 – AP ZPO § 50 Nr. 6 = EzA ZPO § 50 Nr. 2; OLG Stuttgart 30. September 1998 – 20 U 21/98 – ZIP 1998, 1880; Scholz/Karsten Schmidt GmbHG 9. Aufl. § 74 Rn. 13; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Rasner GmbHG 4. Aufl. § 60 Rn. 54). Mit dem Wegfall der Rechtsfähigkeit erlischt grundsätzlich auch die Parteifähigkeit der juristischen Person.
b) Gleichwohl wird eine Gesellschaft auch im Passivprozess in einer Reihe von Konstellationen als parteifähig behandelt, wenn sie wegen Vermögenslosigkeit oder nach vollzogener Liquidation im Handelsregister gelöscht worden ist. Werden z.B. mit der Klage vermögensrechtliche Ansprüche verfolgt, reicht grundsätzlich die substantiierte Behauptung des Klägers aus, die GmbH habe noch Aktivvermögen (BAG 7. Februar 1990 – 8 AZR 469/88 –; BGH 2. Juni 1999 – VIII ZR 112/99 – BGHR ZPO § 398 Abs. 1 Ermessen Nr. 31; 6. Februar 1991 – VIII ZR 26/90 – BGHR BGB § 675 Bautreuhandvertrag Nr. 7). Vermögen in diesem Sinne liegt auch dann vor, wenn der Gläubiger im Liquidationsverfahren zu Unrecht übergangen worden ist und die Gesellschaft deshalb einen Ersatzanspruch gegen die Liquidatoren hat (BGH 10. Oktober 1988 – II ZR 92/88 – BGHZ 105, 259; BAG 9. Juli 1981 – 2 AZR 329/79 – BAGE 36, 125).
c) Es kann dahinstehen, ob im bereits laufenden Passivprozess trotz der Löschung stets von einer fortbestehenden Parteifähigkeit der GmbH auszugehen ist. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, daß weder ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt war noch zum Zeitpunkt der Löschung eine Liquidationsschlussbilanz vorgelegen hat. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, daß noch verteilungsfähiges Vermögen, gegebenenfalls in Form von Regressansprüchen der Gesellschaft gegenüber dem Liquidator nach § 73 Abs. 3 GmbHG, vorhanden ist. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Liquidation unter Verstoß gegen § 73 Abs. 2 Satz 2 GmbHG ohne vorherige Leistung von Sicherheiten zugunsten der Klägerin erfolgte (vgl. Scholz/Karsten Schmidt GmbHG 9. Aufl. § 73 Rn. 25 ff.). Für den Fall des Obsiegens der Klägerin in der Sache besteht dann weiterer Abwicklungsbedarf und es hat eine Nachtragsliquidation stattzufinden (vgl. Scholz/Karsten Schmidt aaO § 74 Rn. 18 ff.).
Gegen die völlige Vermögenslosigkeit der Beklagten spricht, daß offenbar keine Löschung von Amts wegen aus diesem Grund erfolgte (§ 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG; § 141a FGG). Bei Eintragung der Löschung wurde nämlich nicht vermerkt, die Löschung sei von Amts wegen gemäß den genannten Vorschriften erfolgt, was ggf. gem. § 19 Abs. 2 HRV geboten gewesen wäre. Die Beklagte ist deshalb trotz ihrer Löschung im Handelsregister weiter als parteifähig zu behandeln.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Beklagte auch prozessfähig nach § 51 Abs. 1, § 52 ZPO.
a) Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, Prozesshandlungen selbst oder durch selbst bestellte Vertreter wirksam vor- oder entgegenzunehmen (Thomas/Putzo ZPO 24. Aufl. § 51 Rn. 2). Eine GmbH ist als juristische Person als solche nicht fähig, Prozesshandlungen selbst vorzunehmen. Sie wird nach § 35 Abs. 1 GmbHG durch ihre Geschäftsführer und im Fall der Liquidation nach § 66 Abs. 1 GmbHG durch die Liquidatoren gesetzlich vertreten (vgl. Scholz/Karsten Schmidt GmbHG 9. Aufl. § 66 Rn. 2). Zwar hat der vormalige Geschäftsführer und spätere Liquidator der Beklagten, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, mit der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister seine Stellung als gesetzlicher Vertreter der Beklagten verloren (BAG 19. März 2002 – 9 AZR 752/00 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BFH 27. April 2000 – I R 65/98 – BFHE 191, 494). Es entspricht aber ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes, daß der Wegfall der Prozessfähigkeit dann ohne Bedeutung ist, wenn dem Prozessbevollmächtigten wirksam Prozessvollmacht erteilt worden ist, weil die Vollmacht nach § 86 ZPO weiter wirkt (vgl. BAG 19. März 2002 – 9 AZR 752/00 – aaO; 20. Januar 2000 – 2 AZR 733/98 – BAGE 93, 248; BGH 18. Januar 1994 – XI ZR 95/93 – NJW-RR 1994, 542; 8. Februar 1993 – II ZR 62/92 – BGHZ 121, 263; BFH 27. April 2000 – I R 65/98 – BFHE 191, 494; Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 86 Rn. 5; Baumbach/Hartmann ZPO 61. Aufl. § 86 Rn. 9; aA Zöller/Vollkommer ZPO 23. Aufl. § 86 Rn. 12).
b) Durchgreifende Gründe, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, enthält die Begründung des Landesarbeitsgerichts nicht. Der bloße Hinweis auf ein durch § 56 Abs. 2, § 57 Abs. 1, § 241 Abs. 1, § 246 Abs. 1 ZPO „auf die Konstellation abgestimmtes und ausreichendes Instrumentarium, welches für die Fälle der Löschung einer GmbH gem. § 141a FGG flankiert wird durch die Möglichkeiten, auf die Bestellung eines Nachtragsliquidators hinzuwirken”, überzeugt nicht. Die Betrachtungsweise des Landesarbeitsgerichts widerspricht dem Normzweck des § 86 ZPO, den Prozessgegner vor den Auswirkungen von Veränderungen auf der Gegenseite zu schützen und einen einmal begonnenen Rechtsstreit möglichst ohne Verzug zu Ende zu führen (BGH 8. Februar 1993 – II ZR 62/92 – BGHZ 121, 263). Die prozessunfähig gewordene Partei ist bei fortwirkender Prozessvollmacht im Sinne von § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO „nach den Vorschriften der Gesetze vertreten”, obwohl für sie zunächst kein gesetzlicher Vertreter bestellt ist und ein Mangel der Prozessfähigkeit gemäß § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu beachten ist (BAG 20. Januar 2000 – 2 AZR 733/98 – BAGE 93, 248 mwN). Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts würde zu dem unpraktikablen Ergebnis führen, daß auch in sonstigen Fällen des Wegfalls der Vertretungsbefugnis (Abberufung des Geschäftsführers etc.) trotz Fortbestands der Prozessvollmacht die klagende Partei jeweils gehalten wäre, auf die Notbestellung eines gesetzlichen Vertreters nach § 29 BGB oder eines Prozesspflegers nach § 57 ZPO hinzuwirken, und daß das Verfahren nur mit den Einschränkungen des § 56 Abs. 2 ZPO betrieben werden könnte. Die beklagte Partei hätte es dann in der Hand, einen Prozess durch Manipulation ihrer Vertretungsverhältnisse zu beeinflussen.
c) Daß dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten wirksam Prozessvollmacht zu einem Zeitpunkt erteilt worden ist, als die Beklagte noch gesetzlich vertreten war, ist zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Beklagte ist deshalb nach wie vor als prozessfähig zu behandeln.
III. Die Klage ist nicht nach § 563 Abs. 3 ZPO entscheidungsreif.
1. Sie kann nicht aus anderen Gründen (als unbegründet) abgewiesen werden.
a) Die Klage ist schlüssig. Die von der ZVK als im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend behaupteten Tätigkeiten sind bauliche Tätigkeiten iSv. § 1 Abschnitt V Nr. 22 und Nr. 36 VTV (BAG 20. März 2002 – 10 AZR 458/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 253); die ZVK hat unter Angabe der Beschäftigungszeiträume die im Betrieb der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter als Zeugen benannt.
b) Die Klage ist nicht dadurch unschlüssig geworden, daß sich die ZVK nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gem. der Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2001 „das Ergebnis der Beweisaufnahme zu eigen” gemacht hat. Darin liegt, auch wenn die ZVK sich nicht ausdrücklich den Inhalt der Zeugenaussagen, sondern das „Ergebnis der Beweisaufnahme” zu eigen gemacht hat, die Erklärung, daß die Zeugenaussagen als Sachvortrag zur Begründung des geltend gemachten Klageanspruchs übernommen und vorgetragen werden sollen. So hat auch das Landesarbeitsgericht die Erklärung verstanden und in den Tatbestand aufgenommen, die Klägerin habe das Ergebnis der Beweisaufnahme sich „ausdrücklich” zu Eigen gemacht.
Mit dieser Erklärung der ZVK wurde jedoch die Klage nicht deshalb unschlüssig, weil die Zeugenaussagen den geltend gemachten Anspruch nicht stützen bzw. im Widerspruch zu dem Vortrag der ZVK stehen, daß die Beklagte einen Baubetrieb betreibt. Die Zeugen T, K, K, L und M haben bekundet, sie hätten ausgehobenes Erdreich zu Lagerplätzen und Deponien gefahren. Die Zeugen Sch und R S haben ausgesagt, sie hätten Baggerarbeiten verrichtet und Kanalgräben und Baugruben ausgehoben und zugeschüttet. Dies sind bauliche Tätigkeiten nach § 1 Abschnitt V Nr. 36 VTV. Transportleistungen, die mit solchen baulichen Leistungen des Betriebes iSd. VTV im Zusammenhang stehen, können arbeitszeitlich den baulichen Leistungen hinzugerechnet werden (BAG 20. März 2002 – 10 AZR 458/01 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 253). Zwar hat der Zeuge M ausgesagt, er sei „nicht sicher, ob es sich bei den Baustellen immer um solche der Beklagten gehandelt habe” bzw. der Zeuge L, „er könne nicht sicher sagen, ob es sich um Material von eigenen Baustellen der Beklagten oder um solches von Dritten” gehandelt habe. Beiden Aussagen ist aber nicht eindeutig zu entnehmen, daß die Transportleistungen für Dritte verrichtet wurden. Ob die von beiden Zeugen bekundeten Tätigkeiten als bauliche Tätigkeit der Beklagten zugerechnet werden können, ist eine Frage der Beweiswürdigung.
c) Die Ansprüche sind nicht nach § 197 BGB aF verjährt. Die Klägerin hat für den Zeitraum Januar bis November 1993 mit der am 4. Dezember 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage Ansprüche auf Zahlung der Beiträge für diesen Zeitraum gerichtlich geltend gemacht. Ansprüche für den Zeitraum Dezember 1993 bis November 1994 hat die Klägerin mit dem am 24. Dezember 1998, für den Zeitraum Dezember 1994 bis November 1995 mit dem am 30. September 1999 und für den Zeitraum Dezember 1995 bis Dezember 1996 mit dem am 28. Dezember 2000 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz geltend gemacht. Damit ist die Verjährung nach § 209 Abs. 1 BGB aF unterbrochen.
d) Die Ansprüche sind nicht – auch nicht teilweise – nach § 31 Abs. 1 VTV aF bzw. § 25 Abs. 1 VTV nF (Fassung vom 20. Dezember 1999) verfallen. Die Beklagte rügt insoweit, die Geltendmachung habe gegenüber der Beklagten erfolgen müssen. Die mit Telefax vom 24. Dezember 1994 gegenüber dem Prozessbevollmächtigten vorgenommene Geltendmachung sei unzureichend, weil die erteilte Prozessvollmacht den Empfang einer solchen Erklärung nicht einbeziehe. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Geltendmachung gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten ist vorliegend ausreichend, da die Entgegennahme dieser Erklärung von der Prozessvollmacht nach § 81 ZPO erfasst wird.
Nach § 81 ZPO ermächtigt die Prozessvollmacht zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen. Zu den Prozesshandlungen gehört auch die Geltendmachung materieller Rechte und die Abgabe der erforderlichen Erklärungen. Auch Erklärungen außerhalb des Prozesses sind Prozesshandlungen im Sinne von § 81 ZPO, soweit es sich um streitgegenstandsbezogene Erklärungen handelt, die im Dienste der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung des jeweiligen Rechtsstreits stehen (Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 81 Rn. 10).
In denselben Grenzen, in denen die Vollmacht zur Vornahme von Prozesshandlungen ermächtigt, ist der Prozessbevollmächtigte auch befugt zur Entgegennahme von Prozesshandlungen des Gegners (Stein/Jonas/Bork ZPO 21. Aufl. § 81 Rn. 11), soweit sie sich auf den Gegenstand des Rechtsstreits beziehen (BAG 20. Mai 1998 – 2 AZR 739/87 – AP MuSchG 1968 § 9 Nr. 16 = EzA MuSchG § 9 nF Nr. 27 zur Entgegennahme der Anzeige der Schwangerschaft nach § 9 MuSchG). Dies gilt auch für die Entgegennahme streitgegenstandsbezogener Erklärungen, die außerhalb des Prozesses abgegeben werden können (Stein/Jonas/Bork aaO).
Regelmäßig ist eine Klage auf Auskunftserteilung als unbegründet abzuweisen, wenn der sich aus der Auskunft ergebende Zahlungsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden kann (für verjährte Ansprüche BAG 22. Juni 1994 – 10 AZR 656/93 –). Mit der rechtzeitigen Geltendmachung der Beitragsansprüche wird die Abweisung der Auskunftsklage für den jeweiligen Beitragszeitraum auf Grund Verfalls der Ansprüche verhindert. Die Geltendmachung der Beitragsansprüche bezieht sich deshalb auf den Gegenstand des Rechtsstreits und konnte gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten erfolgen.
2. Der Klage kann auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts auch nicht stattgegeben werden.
Ob die Klage begründet ist, hat das Landesarbeitsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent – nicht mehr entschieden und eine Würdigung des erhobenen Beweises unterlassen. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatsachengerichts und von diesem nachzuholen. Auch die Entscheidung über die von der Klägerin beantragte wiederholte Vernehmung des Zeugen K steht nach § 398 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Landesarbeitsgerichts und muß von diesem getroffen werden.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, v. Baumgarten, Großmann
Fundstellen