Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsanspruch. Stufenklage. Abrechnung. Auskunft. nachträgliche Anspruchshäufung. Klageänderung in der Revisionsinstanz
Leitsatz (amtlich)
Sowohl § 108 GewO als auch § 36 Abs. 4 BAT betreffen nur die Abrechnung der erfolgten Zahlung. Sie gewähren keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs.
Orientierungssatz
- Nach § 108 GewO ist dem Arbeitnehmer, wenn ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt besteht, “bei Zahlung” eine Abrechnung zu erteilen. Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung. Dagegen regelt § 108 GewO keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs.
- § 36 Abs. 4 BAT hat keinen weitergehenden Regelungsgehalt.
- Deshalb kann nicht gem. § 254 ZPO der bestimmte Klageantrag vorbehalten werden, bis die Abrechnung nach § 108 GewO oder § 36 Abs. 4 BAT erteilt ist. Vielmehr setzt eine zulässige Stufenklage voraus, dass die Abrechnung zur Erhebung eines bestimmten Antrags erforderlich ist.
- Die Einführung eines zusätzlichen Hilfsantrags in der Revisionsinstanz ist unzulässig, wenn die Entscheidung über den Antrag neue Feststellungen erfordern würde.
Normenkette
GewO § 108; BAT § 36 Abs. 4; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, §§ 254, 260, 263
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche auf Abrechnung und Annahmeverzugsvergütung.
Die im Jahre 1952 geborene Klägerin ist seit dem 2. September 1991 als Erzieherin bei der beklagten Stadt angestellt und bei einer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit von 14,67 Stunden in VergGr. Vc BAT eingruppiert. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 6. Oktober 1992 zugrunde, der auf den BAT und die diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge verweist.
Bis Dezember 2000 wurde die Klägerin in der Kernzeitbetreuung an der A-Schule in F… eingesetzt. Hierbei betreut eine allein verantwortliche Erzieherin die fünfbis zehnjährigen Erst- bis Viertklässler vor und nach dem Unterricht und beschäftigt sie mit Spielen, Sport und Bastelarbeiten. Ab dem 29. Dezember 2000 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Mit Bescheid vom 5. April 2002 erhielt sie auf ihren am 24. Februar 2000 gestellten Antrag eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 12. Dezember 2001 bis zum 30. November 2003.
Mit Schreiben vom 1. Mai 2004 bot die Klägerin ihre Arbeitsleistung “nach Ablauf der Krankmeldung” zum 10. Mai 2004 an. Die Beklagte lehnte dieses und ein weiteres Arbeitsangebot der Klägerin vom 10. Mai 2004 unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Betriebsarztes ab. In der Folgezeit prüfte sie eine andere Einsatzmöglichkeit für die Klägerin. Die Beklagte beschäftigte die Klägerin auch weiterhin nicht.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei seit dem 10. Mai 2004 wieder arbeitsfähig und in der Lage, die Kernzeitbetreuung verantwortungsvoll zu leisten. Die Beklagte habe sich deshalb in Annahmeverzug befunden, als sie die angebotene Arbeitsleistung nicht angenommen habe.
Die Klägerin hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung, beantragt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Monate Mai, Juni, August, Oktober und November des Jahres 2004 monatliche Abrechnungen über ihr Gehalt für den Zeitraum ab einschließlich 10. Mai 2004 bis 30. November 2004 zu erteilen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin den sich aus der Abrechnung für Mai 2004 ergebenden Betrag nebst Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB für den Zeitraum vom 17. Mai 2004 bis zum 15. Juni 2004 sowie den sich aus der Abrechnung für Juni 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB für den Zeitraum ab einschließlich 16. Juni 2004 bis zum 15. Juli 2004 und den sich aus der Abrechnung Juni 2004 für Juli 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB für den Zeitraum ab einschließlich 16. Juli 2004 bis zum 15. August 2004 sowie den sich aus der Abrechnung August 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB ab einschließlich 16. August 2004 bis zum 15. September 2004 und den sich aus der Abrechnung August 2004 ergebenden Betrag für September 2004 nebst weiteren Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB ab einschließlich 16. September 2004 bis zum 15. Oktober 2004 und den sich aus der Abrechnung Oktober 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB für den Zeitraum ab einschließlich 17. Oktober 2004 bis zum 15. November 2004 sowie den sich aus der Abrechnung für November 2004 ergebenden Betrag nebst weiteren Zinsen hieraus iHv. fünf Prozentpunkten über dem Zinssatz der EZB für den Zeitraum ab einschließlich 16. November 2004
– abzüglich am 30. April 2004 für Mai 2004 erhaltener Sozialhilfe in anteiliger Höhe von 566,10 Euro sowie
– abzüglich am 1. Juni 2004 iHv. 797,69 Euro erhaltener Sozialhilfe für Juni 2004
– abzüglich am 1. Juli 2004 iHv. 797,69 Euro erhaltener Sozialhilfe für Juli 2004
– abzüglich am 30. Juli 2004 iHv. 666,29 Euro erhaltener Sozialhilfe für August 2004
– abzüglich am 1. September 2004 iHv. 666,29 Euro erhaltener Sozialhilfe für September 2004
– abzüglich am 1. Oktober 2004 iHv. 168,49 Euro erhaltener Sozialhilfe für Oktober 2004
– abzüglich am 28. Oktober 2004 iHv. 169,83 Euro erhaltener Sozialhilfe für November 2004
– abzüglich am 29. Oktober 2004 iHv. 651,31 Euro erhaltenem Arbeitslosengeld für Oktober 2004
– abzüglich am 30. November 2004 iHv. 630,30 Euro erhaltenem Arbeitslosengeld für November 2004
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin sei auch über den 9. Mai 2004 hinaus arbeitsunfähig krank und nicht in der Lage gewesen, ihrer Tätigkeit in der Kernzeitbetreuung nachzukommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Hilfsweise begehrt sie die Zahlung von 7.662,84 Euro für den Zeitraum vom 10. Mai 2004 bis zum 30. November 2004 nebst Zinsen abzüglich der im Klageantrag zu 2 genannten Beträge.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Für den Anspruch auf Abrechnung fehlt es an einer Grundlage. Im Übrigen ist die Klage unzulässig.
I. Nach § 254 ZPO kann mit der Klage auf Abrechnungserteilung ein unbezifferter Zahlungsantrag verbunden werden, wenn die Abrechnung der Bezifferung des Zahlungsantrags dient. Die begehrte Abrechnung muss zur Erhebung eines bestimmten Antrags erforderlich sein (vgl. nur Senat 1. Dezember 2004 – 5 AZR 664/03 – AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 38 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 5, zu I 1 der Gründe mwN, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Danach ist die Stufenklage im Streitfall unzulässig. Es fehlt an dem vorbereitenden Charakter des Abrechnungsantrags. Die Klägerin könnte ihre Ansprüche unmittelbar den tariflichen Regelungen entnehmen. Sie bedarf der Abrechnung nicht zum Zwecke der Bezifferung ihrer etwaigen Zahlungsansprüche. Es handelt sich um nach der Arbeitszeit anteilig zu bemessende und leicht zu berechnende Ansprüche. Daran ändert ein tariflicher oder gesetzlicher Anspruch auf Abrechnung des Arbeitsentgelts nichts. Er erweitert nicht den Rahmen für die Zulässigkeit einer Stufenklage. Deshalb sind die Anträge zu 1 und 2 selbständig zu beurteilen.
II. Der Antrag auf Erteilung von Abrechnungen ist als Leistungsantrag zulässig. Der geltend gemachte Abrechnungsanspruch besteht aber nicht.
1. Nach § 108 GewO ist dem Arbeitnehmer, wenn ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitsentgelt besteht, “bei Zahlung” eine Abrechnung zu erteilen. Die Abrechnung bezweckt die Information über die erfolgte Zahlung. Die Regelung dient der Transparenz (ErfK/Preis 6. Aufl. § 108 GewO Rn. 1). Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er gerade den ausgezahlten Betrag erhält. Deshalb entfällt die Verpflichtung zur Abrechnung, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben (§ 108 Abs. 2 GewO). Dagegen regelt § 108 GewO keinen selbständigen Abrechnungsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs. Gerade einen solchen Abrechnungsanspruch vor Zahlung macht aber die Klägerin geltend.
2. Nach § 36 Abs. 4 BAT war dem Angestellten eine Abrechnung auszuhändigen, in der die Beträge, aus denen sich die Bezüge zusammensetzten, und die Abzüge getrennt aufzuführen waren. Einer erneuten Abrechnung bedurfte es nicht, wenn sich gegenüber dem Vormonat keine Änderungen der Brutto- oder Nettobeträge ergaben. Es geht auch bei dieser Vorschrift um die Zusammensetzung der ausgezahlten Bezüge und die Erläuterung der erfolgten Abzüge. Aus Satz 2 wird ebenfalls deutlich, dass die Abrechnung der Erläuterung und Nachprüfung der tatsächlichen Zahlung dient. Die Abrechnung ist ebenso wie nach § 108 GewO im Zusammenhang mit der Zahlung zu erteilen und kann nicht selbständig vor der Zahlung zur Vorbereitung eines Anspruchs gefordert werden (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr BAT Stand März 2002 § 36 Rn. 62).
3. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer nach allgemeinen Grundsätzen Auskunft über die Grundlagen seines Vergütungsanspruchs verlangen, wenn er hierüber unverschuldet keine Kenntnis hat (vgl. nur BAG 19. April 2005 – 9 AZR 188/04 – AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 242 Auskunftspflicht Nr. 1, zu II 2 der Gründe). Das schließt den Anspruch auf eine Abrechnung mit ein, wenn es der Abrechnung bedarf, um den Anspruch auf die Zahlung konkret verfolgen zu können. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfalle nicht vor.
III. Der unbezifferte Zahlungsantrag ist nicht hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit unzulässig. Der Umfang der Zahlungspflicht bleibt nach diesem Antrag gänzlich unklar.
Die Einführung des zusätzlichen Hilfsantrags in der Revisionsinstanz stellt eine nachträgliche Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) und damit eine Klageänderung gem. § 263 ZPO dar. Es liegt nicht lediglich einer der Fälle des § 264 ZPO vor. Diese Klageänderung ist in der Revisionsinstanz unzulässig. Das Revisionsgericht kann nicht erstmals ein bisher nicht beschiedenes Begehren beurteilen, welches die Feststellung neuer Tatsachen erfordert (vgl. nur Senat 9. November 2005 – 5 AZR 105/05 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 196 = EzA § 4 TVG Metallindustrie Nr. 132, zu I der Gründe mwN). Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Tatbestand des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Entscheidung über den bezifferten Zahlungsantrag würde neue Feststellungen zur Höhe des Anspruchs erfordern. Das Landesarbeitsgericht hat die tatsächlichen Voraussetzungen weder für die geltend gemachte Vergütungsstufe noch für den Ortszuschlag (berücksichtigungsfähige Kinder) festgestellt.
IV. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Hromadka, Dittrich
Fundstellen
BAGE 2008, 62 |
BB 2006, 2536 |
DB 2006, 2182 |
EBE/BAG 2006, 152 |
NZA 2006, 1294 |
ZTR 2006, 660 |
AP, 0 |
EzA-SD 2006, 15 |
EzA |
AUR 2006, 373 |
SPA 2006, 6 |