Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung von Mitteilungspflichten. Schadenersatz
Leitsatz (redaktionell)
Bestätigung der Rechtsprechung des Senats BAG 18. Januar 2000 – 9 AZR 932/98 – BAGE 93, 179
Orientierungssatz
1. Eine Arbeitnehmerin, die dem Arbeitgeber das Bestehen einer Schwangerschaft mitgeteilt hat, ist verpflichtet, den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten, wenn die Schwangerschaft vorzeitig endet.
2. Die Unterrichtungspflicht besteht auch dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnisses zuvor fristlos gekündigt, die Arbeitnehmerin die Schwangerschaft innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung (§ 9 Abs. 1 MuSchG) mitgeteilt und der Arbeitgeber ihr daraufhin keinen Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt hatte, so daß er sich mit der Annahme ihrer Dienste in Verzug befand.
3. Die schuldhafte Verletzung der Unterrichtungspflicht begründet Ansprüche des Arbeitgebers auf Schadenersatz.
4. Der dem Arbeitgeber zu ersetzende Schaden umfaßt nicht das auf Grund des Annahmeverzugs geschuldete Entgelt.
5. Die Arbeitnehmerin handelt regelmäßig nicht rechtsmißbräuchlich, wenn sie die ihr auf Grund des Annahmeverzugs des Arbeitgebers zustehenden Entgeltansprüche verfolgt.
Normenkette
BGB §§ 242, 249 ff., §§ 611, 615; MuSchG § 9
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Juli 1999 – 4 Sa 2053/98 – aufgehoben, soweit es die Klage abgewiesen hat.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 16. Juli 1998 – 2 Ca 614/97 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin für Zeiten ihrer Nichtbeschäftigung.
Die Klägerin war seit dem 3. Februar 1997 bei der Beklagten zu einer monatlichen Vergütung von 610,00 DM in Teilzeit beschäftigt. Ihre tatsächliche Beschäftigung endete am 25. Februar 1997. Mit dem am 10. März 1997 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 7. März 1997 teilte die Klägerin ihr das Bestehen einer Schwangerschaft mit, voraussichtlicher Entbindungstermin sei der 15. Oktober 1997. Sie reichte zugleich Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer von der Beklagten am 25. Februar 1997 erklärten Kündigung ein. Die Beklagte berief sich in dem Kündigungsrechtsstreit ua. darauf, das Arbeitsverhältnis sei befristet gewesen, habe jedenfalls durch Aufhebungsvertrag geendet. Während des laufenden Verfahrens kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis im Juni 1997 zum 31. Juli 1997. Die Klägerin teilte ihr daraufhin mit, ihre Schwangerschaft habe am 19. März 1997 vorzeitig geendet. Durch Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 28. April 1998 ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses rechtskräftig festgestellt worden. Die Klägerin forderte die Beklagte vergeblich auf, Entgelt für drei Arbeitstage im Februar 1997 und die Monate März bis Juli 1997 in einer Gesamthöhe von 3.115,33 DM zu zahlen.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.115,33 DM netto nebst 4 % Zinsen ab 9. Juli 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klägerin mit der Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage teilweise abgewiesen. Ansprüche der Klägerin bestünden nur bis einschließlich April 1997. Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Die Beklagte beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
I. Der Anspruch der Klägerin auf Entgelt für die Monate Mai bis Juli 1997 folgt aus den Vorschriften über den Annahmeverzug, § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 615 Satz 1, §§ 293 ff. BGB.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Beklagte seit 26. Februar 1997 keine Arbeit mehr zugewiesen hat und sich deshalb mit der Annahme der Dienste der Klägerin in Verzug befand. Die Klägerin war nicht gehalten, der Beklagten ihre Dienste anzubieten, sondern konnte eine Arbeitsaufforderung der Beklagten abwarten (ständige Rspr. des Bundesarbeitsgerichts vgl. Senat 19. Januar 1999 – 9 AZR 679/97 – BAGE 90, 329). Eine solche Arbeitsaufforderung hat die Beklagte unterlassen. Daher ist sie verpflichtet, der Klägerin die in Folge des Verzugs entgangene vereinbarte Vergütung zu zahlen.
2. Dem Anspruch der Klägerin stehen keine Gegenrechte der Beklagten entgegen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Entgeltansprüche der Klägerin auf die Zeit bis 30. April 1997 beschränkt. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, die Beklagte von der vorzeitigen Beendigung ihrer Schwangerschaft unverzüglich zu unterrichten. Die Beklagte hätte dann das Arbeitsverhältnis noch im März 1997 rechtswirksam durch ordentliche Kündigung zum 30. April 1997 beenden und die Gehaltsansprüche der Klägerin in Wegfall bringen können. Der Klägerin sei es nach Treu und Glauben verwehrt sich auf ihre insoweit unredlich erworbene Rechtsstellung zu berufen.
3. Dem stimmt der Senat nur teilweise zu. Die Klägerin war zwar verpflichtet, die Beklagte von der vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft zu unterrichten. Die Verletzung der Mitteilungspflicht hat die Beklagte aber nicht von der Entgeltfortzahlung befreit.
a) Der Senat hat in seiner, dem Urteil des Landesarbeitsgerichts zeitlich nachfolgenden Entscheidung vom 18. Januar 2000 (– 9 AZR 932/98 – BAGE 93, 179) eine Rechtspflicht der Arbeitnehmerin bejaht, bei vorzeitiger Beendigung der Schwangerschaft den Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten. Hieran ist entgegen der Auffassung der Klägerin festzuhalten.
aa) Das Arbeitsverhältnis einer Schwangeren unterliegt wegen des gebotenen Gesundheitsschutzes für die Mutter und das Kind vielfachen Beschränkungen. Art, Inhalt und Umfang der von der Arbeitnehmerin geschuldeten Arbeitsleistung richten sich nicht mehr allein nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen, sondern nach den Maßgaben des Mutterschutzrechts. Insbesondere besteht zum Schutz von Mutter und Kind das Kündigungsverbot des § 9 MuSchG. Teilt eine Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber das Bestehen einer Schwangerschaft mit, so nimmt sie diese Rechte aus dem Mutterschutzgesetz in Anspruch. Inhalt und Umfang der Schutzrechte machen es erforderlich, den Arbeitgeber unverzüglich und unaufgefordert zu unterrichten, sobald der Schutz entfällt. Der Arbeitgeber muß wissen, ob er die besonderen Pflichten, die für die Beschäftigung der schwangeren Arbeitnehmerin und die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses gelten, weiterhin beachten muß oder ob diese Pflichten nicht mehr bestehen.
bb) Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin in Unkenntnis ihrer Schwangerschaft bereits gekündigt hatte, die Arbeitnehmerin anschließend innerhalb der Zweiwochenfrist des § 9 Abs. 1 MuSchG ihre Schwangerschaft mitteilt und sich nunmehr die Nichtigkeit der Kündigung herausstellt. Die Arbeitnehmerin darf den Arbeitgeber über den Wegfall des besonderen Kündigungsschutzes nicht im Unklaren lassen. Ansonsten macht sie von einer gesetzlich ihr nicht zustehenden Schutzposition Gebrauch.
cc) Entgegen der Revision besteht diese Mitteilungspflicht auch während des Annahmeverzugs des Arbeitgebers. Der Annahmeverzug läßt die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten der Arbeitsvertragsparteien unberührt. Eine Arbeitnehmerin, die sich wegen des in § 9 MuSchG normierten besonderen Kündigungsschutzes erfolgreich gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses wehrt, handelt widersprüchlich, wenn sie die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses reklamiert, die sich daraus ergebenden Pflichten aber nicht erfüllt.
dd) Die Klägerin war auch nicht deshalb von der Mitteilungspflicht befreit, weil die Beklagte sie nach ihrer Behauptung beschimpft und durch die Erstattung einer Strafanzeige wegen Urkundenfälschung und Prozeßbetrugs beleidigt haben soll. Ein solches Verhalten mag Leistungsverweigerungsansprüche begründen. Es entbindet aber nicht von der Erfüllung einer Mitteilungspflicht, die für die Frage, ob ein Arbeitsplatz und ggf. welcher zur Verfügung gestellt werden muß, wesentlich ist.
ee) Die Beklagte traf keine Fürsorgepflicht, die Klägerin auf die Mitteilungspflicht hinzuweisen. Mit dem Begriff „Fürsorgepflicht” werden die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden nicht näher normierten Pflichten des Arbeitgebers beschrieben. Er bringt zum Ausdruck, daß der Arbeitgeber bei der Wahrnehmung der ihm zustehenden Rechte und bei der Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten nicht nur seine eigenen Interessen verfolgen darf, sondern auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat. Um derartige Obliegenheiten des Arbeitgebers geht es hier nicht. Angesprochen ist vielmehr die sog. Treuepflicht, die den Arbeitnehmer korrespondierend zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers verpflichtet, auf dessen Interessen Rücksicht zu nehmen. Eben diese arbeitsvertragliche Nebenpflicht begründet das Erfordernis der Mitteilung über den Wegfall der mutterschutzrechtlichen Bestimmung. Deshalb verfängt auch nicht die Überlegung der Klägerin, ein Arbeitgeber müsse sich selbst durch regelmäßige Nachfragen bei der Arbeitnehmerin vergewissern, ob sie „noch” schwanger sei.
b) Auch wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, die Klägerin habe ihre arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur unverzüglichen Mitteilung schuldhaft verletzt und die Pflichtverletzung sei dafür kausal, daß die Beklagte das Arbeitsverhältnis nicht bereits zum 30. April 1997 wirksam gekündigt habe, so bewirkt das nicht den Untergang der Entgeltansprüche der Klägerin für die Monate Mai bis Juli 1997.
aa) Wie der Senat ebenfalls in dem Urteil vom 18. Januar 2000 (aaO) entschieden hat, hat ein Arbeitgeber gegen eine Arbeitnehmerin in einem solchen Fall Anspruch auf Schadenersatz nach den Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung. Das auf Grund des Annahmeverzugs geschuldete Entgelt ist jedoch kein Schaden im Rechtssinn, den der Arbeitgeber dem Anspruch auf Annahmeverzugslohn entgegen halten kann. Auch hieran ist festzuhalten.
(1) Ein Schadensausgleich kann im Wege der Naturalrestitution nicht stattfinden. Die Beklagte kann rechtlich nicht so gestellt werden wie sie stünde, wenn die Klägerin ihre rechtzeitige Mitteilungspflicht erfüllt und sie daraufhin von der nach Beendigung der Schwangerschaft wieder zulässigen Kündigungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hätte. Das Arbeitsverhältnis wäre dann auf Grund einer von der Beklagten noch im März 1997 erklärten Kündigung zum 30. April 1997 rechtlich beendet worden. Die Abgabe einer Kündigungserklärung kann indessen nicht über § 249 Satz 1 BGB fingiert werden.
(2) Das schließt auch einen nach § 251 BGB zu bemessenen Geldersatz aus. Ein solcher Ersatzanspruch liefe darauf hinaus, daß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber Schadenersatz in Höhe des Annahmeverzugslohns für die Nichtbeendigung des Annahmeverzugs durch Kündigung schuldete. Die Verpflichtung des Arbeitgebers beruht auf den gesetzlichen Arbeitnehmerschutzvorschriften, hier § 615 Satz 1 BGB. Er hat das Entgelt zu leisten, das er mit der Arbeitnehmerin als die von ihm angemessen beurteilte Gegenleistung iSv. § 611 Abs. 1 BGB für deren Arbeitsleistung vereinbart hat. Daß er die ihm zustehende Arbeitsleistung nicht in Anspruch genommen hat und deshalb die vereinbarte Vergütung nach den Vorschriften über den Annahmeverzug zu zahlen hat, ist die gesetzlich angeordnete Folge seiner Entscheidung, die Arbeitnehmerin in Kenntnis des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses nicht zu beschäftigen. Die Zuerkennung eines dem Anspruch auf Annahmeverzugslohn gegenläufigen Ersatzanspruchs des Arbeitgebers führt im Ergebnis zu einer faktischen Beendigung eines rechtlich fortbestehenden Arbeitsverhältnisses. Ein solcher Beendigungstatbestand ist mit dem geltenden Schadensrecht nicht zu begründen.
Die Auffassung des Senats ist auf Zustimmung (Hergenröder AR-Blattei ES 1220 Nr. 125), aber auch auf Kritik gestoßen. Gerügt wird (Bittner RdA 2001, 336, 337) der Senat habe verkannt, im Rahmen des § 251 BGB gehe es nur um die Berechnung des Vermögenschadens auf der Grundlage eines hypothetischen Geschehensablaufs bei pflichtgemäßem Verhalten der Arbeitnehmerin und nicht um die Fiktion einer nicht erfolgten Kündigung. Nicht der fortbestehende Vertrag als solcher, sondern die Situation, zur Entgeltzahlung verpflichtet zu sein, ohne ein Interesse an der Leistung der Arbeitnehmerin zu haben, sei für den Arbeitgeber wirtschaftlich nachteilig. Der dem Arbeitgeber aus dem Annahmeverzug entstehende Nachteil sei im Rahmen des Schadensersatzes anzugleichen.
Die Kritik überzeugt nicht. Auch der Senat geht davon aus, daß eine Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung für den Arbeitgeber wirtschaftlich nachteilig ist. Allerdings bilden fortbestehender Arbeitsvertrag und Anspruch auf Entgeltfortzahlung auf Grund Annahmeverzugs eine nicht auflösbare Einheit. Der Arbeitsvertrag ist die nicht hinweg denkbare rechtliche Grundlage für die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 615 Satz 1, § 611 Abs. 1 BGB, auch für nicht angenommene Dienste, die vereinbarte Vergütung zu zahlen. Die von der Kritik gewünschte Entlastung des Arbeitgebers stellt nichts anderes als eine faktische Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Folgerichtig entfielen damit nicht nur der Anspruch auf Annahmeverzug, sondern zwangsläufig auch alle anderen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, so insbesondere der Anspruch auf Beschäftigung.
Der Verletzung einer Nebenpflicht käme hier eine Bedeutung bei, die weit über die Folgen hinausgeht, wie sie ansonsten eintreten. Denn je nach den Umständen des Einzelfalls berechtigt die Pflichtverletzung den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer zu ermahnen, abzumahnen oder das Arbeitsverhältnis ordentlich oder außerordentlich zu kündigen. Soweit ein Suspendierungsrecht bejaht wird, so kommt ein solches auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur in Betracht, wenn ein besonders grober Vertragsverstoß vorliegt und die Gefährdung von Rechtsgütern des Arbeitgebers, seiner Familienangehörigen oder anderer Arbeitnehmer, deren Schutz Vorrang vor dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Verdienstes habe, zu besorgen ist (BAG 28. April 1988 – 2 AZR 770/87 – nv.; 11. November 1976 – 2 AZR 457/75 – BAGE 28, 233). Um einen solchen gravierenden Verstoß gegen die Interessen des Arbeitgebers geht es bei der Verletzung der Mitteilungspflicht indessen nicht. Im Streitfall realisiert sich für den Arbeitgeber nur das Risiko, das jeder Arbeitgeber eingeht, wenn er die Annahme der Arbeitsleistung verweigert.
bb) Dem Entgeltanspruch der Klägerin steht auch der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nicht entgegen.
(1) Der unredliche Erwerb einer Rechtsposition kann den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründen. Das gilt auch für das Arbeitsrecht. So ist anerkannt, daß ein Arbeitnehmer nicht durch die zielgerichtete Wahl einer Steuerklasse die Voraussetzungen herbeiführen darf, um sich einen höheren Geldanspruch zu verschaffen (vgl. BAG 18. September 1991 – 5 AZR 581/90 – AP MuSchG 1968 § 14 Nr. 10 = EzA MuSchG § 14 Nr. 10).
Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier nicht vor. Der Klägerin kann allein vorgeworfen werden, daß sie durch ihr Unterlassen dafür gesorgt hat, daß sie ihre Rechtsstellung als Arbeitnehmerin der Beklagten beibehalten hat. Diese Rechtsstellung hat sie jedoch bei Abschluß des Arbeitsvertrags redlich erworben.
(2) Damit setzt sich der Senat auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Juni 1974 (– 2 AZR 278/73 – BAGE 26, 161). Dort hat der Zweite Senat den vom Arbeitgeber gegen die Entgeltfortzahlung nach § 615 BGB erhobenen Einwand des Rechtsmißbrauchs als möglich angesehen, wenn eine Arbeitnehmerin den vom Arbeitgeber verlangten Nachweis der Schwangerschaft nicht beibringt und der Arbeitgeber deshalb über die Wirksamkeit der von ihm erklärten Kündigung im Ungewissen ist. Ob diesem obiter dictum zu folgen ist, ist nicht zu entscheiden. Die Verletzung der Mitteilungspflicht über die Beendigung einer dem Arbeitgeber angezeigten und von ihm (zunächst) nicht angezweifelten Schwangerschaft ist mit der Verletzung der Nachweispflicht nicht vergleichbar. Der Arbeitgeber weiß, daß er wegen der Nichtannahme der Dienste der Arbeitnehmerin in Verzug gerät und mithin die vereinbarte Vergütung zu zahlen hat. Kann er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen nicht beweisen, verwirklicht sich mit der Entgeltfortzahlungspflicht lediglich das Risiko, das er mit seiner Entscheidung über die Nichtbeschäftigung der Arbeitnehmerin bewußt eingegangen ist.
Es greift auch nicht die Erwägung durch, die Verletzung der Nachweispflicht und die Verletzung der Mitteilungspflicht rechtfertigten keine unterschiedliche Behandlung; beide Pflichten bezweckten den Schutz des Arbeitgebers (so Bittner, RdA 2001, 336). Damit wird verkannt, daß Inhalt und Umfang einer Schadenersatzpflicht zwar durch den mit der Norm verfolgten Zweck begrenzt werden; der Schutzzweck begründet aber keine Pflichten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 ZPO.
Unterschriften
Düwell, Breinlinger, Reinecke, H. Kranzusch, Vermerk: Die Amtszeit der ehrenamtlichen Richterin Benz ist abgelaufen. Die Richterin ist an der Unterschrift verhindert. Düwell
Fundstellen
Haufe-Index 762757 |
ARST 2002, 247 |
NZA 2002, 1176 |
SAE 2002, 249 |
ZTR 2002, 495 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 7 |
EzA |
ZfPR 2003, 113 |
NJOZ 2003, 1512 |
PP 2002, 24 |