Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzschutz bei Wechsel des Versorgungsschuldners
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einer Betriebsveräußerung gehen nach § 613a BGB die Versorgungslasten der bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer (Renten und unverfallbare Anwartschaften) nicht auf den Betriebserwerber über (ständige Rechtsprechung). Deshalb richtet sich der gesetzliche Insolvenzschutz nach der wirtschaftlichen Lage des Betriebsveräußerers, und zwar auch dann, wenn dieser keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt, also nicht mehr Arbeitgeber ist.
2. Handelt es sich bei dem Betriebsveräußerer um eine reine Besitzgesellschaft und fusioniert diese mit einer anderen Gesellschaft, so wird die neue Gesellschaft Versorgungsschuldnerin. Der Insolvenzschutz richtet sich dann nicht nach der Entwicklung der ursprünglichen Haftungsmasse, sondern nach der wirtschaftlichen Lage der neuen Versorgungsschuldnerin.
Normenkette
UmwG § 5; BGB §§ 414-415; UmwG § 24; BetrAVG §§ 7, 4; BGB § 613a; BetrAVG § 1; UmwG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 05.02.1985; Aktenzeichen 6 Sa 17/84) |
ArbG Hannover (Entscheidung vom 14.12.1983; Aktenzeichen 2 Ca 78/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, wer von ihnen die Versorgungsverbindlichkeiten gegenüber den bis zum 27. Juni 1980 ausgeschiedenen Arbeitnehmern der R GmbH in K (künftig: R GmbH) zu tragen hat.
Die R GmbH gewährte ihren Mitarbeitern eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe einer Versorgungsordnung vom 2. Mai 1979. Gesellschafter der GmbH waren die Beklagte und Rechtsanwalt Dr. L. Durch notariellen Vertrag vom 27. Juni 1980 erwarb die R GmbH von der L GmbH & Co. KG Kapitalanteile im Nennwert von 3.463.332,13 DM. Sodann wurde das Gesellschaftskapital der L KG erhöht. Dafür brachte die R GmbH ihren gesamten Betrieb mit Aktiven und Passiven in die L KG ein. Die L KG wurde später in P GmbH & Co. KG umbenannt (künftig: Lu ).
Durch weiteren notariellen Vertrag vom 27. Juni 1980 übertrugen die Gesellschafter der R GmbH deren gesamtes Vermögen nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes auf die Beklagte. Damit fielen auch die Geschäftsanteile, die die R GmbH an der Lu hielt, an die Beklagte.
Bereits mit Rundschreiben vom 27. Dezember 1979 hatte sich die Lu an sämtliche Mitarbeiter, u.a. an die der R GmbH, gewandt und ihnen mitgeteilt:
"Die L KG (GmbH & Co.), H
(Beteiligung: P 50,85 %, O
49,15 %), sowie die P -Tochtergesellschaften
R GmbH, K und Z -
GmbH
& Co. KG, die seit Beginn dieses Jahres als organi-
satorische Einheit und Geschäftsbereich der P AG
unter einem einheitlichen Management tätig sind, sollen
nach einem Beschluß ihrer Gesellschafter in Kürze
auch gesellschaftsrechtlich zur P -
GmbH & Co. KG zusammengafaßt werden. An der
neuen Gesellschaft werden die P AG mit 75 %
und die O mit 25 % beteiligt sein.
...
Mit der rechtlichen Zusammenlegung unserer Gesell-
schaften haben wir eine noch bessere Basis, um die
vor uns liegenden Aufgaben zu bewältigen. Die neue
Firma tritt in alle Rechte und Pflichten der be-
stehenden Verträge ein. Für Ihr Arbeitsverhältnis
ändert sich nichts. ..."
Nach dem 27. Juni 1980 zahlte die Lu die betrieblichen Versorgungsleistungen an die Rentner der R GmbH; sie entrichtete auch an den Kläger als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung die entsprechenden Beiträge. Die Lu geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Am 18. Februar 1982 beantragte sie die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens; am 1. Mai 1982 wurde über ihr Vermögen das Anschlußkonkursverfahren eröffnet. Der Kläger trat daraufhin in die bestehenden Zahlungsverpflichtungen ein, ließ sich aber von den Rentnern deren Ansprüche abtreten.
Der Kläger will festgestellt haben, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Betriebsrenten an die vor dem 27. Juni 1980 aus der Roto GmbH ausgeschiedenen Rentner zu zahlen. Ferner hat der Kläger Zahlung von 441.362,76 DM verlangt. In einem Zwischenvergleich vor dem Arbeitsgericht haben sich die Parteien geeinigt, zunächst nur die Feststellungsklage weiterzuverfolgen und dem obsiegenden Teil die gezahlten Rentenbeträge zu erstatten.
Der Kläger hat vorgetragen, nicht er, sondern die Beklagte sei verpflichtet, die Betriebsrenten an die ehemaligen Arbeitnehmer der R GmbH zu zahlen. Mit der Betriebsübernahme durch die Lu seien gemäß § 613 a BGB nur die Rechte und Pflichten aus den damals noch bestehenden Arbeitsverhältnissen übergegangen. Die Versorgungsverbindlichkeiten gegenüber den bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern seien bei der R GmbH verblieben, insbesondere habe die Lu die Rentenlast nicht schuldbefreiend übernommen. Die Betriebsrentner hätten keinen Anlaß gehabt, ihre frühere Arbeitgeberin aus der Haftung zu entlassen. Aufgrund des Umwandlungsvertrags vom 27. Juni 1980 seien die Versorgungsverbindlichkeiten von der R GmbH auf die Beklagte übergegangen. Da diese nicht insolvent sei, liege ein Sicherungsfall nicht vor.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, an
alle vor dem 27. Juni 1980 als Rentner oder Anwärter
mit einer unverfallbaren Versorgungsanwartschaft bei
der früheren R GmbH, K , ausge-
schiedenen Personen Versorgungsleistungen nach der
Versorgungsordnung der R GmbH zu erbringen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die Lu habe mit der Übernahme der Verbindlichkeiten auch die Verpflichtung zur Zahlung der Betriebsrenten übernommen und deshalb seit Juli 1980 die Zahlungen geleistet. Sämtliche Betriebsrentner hätten die Übernahme als Schuldbefreiung der R GmbH verstanden und gebilligt. Das Einverständnis mit der befreienden Schuldübernahme hätten sie zudem mit der Annahme der Rentenzahlungen stillschweigend erklärt. Außerdem ergebe sich der Schuldnerwechsel aus § 613 a BGB. Werde nicht nur der Betrieb, sondern das gesamte Unternehmen veräußert, so richteten sich bereits entstandene Versorgungsansprüche ebenfalls gegen den Erwerber. Diejenigen Vermögenswerte, die bei der Veräußerin geblieben seien, hätten zur Deckung der Versorgungslast nicht ausgereicht.
Die Vorinstanzen haben der Feststellungsklage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte muß für die Versorgungsrechte der früheren Arbeitnehmer der R GmbH einstehen, soweit diese bereits vor dem 27. Juni 1980 ausgeschieden sind.
A. Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken. Die Parteien haben ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, wer von ihnen die Versorgungslast hinsichtlich der vor dem 27. Juni 1980 aus der R GmbH ausgeschiedenen Arbeitnehmer zu tragen hat (§ 256 Abs. 1 ZPO). Daß der Kläger seine Forderungen teilweise beziffern könnte, nämlich zumindest für die Rückstände, steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen. Durch die Feststellungsklage kann der Streit einfacher, aber gleichwohl umfassend gelöst werden, nämlich zugleich für künftige Raten. Zudem ist davon auszugehen, daß die Beklagte aufgrund eines Feststellungsurteils leisten wird, da sie sich dazu in dem Zwischenvergleich vom 4. März 1983 ausdrücklich verpflichtet hat, und zwar zugleich für sämtliche ca. 200 Rentner in vergleichbarer Lage.
B. Die Revision kann jedoch keinen Erfolg haben. Das Feststellungsbegehren des Klägers ist berechtigt, da die hier umstrittenen Versorgungsverbindlichkeiten der R GmbH auf die Beklagte übergegangen sind.
I. Bis zum 27. Juni 1980 war - unstreitig - die R GmbH zur Erfüllung der bis dahin entstandenen Versorgungsverbindlichkeiten verpflichtet. Bei dieser Gesellschaft galt eine Versorgungsordnung, die den ausgeschiedenen Arbeitnehmern nach näheren Voraussetzungen Rechtsansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung einräumte. Durch die Fusionierung der R GmbH mit der Beklagten sind die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Verbindlichkeiten auf die Beklagte übergegangen.
1. Nachdem die R GmbH durch Vertrag vom 27. Juni 1980 ihr Betriebsvermögen mit Aktiven und Passiven auf die Lu übertragen und dafür Geschäftsanteile der Lu erworben hatte, war die R GmbH nur noch eine reine Besitzgesellschaft. Ihr Vermögen bestand allein in den Kommanditanteilen an der Lu. Diese Besitzgesellschaft wurde noch am selben Tage, dem 27. Juni 1980, gemäß § 1 Abs. 1 UmwG unter Ausschluß der Abwicklung und unter Abfindung des einzigen Mitgesellschafters auf die Beklagte übertragen. Gegen die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschlusses bestehen aufgrund der Vorschriften des Umwandlungsgesetzes keine Bedenken, sie ist auch von keiner der Parteien bezweifelt worden. Damit ist gem. § 24 i.V.m. § 5 UmwG das Vermögen der R GmbH mit Aktiven und Passiven auf die Beklagte übergegangen.
2. Die Beklagte wehrt sich gegen ihre Schuldnerstellung mit dem Hinweis auf den ebenfalls am 27. Juni 1980 abgeschlossenen Vertrag der R GmbH mit der Lu, durch den die R GmbH ihren gesamten Betrieb mit Aktiven und Passiven auf die Lu übertrug. Die rechtsgeschäftliche Betriebsübertragung führe dazu, daß nach § 613 a BGB auch die Rechtsverhältnisse der Rentner und bereits ausgeschiedenen Anwartschaftsberechtigten auf die Lu übergegangen seien. Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, daß sich § 613 a BGB auf die Rechtsverhältnisse der Rentner und der z.Z. des Betriebsübergangs ausgeschiedenen Arbeitnehmer mit unverfallbaren Versorgungsanwartschaften nicht auswirkt.
a) Die Anwendung des § 613 a BGB auf Ruhestandsverhältnisse wird in ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und weitgehend auch im Schrifttum abgelehnt (statt aller: BAG 29, 94, 98 = AP Nr. 6 zu § 613 a BGB, zu 1 der Gründe; BAG Urteil vom 14. Juli 1981 - 3 AZR 517/80 - AP Nr. 27 zu § 613 a BGB, zu I der Gründe; Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einleitung Rz 295; Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., § 1 Rz 218; Höfer/Abt, BetrAVG, Bd. I, 2. Aufl., ArbGr Rz 241; alle mit weiteren Nachweisen). Für eine direkte Anwendung der Vorschrift ist - wie auch die Beklagte sieht - kein Raum. Der Wortlaut der Bestimmung ist eindeutig: Er bezieht sich nur auf "im Zeitpunkt des Übergangs bestehende Arbeitsverhältnisse".
Auch eine analoge Anwendung scheidet aus. § 613 a BGB dient nicht dazu, den Rentnern mit der Veräußerung des Betriebs einen neuen Schuldner zu verschaffen. Die Vorschrift verfolgt vielmehr das Ziel, die Arbeitsplätze der aktiven Arbeitnehmer zu erhalten (BAG 26, 301, 307 ff. = AP Nr. 1 zu § 613 a BGB, zu III 3 b der Gründe; 27, 322, 326 f. = AP Nr. 3 zu § 99 BetrVG 1972, zu III 1 b der Gründe; 29, 94, 98 = AP Nr. 6 zu § 613 a BGB, zu 1 der Gründe). Dieses Ziel betrifft Ruheständler nicht. Ihnen kann es nur darum gehen, sich einen Schuldner zu erhalten, der zahlungsfähig ist. Daß dies im allgemeinen oder gar notwendig der Betriebserwerber sei, steht nicht fest, wie gerade der vorliegende Rechtsstreit zeigt.
b) Die Revision bekämpft die Auffassung, § 613 a BGB gelte nicht für die Versorgungsverhältnisse ausgeschiedener Arbeitnehmer, mit hypothetischen Erwägungen: Nach den Vorschriften des Betriebsrentengesetzes hafte der Arbeitgeber für die Versorgungsverbindlichkeiten bis zu seiner eigenen Insolvenz, trete die Insolvenz ein, so hafte der Kläger als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung. Wäre, so die Beklagte, die R GmbH nicht durch Umwandlung auf die Beklagte übertragen worden, so läge bei ihr als reiner Besitzgesellschaft und Kommanditistin der Lu ebenfalls ein Insolvenzfall vor und der Kläger müßte eintreten. Die Übertragung der Anteile an dem insolventen Unternehmen auf einen solventen Anteilseigner könne den Eintritt des Sicherungsfalles nicht verhindern. Auch diese Argumentation überzeugt nicht.
(1) Für die Versorgungsverbindlichkeiten haftet, wer bei Eintritt des Versorgungsfalls Versorgungsschuldner ist. Da die R GmbH nicht insolvent geworden ist, ist auch kein Sicherungsfall eingetreten, der den Kläger zum Eintritt verpflichtete. Durch die Übertragung ihres Betriebs auf die Lu ist die R GmbH nicht insolvent geworden, sie hat vielmehr als Gegenleistung Geschäftsanteile und damit Vermögenswerte erworben. Erst später, im Jahr 1982, wurden diese Geschäftsanteile durch die Insolvenz der Lu weitgehend wertlos. Erst jetzt hätte bei der R GmbH, hätte sie als Gesellschaft damals noch bestanden, ein Sicherungsfall i.S. des § 7 Abs. 1 BetrAVG eintreten können. Inzwischen war die R GmbH jedoch auf ihren früheren Hauptgesellschafter, die Beklagte, übergegangen und diese war nicht zahlungsunfähig. Wirtschaftlich betrachtet ist die ursprünglich allein haftende Vermögensmasse der R GmbH im Laufe der Zeit verlorengegangen. Insolvenzfall i.S. des Betriebsrentengesetzes ist jedoch nicht der Verlust einer bestimmten Vermögensmasse, sondern die Zahlungsunfähigkeit des Versorgungsschuldners.
(2) Der Revision kann auch nicht darin gefolgt werden, daß Arbeitgeber und Versorgungsschuldner i.S. des Betriebsrentengesetzes nur sein könne, wer noch im Zeitpunkt des Versorgungsfalles Arbeitgeberfunktionen tatsächlich ausübe. Richtig ist, daß die Regeln des Betriebsrentengesetzes und damit auch der gesetzliche Insolvenzschutz voraussetzen, daß die betriebliche Altersversorgung aus Anlaß eines Arbeitsverhältnisses zugesagt worden ist (§ 1 Abs. 1 BetrAVG). Das bedeutet jedoch nicht, daß die Person des Versorgungsschuldners nicht wechseln und sich sogar von der Arbeitgeberfunktion lösen könnte. Bei der rechtsgeschäftlichen Veräußerung eines Betriebs entspricht das vielfach der Lebenswirklichkeit. Aber auch bei gesellschaftsrechtlichen Verbindungen sind solche Fallgestaltungen nicht ganz ungewöhnlich. Soweit der Betriebsveräußerer weiter haftet, besteht für seine Verbindlichkeiten Insolvenzschutz gem. § 7 Abs. 1 BetrAVG. Ein Sicherungsfall, der zur Einstandspflicht des Klägers führt, tritt aber erst ein, wenn der weiterhaftende Betriebsveräußerer insolvent wird (Blomeyer/Otto, aa0, Einl. Rz 297).
3. Die Revision macht weiter geltend, die Umwandlung der R GmbH sei gem. § 4 BetrAVG unwirksam, soweit sie einen Schuldnerwechsel für Versorgungsverbindlichkeiten zur Folge hätte. Die Gesamtrechtsfolge nach den Regeln des Umwandlungsgesetzes beruhe auf einem Rechtsgeschäft, das nur in den Grenzen des § 4 BetrAVG zulässig sei. Diese Grenzen seien bei der Fusion der R GmbH mit der Beklagten überschritten worden, weil die Beklagte nicht Arbeitgeber der Rentner gewesen sei. Der Senat kann dem ebenfalls nicht folgen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob § 4 BetrAVG wirklich erreichen will, daß der ursprüngliche Arbeitgeber Versorgungsschuldner bleibt, weil ein Wechsel den Insolvenzschutz berührte (so in der Tat BAG 33, 234 = AP Nr. 1 zu § 4 BetrAVG). Im Streitfall war die beklagte Aktiengesellschaft Gesellschafterin der R GmbH. Sie hat durch den Umwandlungsbeschluß deren gesamtes Vermögen erworben, so daß, was die laufenden Renten und unverfallbaren Anwartschaften der schon ausgeschiedenen Arbeitnehmer angeht, überhaupt kein Schuldnerwechsel i.S. des § 4 BetrAVG stattgefunden hat. Anstelle von bisher zwei Gesellschaftern ist ein Gesellschafter, die beklagte Aktiengesellschaft, getreten, ohne daß dabei die Haftungsmasse verkürzt worden wäre. Den Geschäftsanteil des ausgeschiedenen Gesellschafters hat der andere Gesellschafter unter Ausschluß der Abwicklung zum Nennwert erworben. Die bisherige Versorgungsschuldnerin sollte nicht befreit werden; sie hat im Grunde nur den Namen und die Rechtsform geändert. Die Versorgungsverpflichtungen sind nicht, wie § 4 BetrAVG voraussetzt, auf einen Dritten übertragen worden, vielmehr ist der Versorgungsschuldner in anderer rechtlicher Gestalt erhalten geblieben.
II. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Beklagte nicht aufgrund einer befreienden Schuldübernahme der Lu von den Versorgungsverbindlichkeiten frei geworden.
1. Gemäß § 415 in Verbindung mit § 414 BGB kann eine Schuld von einem Dritten in der Weise übernommen werden, daß der Dritte an die Stelle des bisherigen Schuldners tritt. Wird der Vertrag zwischen Schuldner und Dritten geschlossen, so hängt seine Wirksamkeit von der Genehmigung des Gläubigers ab. Die Genehmigung des Gläubigers kann erst erfolgen, wenn der Schuldner oder der Dritte die Schuldübernahme mitgeteilt haben.
a) Die Beklagte sieht eine befreiende Schuldübernahme in dem Vertrag der R GmbH mit der Lu vom 27. Juni 1980. Sie macht geltend, die Lu habe bis zu ihrer Insolvenz tatsächlich alle Versorgungsverbindlichkeiten der R GmbH erfüllt. Sämtliche Versorgungsgläubiger seien damit einverstanden gewesen. Demgegenüber hat das Berufungsgericht die Auffassung vertreten, schon die Mitteilung einer Schuldübernahme sei nicht schlüssig dargelegt. Eine gehörige Mitteilung an die Betriebsrentner ergebe sich weder aus dem Rundschreiben der Lu vom 27. Dezember 1979 noch aus der Unterrichtung der Betriebsrentner anläßlich der Weihnachtsfeier im Jahre 1980. Es sei auch nicht ersichtlich, daß die Versorgungsberechtigten der Schuldübernahme bei gleichzeitiger Haftungsfreigabe ihres bisherigen Schuldners zugestimmt hätten. Die Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden.
b) In ihrem Schreiben vom 27. Dezember 1979, gerichtet an die "Mitarbeiter", erklärt die Lu nur, daß sie in alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Verträgen eintrete. Auch wenn das Schreiben sämtlichen Betriebsrentnern und Anwartschaftsberechtigten der R GmbH zugestellt worden ist, läßt sich daraus eine befreiende Schuldübernahme nicht entnehmen. Aufgrund des Schreibens ist nicht zu erkennen, daß von den Versorgungsgläubigern erwartet wurde, ihre bisherige Versorgungsschuldnerin aus der Haftung zu entlassen. Nur unter dieser Voraussetzung käme eine Zustimmung der Rentner und Anwartschaftsberechtigten überhaupt in Betracht. Die befreiende Schuldübernahme ist ein ungewöhnliches und bedeutsames Geschäft. Eine Entlassung des bisherigen Schuldners aus dem Schuldverhältnis kann nur angenommen werden, wenn der Gläubiger das deutlich zum Ausdruck bringt. Im Zweifel wird ein Gläubiger nur annehmen, daß er einen Schuldbeitritt genehmigen soll, der ihn begünstigt, weil er ihm einen zusätzlichen Schuldner verschafft (BGH, DB 1978, 2216 und DB 1983, 170 f.).
Das gleiche gilt, soweit den anwesenden Rentnern anläßlich der Weihnachtsfeier 1980 die Lu als neue Versorgungsschuldnerin vorgestellt worden ist. Auch bei dieser Gelegenheit ist den Rentnern nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht mitgeteilt worden, ihre frühere Arbeitgeberin, die R GmbH, solle aus der Haftung entlassen werden.
c) Soweit die Beklagte schließlich darauf hinweist, in verschiedenen Prozessen hätten Betriebsrentner der R GmbH selbst vorgetragen, zwischen der R GmbH und der Lu sei eine privative Schuldübernahme vereinbart worden, hat das Berufungsgericht das zutreffend als unerheblich betrachtet. Wenn darin überhaupt eine Genehmigung gesehen werden könnte, wäre sie gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG allenfalls mit Zustimmung des Klägers wirksam (vgl. BAG 33, 234, 239 = AP Nr. 1 zu § 4 BetrAVG, zu II 3 der Gründe). Eine solche Zustimmung fehlt jedoch.
Auf die geschäftsplanmäßige Erklärung des Klägers vom 12. November 1981 (BB 1982, 120 f.) kann sich die Beklagte nicht berufen. Sie betrifft nur die Übertragung laufender Rentenverpflichtungen vor dem 1. Januar 1981. Die hierzu erforderlichen Genehmigungen der Gläubiger könnten aber im vorliegenden Fall erst nach diesem Stichtag erteilt worden sein.
Eine Zustimmung des Klägers zu einer befreiende Schuldübernahme liegt auch nicht darin, daß der Kläger die Beiträge zur gesetzlichen Insolvenzsicherung gegen die Lu festgesetzt und von dieser eingezogen hat. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß der PSV die Beiträge zur Durchführung der Insolvenzsicherung (§ 10 BetrAVG) aufgrund der eigenen Angaben seiner Mitglieder erhebt. Vor allem aber ist unerheblich, ob die Lu Beitragsschulden allein oder auch zusammen mit der R GmbH übernommen hat. Jedenfalls läßt sich aus der Heranziehung der Lu zu den Beiträgen nicht schließen, der PSV wolle Versicherungsschutz ohne Rücksicht auf die Zahlungsfähigkeit des wirklichen Versorgungsschuldners gewähren.
2. Die Revision rügt die Verletzung des § 286 ZPO, weil das Berufungsgericht sich über Beweisanträge der Beklagten hinweggesetzt habe. Die Rüge ist unbegründet:
a) Die Revision macht geltend, die Beklagte habe Zeugen dafür benannt, daß die Parteien des Vertrags vom 27. Juni 1980 die Schuldübernahme als privative gemeint hätten. Dieser Vortrag kann als richtig unterstellt werden. Eine privative Schuldübernahme scheitert nicht an einem etwa fehlenden Willen der Vertragspartner, sondern an der fehlenden Genehmigung der Gläubiger.
b) Die Revision beanstandet ferner, das Landesarbeitsgericht habe nicht aufgeklärt, ob die Behauptung der Beklagten zutreffe, daß das Schreiben vom 27. Dezember 1979 allen betroffenen Rentnern zugeleitet worden sei. Auch dieser Vortrag kann als zutreffend unterstellt werden. Denn das Schreiben legt nicht mit hinreichender Klarheit dar, daß die Lu anstelle der R GmbH künftig alleinige Versorgungsschuldnerin sein sollte. Es bringt nicht zum Ausdruck, daß die R GmbH aus ihrer Haftung entlassen werden sollte.
c) Die Beklagte rügt schließlich, daß die Mitteilungen anläßlich der Weihnachtsfeier 1980 nicht weiter aufgeklärt worden seien. Sie habe Mitglieder der Betriebsleitung und Pensionäre als Zeugen dafür benannt und die Benennung sämtlicher Rentner dafür angeboten, daß klargestellt worden sei, die Lu habe die R GmbH übernommen und zahle deshalb die Renten. Die Richtigkeit dieses Vortrags kann ebenfalls unterstellt werden. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten wurde eine Entlassung der Roto GmbH aus der Haftung für Versorgungsschulden nicht angesprochen.
III. Zusammenfassend ist festzustellen:
1. Die bis zum 27. Juni 1980 ausgeschiedenen Arbeitnehmer der R GmbH hatten gegen diese Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erworben.
2. Durch Vertrag vom 27. Juni 1980 hat die Lu die Versorgungsverbindlichkeiten der R GmbH übernommen. Dadurch ist aber die R GmbH nicht aus ihrer Haftung entlassen worden. § 613 a BGB gilt nicht für Ruhestandsverhältnisse mit der Folge der Haftungsbefreiung des Betriebsveräußerers. Die Voraussetzungen einer befreienden Schuldübernahme durch die Lu sind nicht schlüssig dargetan.
3. Aufgrund des Umwandlungsbeschlusses vom 27. Juni 1980 ist die Beklagte Gesamtrechtsnachfolgerin der R GmbH geworden. Damit sind auch die Versorgungsverbindlichkeiten der Roto GmbH auf sie übergegangen. § 4 BetrAVG steht diesem Übergang nicht entgegen. Ein Sicherungsfall ist bei der Beklagten nicht eingetreten.
Dr. Dieterich Schaub Griebeling
Hoechst Weinmann
Fundstellen
BB 1987, 1392 |
BetrAV 1987, 201-202 (LT1-2) |
KTS 1987, 505-509 (LT1-2) |
NZA 1987, 559-561 (LT1-2) |
SAE 1988, 28-30 (LT1-2) |
ZIP 1987, 863 |
ZIP 1987, 863-867 (LT1-2) |
AP § 613a BGB (LT1-2), Nr 61 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung VI Entsch 53 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 460.6 Nr 53 (LT1-2) |
EzA § 613a BGB, Nr 61 (LT1-2) |